Fairness-Büro
Unfaire Handelspraktiken setzen Bauern unter Druck
Vor zwei Jahren nahm das Fairness-Büro des Landwirtschaftsministeriums seine Arbeit auf und bietet seither Bäuerinnen und Bauern sowie Lebensmittelproduzenten anonyme und kostenlose Hilfe, wenn sie von unfairen Handelspraktiken betroffen sind. Am Dienstag präsentierte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) gemeinsam mit Johannes Abentung, dem Leiter des Fairness-Büros, den Tätigkeitsbericht 2023. Dabei zeigte sich, dass die Beschwerden im Vorjahr deutlich zunahmen.
ÖSTERREICH. "Der Handel mit Lebensmitteln ist noch immer ein Kampf mit ungleichen Waffen. Mehr als 100.000 bäuerliche Produzenten und Verarbeiter sind einigen wenigen großen Ketten ausgeliefert. Die drei größten Handelsketten beherrschen fast 90 Prozent des Marktes. Diese ungleichen Verhandlungspositionen führen zu harten Preisverhandlungen, drohenden Auslistungen oder einseitigen Vertragsänderungen", kritisiert Totschnig.
Diese unfairen Handelspraktiken spiegeln sich auch in den Ergebnissen des zweiten Berichts des Fairness-Büros wider, der einzelnen Händlern kein gutes Zeugnis ausstellt: Während 2022 noch 21 Beschwerden bei dem Büro eingegangen waren, verzeichnete man im Vorjahr bereits 235 unmittelbare Beschwerden. "Ein explosionsartiger Anstieg", so der Landwirtschaftsminister, der bekannt gab, dass zwei Fälle sogar an die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) gemeldet wurden.
Eigenmarken und Betriebszusammenschließungen
Als zunehmende Problematik kristallisierten sich im Tätigkeitsbericht 2023 die Eigenmarken der Lebensmittelkonzerne heraus, deren Anteil im Handel bereits auf 53 Prozent gestiegen ist. Wie es im Bericht heißt, lasse sich erkennen, dass Eigenmarken das Machtungleichgewicht zugunsten des Käufers gegenüber dem Lieferanten weiter verstärken und die Nachfragemacht des Lebensmittelhändlers steigt.
Als Beispiel führt das Fairness-Büro Fälle an, bei denen Lieferanten, die ihre Produktneuheiten dem Handel vorstellen, von ihren Käufern häufig dazu gedrängt werden, diese als Eigenmarkenprodukte zu liefern. Der Lieferant muss sich in weiterer Folge den Forderungen des Handels beugen, um nicht ausgelistet zu werden. Dabei werden die Betroffenen häufig gezwungen, Rechte an den eigenen Produkten an den Käufer abzutreten.
Auch die Einbeziehung der vor- oder nachgelagerten Stufen in der Wertschöpfungskette und das Zusammenschließen von Betrieben sei in Österreich, wo der Lebensmitteleinzelhandel eine hohe Marktkonzentration mit mehr als 90 Prozent aufweist, problematisch, da sich in Folge der Anteil der Wertschöpfungskette noch mehr in Richtung Handel konzentriert und sich die Diversifizierung reduziert. Lieferanten müssten daher einen höheren Wertverlust einstecken und Konsumenten einer geringeren Angebotsvielfalt und Produktivität zu erhöhten Preisen gegenüberstehen, so das Fairness-Büro.
"Fast bis zum Bankrott auspressen"
"Wir werden uns weiterhin für unsere tagtäglich hart arbeitenden Bäuerinnen und Bauern und Produzenten gegen ein Ausnutzen von Machtpositionen wehren. Denn es ist völlig inakzeptabel, dass Händler Bäuerinnen und Bauern fast bis zum Bankrott auspressen – wie die Beispiele im Apfelhandel zeigen", so Totschnig. Der Landwirtschaftsminister verwies dabei auf einen Fall, dem sich die BWB angenommen hat.
So wurden aufgrund Beschwerden von zwei Apfelproduzenten ein sogenannter "Apfel-Cluster" aufgedeckt, bei dem der Käufer die Produzenten etwas mehr als ein Jahr und "trotz unzähliger Zahlungsaufforderungen und einer existenzbedrohlichen Situation für die Bauern" nicht ausbezahlt hatte. Wie es vom Fairness-Büro heißt, seien unüblich lange Zahlungsfristen von bis zu einem Jahr ab Lieferung oft gelebte Praxis, was jedoch laut dem "Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetz" zu den absolut verbotenen Handelspraktiken zähle.
Zudem habe der Käufer Äpfel als Abfall- oder Industrieware sortiert und damit dem Apfelbauern Minusbeträge verrechnet, wodurch die Bauern für ihre gelieferten Äpfel noch etwas draufzahlen mussten. Die BWB habe nun jedoch beim Kartellgericht Klage eingebracht und eine entsprechende Strafe wegen erheblichen Zahlungsverzugs beantragt.
Über das Fairness-Büro:
- Das Fairness-Büro wurde per 1. März 2022 im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft als unabhängige und weisungsfreie Stelle eingerichtet.
- Das Fairness-Büro hilft anonym und kostenlos Betroffenen, die beim Verkauf von Agrar- oder Lebensmittelerzeugnissen von größeren Käufern unter Druck gesetzt werden und denen verbotene oder unlautere Handelspraktiken widerfahren.
- Die Rechtsexperten des Fairness-Büros sind beratend tätig, analysieren Beschwerdefälle und prüfen sinnvolle weitere Vorgehensweisen, wie etwa eine Anzeige bei der Bundeswettbewerbsbehörde.
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