Mit Uni-Titel gleichsetzen
Neue Bildungssparte soll Berufspraxis stärken

Die "Höhere Berufliche Bildung" (HBB) soll als gleichwertige Alternative zur hochschulisch-akademischen Bildung verankert werden und neue berufspraktische Abschlüsse in Österreich schaffen.  | Foto: peopleimages/panthermedia
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  • Die "Höhere Berufliche Bildung" (HBB) soll als gleichwertige Alternative zur hochschulisch-akademischen Bildung verankert werden und neue berufspraktische Abschlüsse in Österreich schaffen.
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Die Lehre hat hierzulande oftmals nur ein geringes Ansehen und wird als Bildungssackgasse wahrgenommen. Die Wirtschaftskammer (WKÖ) möchte dies nun ändern: Die "Höhere Berufliche Bildung" (HBB) soll als gleichwertige Alternative zur hochschulisch-akademischen Bildung verankert werden und neue berufspraktische Abschlüsse in Österreich schaffen. Dies sei vor allem mit Blick auf den akuten Fachkräftemangel von großer Bedeutung.

ÖSTERREICH. Höhere Bildung wird hierzulande zumeist als ein Universitäts- oder FH-Studium verstanden. Auf wichtige, berufspraktische Abschlüsse wie Meisterin und Meister oder Ingenieurin und Ingenieur wird häufig vergessen. Die HBB soll die berufliche Weiterbildung nun aber mit der akademischen gleichstellen und das Ansehen der berufspraktischen Abschlüsse heben. In ihrem Regierungsprogramm bekennt sich auch die türkis-grüne Bundesregierung dazu, eine gesetzliche Grundlage für dieses Vorhaben zu schaffen. "Die Berufsbildung soll parallel zur höheren Allgemeinbildung ausgebaut werden bzw. Lehrlingsausbildung bei tertiären Studien besser angerechnet werden können", heißt es darin.

In ihrem Regierungsprogramm bekennt sich auch die türkis-grüne Bundesregierung dazu, eine gesetzliche Grundlage für dieses Vorhaben zu schaffen. | Foto: Franz Neumayr
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"Wichtigste Bildungspolitische Errungenschaft seit drei Jahrzehnten"

Die Höhere Berufliche Bildung soll die österreichische Bildungslandschaft um ein zusätzliches Segment erweitern. "Auf der Rechtsbasis des HBB-Gesetzes können künftig berufspraktische Bildungsangebote geschaffen werden, die gleichwertig neben der akademischen Bildung stehen", so die WKÖ. Es gehe hierbei also Wertigkeit der Abschlüsse und nicht um die Gleichartigkeit der Ausbildungen.

Konkret handle es sich hierbei um die Stufen fünf bis sieben des "Nationalen Qualifikationsrahmens", der akademische und berufliche Qualifikationen national und europaweit verständlicher, transparent und besser vergleichbar machen soll. Auf den höheren Stufen lassen sich aktuell aber nur hochschulische Weiterbildungen finden. So ist der Bachelor auf Stufe sechs eingeordnet, der Master auf sieben und ein Doktorat auf der achten Stufe.

Konkret gehe es hierbei um die Stufen fünf bis sieben des "Nationalen Qualifikationsrahmens", der akademische und berufliche Qualifikationen national und europaweit verständlicher, transparent und besser vergleichbar machen soll. Auf den höheren Stufen lassen sich aktuell aber nur hochschulische Weiterbildungen finden.  | Foto: WKÖ
  • Konkret gehe es hierbei um die Stufen fünf bis sieben des "Nationalen Qualifikationsrahmens", der akademische und berufliche Qualifikationen national und europaweit verständlicher, transparent und besser vergleichbar machen soll. Auf den höheren Stufen lassen sich aktuell aber nur hochschulische Weiterbildungen finden.
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Künftig sollen sich Höhere Berufsqualifikationen auf Stufe fünf des Qualifikationsrahmens wiederfinden. Ein Fachdiplom – inklusive den bisherigen Abschlüssen Meisterin und Meister, Befähigte und Befähigter sowie Ingenieurin und Ingenieur – soll dann mit dem akademischen Bachelor-Titel gleichgestellt werden. Das Höhere Fachdiplom soll als höchster Abschluss der HBB auf der siebten Stufe angesetzt und auf dem Niveau eines Master-Abschlusses liegen.

Dies sei "mit Sicherheit die wichtigste bildungspolitische Errungenschaft seit drei Jahrzehnten, weil sie die Bildungslandschaft um ein ganz neues Segment erweitert. Der letzte vergleichbar große Schritt war die Schaffung der Fachhochschulen vor genau 30 Jahren", so die WKÖ. 

