IV-Generalsekretär Neumayer: "Brexit, Russland, Trump, die Türkei: Das ist viel auf einmal."

- "Es fehlt ein Impuls, der die Situation nachhaltig verbessert", sagt IV-Generalsekretär Christoph Neumayer im Interview.
- Foto: Arnold Burghardt
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Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), spricht im Interview mit RMA-Chefredakteur Wolfgang Unterhuber über die vielen "Baustellen", mit denen die österreichische Wirtschaft zu kämpfen hat.
Wie geht’s unserer Industrie?
NEUMAYER: Generell rechnet die Nationalbank für 2017 mit einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent. In der Industrie liegt das Produktionswachstum heuer bei circa 2,5 Prozent. Für nächstes Jahr rechnen wir mit etwas weniger, aber doch wieder in der Bandbreite.
Also alles gut?
Die Stimmung ist nicht schlecht, aber auch nicht rasend gut. Es fehlt ein Impuls, der die Situation nachhaltig verbessert.
Zum Beispiel?
Eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, wie sie im Koalitionsprogramm beschlossen wurde.
Will die Industrie damit die Überstunden einsparen?
Nein, es geht schlicht und einfach um die rechtliche Möglichkeit, zwölf Stunden am Tag arbeiten zu können, ohne dass die kollektivvertraglichen Vereinbarungen oder die Überstunden beschnitten werden. Wir sind nicht die Überstundenräuber, uns geht’s schlicht und einfach um die Flexibilität.
Für wen eigentlich?
Für Projektarbeiter, die flexibel Aufträge erledigen müssen. Die Industrie ist heute international vernetzt. Wir haben in einzelnen Branchen eine Exportquote von bis zu 95 Prozent. Wenn etwa aus China ein Auftrag hereinkommt und es heißt: "Bitte, das müsst ihr rasch fertig machen!", dann muss man das pünktlich erledigen.
Arbeitszeitverkürzung ist ein rotes Tuch für Sie?
Arbeitszeitverkürzung kann ein Thema innerhalb eines Unternehmens sein, um dort im Zuge der Flexibilisierung Auftragsspitzen abzufangen. Aber sicherlich nicht in voller Breite und sicherlich nicht bei vollem Lohnausgleich. Man sieht ja, wo Frankreich heute mit seiner Arbeitszeitverkürzung steht.
(Foto: Arnold Burghardt)
Ihre Meinung zu einer möglichen Maschinensteuer?
Wir hatten eine intensive Diskussion mit dem Bundeskanzler, der unseren Standpunkt, denke ich, versteht. Und angesichts einer Steuerquote von mehr als 44 Prozent wäre das für den Standort Österreich ein fatales Signal.
Kommen Neuwahlen?
Wir nehmen zur Kenntnis, dass sich nach der Bundespräsidentenwahl die beiden Parteichefs darauf eingeschworen haben, die Legislaturperiode nach Möglichkeit zu dem Zeitpunkt zu beenden, zu dem dies geplant ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir früher als 2018 wählen, ist meines Erachtens jedoch eine größere.
Welche Koalition wäre der Industrie am liebsten?
Wir beurteilen Regierungskonstellationen nach den Inhalten und wie diese den Standort beeinflussen. Bei SPÖ und ÖVP sind die Positionen klar. Bei der FPÖ tut man sich teilweise schwer. Da liegt auch kein Wirtschaftsprogramm vor.
Wie sieht die Industrie die Wahl von Van der Bellen?
Wir haben uns einen internationalen Shitstorm erspart. So gesehen, war das europäische Thema schon sehr wichtig.
Wie blicken Sie in das Jahr 2017?
Die österreichische Industrie blickt sensibilisiert ins Jahr 2017. Wir haben Wahlen in Frankreich und Deutschland. Deutschland ist mit 30 Prozent unser wichtigster Exporthandelspartner. Frankreich spielt auch eine wichtige Rolle. Dort wird sich entscheiden, wie handlungsfähig Europa bleibt.
Was tun mit der Türkei?
Die wirtschaftliche Verflechtung ist stärker als allgemein wahrgenomen wird. Österreich war noch vor einigen Jahren der stärkste Direktinvestor in der Türkei. Die Kritik ist natürlich legitim. Aber die Frage ist, welche Rolle Österreich hier einnehmen will. Wir haben jedenfalls viele Herausforderungen: Wir haben den Brexit, wir haben Russland, wir haben Trump, wir haben die Türkei. Das ist viel auf einmal.
(Foto: Arnold Burghardt)
Was sagen Sie zu Donald Trump?
Bislang ist nicht klar, welchen Weg er gehen will. Das bringt Unsicherheit. Die Wirtschaft braucht aber klare Verhältnisse.
Soll man die Russland-Sanktionen beenden?
In Russland sind 1.200 österreichische Unternehmen tätig. Österreich war eine der drei Volkswirtschaften in Europa, die am stärksten unter den Russland-Sanktionen gelitten haben. Das sollte uns allen bewusst sein. Bei allem Verständnis für die politischen Entwicklungen und das Völkerrecht. Wir könnten uns also gut vorstellen, dass es eine stufenweise Reduktion der Sanktionen gibt, wenn es umgekehrt auch Zeichen des Fortschritts gibt.
Und der Brexit?
Für uns wäre es wünschenswert, Großbritannien so weit als möglich als Partner im Binnenmarkt zu halten.
Danke für das Gespräch.






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