Lehrlinge wollen sich weiterbilden

Die Wirtschaftskammer sieht in der HBB "eine Perspektive der formalen beruflichen Höherqualifikation nach der Lehre". Sie verweist in diesem Zusammenhang auf eine Umfrage des market-Instituts unter Auszubildenden aus dem November 2022. Hier gaben 53 Prozent der Lehrlinge an, dass sie nach der Lehre eine weitere Ausbildung machen wollen. 44 Prozent wünschten sich zudem die Möglichkeit, im eigenen Beruf höhere Bildungsabschlüsse erwerben zu können. Die HBB mache die Lehre also grundsätzlich attraktiver. 

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Zudem zeigte sich, dass sich 47 Prozent der Lehrlinge mehr Anerkennung und Respekt für die Lehre als Ausbildung wünschten. Auch hier könne die HBB ansetzen, da Berufsbildungsabschlüsse geschaffen werden, "die gleichwertig zu allgemeinen und hochschulischen Bildungsabschlüssen sind", so die WKÖ. 

Melina Schneider, Leiterin der Abteilung Bildungspolitik in der WKÖ, nennt die Vorteile der HBB:

"Qualifikationen in der Höheren Beruflichen Bildung stehen allen offen, die eine berufliche Erstausbildung oder eine mehrjährige fachspezifische berufliche Erfahrung haben. Sie können auf eine Spezialisierung im Berufsfeld oder auf Führungsaufgaben (z.B. Personal, Innovation, Projektmanagement) vorbereiten. Entsprechend vorstellbar sind z.B. Spezialisierungen im Fassadenbau/Dachdecker in Richtung Photovoltaik/Solarthermie und Energie- Gesamtsysteme oder auch Baustellenkoordinatoren in Bauunternehmen. Damit wird dem Bedarf auf dem Arbeitsmarkt entsprochen und es gibt Karrierechancen nach der Lehre."

Die WKÖ verweist darauf, dass die Höhere Berufliche Bildung eine wichtige Maßnahme im Kampf gegen den Fachkräftemangel sei. | Foto: Fotolia/Lohrbach
  • Die WKÖ verweist darauf, dass die Höhere Berufliche Bildung eine wichtige Maßnahme im Kampf gegen den Fachkräftemangel sei.
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Wichtige Maßnahme gegen den Fachkräftemangel

Mariana Kühnel, stellvertretende WKÖ-Generalsekretärin, drängt besonders in Hinsicht auf den Fachkräftemangel auf eine rasche Umsetzung des Vorhabens:

"Wir haben in Österreich 1,6 Millionen Erwerbstätige mit dem Background aus der Lehre als Erstausbildung. Diese wollen wir mobilisieren und ihnen eine Perspektive zur Höherqualifikation nach der Lehre bieten. Das hilft den Fachkräftemangel zu bekämpfen und sorgt dafür, dass der hochschulischen Bildung gleichwertige berufspraktische Berufsqualifikationen auf tertiärem Niveau geschaffen werden. Der Stein muss jetzt ins Rollen kommen."

Bereits im Februar des vergangenen Jahres wurde der Ministerratsvortrag zur HBB präsentiert, wobei die WKÖ ein Beschluss des Gesetzes mit Ende 2022 anvisiert hatte. Die Wirtschaft warte jedoch weiterhin "auf den aus Sicht des Standortes wesentlichen bildungspolitischen Meilenstein". Kühnel drängt daher darauf, dass das Gesetz so schnell wie möglich umgesetzt werden müsse, damit die HBB im Frühjahr 2024 starten könne: "Je rascher der Gesetzestext vorliegt, umso früher und konkreter können darauf aufbauend Qualifikationen geschaffen werden. Denn bis Qualifikationen in großer Zahl und Breite vorhanden sind, wird es noch etwas dauern."

"Je rascher der Gesetzestext vorliegt, umso früher und konkreter können darauf aufbauend Qualifikationen geschaffen werden. Denn bis Qualifikationen in großer Zahl und Breite vorhanden sind, wird es noch etwas dauern", so Mariana Kühnel, stellvertretende WKÖ-Generalsekretärin. | Foto: Pixabay/Harry Strauss
  • "Je rascher der Gesetzestext vorliegt, umso früher und konkreter können darauf aufbauend Qualifikationen geschaffen werden. Denn bis Qualifikationen in großer Zahl und Breite vorhanden sind, wird es noch etwas dauern", so Mariana Kühnel, stellvertretende WKÖ-Generalsekretärin.
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Schweiz und Deutschland als Vorbilder

Die WKÖ verwies zudem darauf, dass das System der HBB bereits seit 18 Jahren im Schweizer Bildungssystem verankert und etabliert sei. Der sogenannte Sektor "Tertiär B" genieße eine hohe Akzeptanz in Wirtschaft, Politik, Bildungsverwaltung und im akademischen Bildungssystem. So seien allein im Jahr 2021 29.090 Abschlüsse im Bereich "Tertiär B" erworben worden.

Auch in Deutschland ist ein ähnliches System seit 2020 im Bildungssystem implementiert. Dieses werde seitdem laufend erweitert, wobei sogar die Titel "Bachelor Professional" und "Master Professional" geschaffen wurden, um die berufspraktischen Abschlüsse mit denen der Hochschulen gleichzusetzen. 

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