Interview mit einem Flüchtling
Ein hoher Preis für eine sichere Zukunft

Ahmad, auf der Suche nach einem Leben in Menschenwürde | Foto: Privat
  • Ahmad, auf der Suche nach einem Leben in Menschenwürde
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Ahmad ist Flüchtling und kam 2015 nach Deutschlandsberg. Im Interview erzählt er seine Geschichte.

Wer bist du und wie sah dein Leben früher aus?
Ahmad: Ich wurde 1992 in der Provinz Idlib in Syrien geboren. Das Leben meiner Familie war vor dem Krieg wie das einer normalen Familie hier in Österreich. Ich habe studiert, Sozialpädagogik in Homs. Die Stadt, in der ich aufgewachsen bin, Kafranbel, ist berühmt für ihre Kritik am Regime. Man hat versucht, uns auszuschließen und Menschenrechte wurden missachtet. Mein Studium in Homs gab mir Hoffnung. Dann kam der Tag, wo man die Bezirksgrenzen nicht mehr überqueren durfte.

Warum hast du dich zur Flucht entschlossen?
Das diktatorische Regime hat explosive Materialien und verbotene giftige Gase abgeworfen. Diktator Al Assad hat junge Männer gezwungen, sich der Armee anzuschließen. Auch die bewaffnete Opposition drängte junge Menschen, gegen das Regime zu kämpfen. Ich wollte nicht kämpfen und töten und bin in die Türkei gegangen. Dort habe ich ein Jahr gelebt und gearbeitet, aber meine Familie sehr vermisst. Ich bin zurückgekehrt in meine Heimat, um es erneut zu versuchen: Da war es noch schlimmer, der Krieg zerstörte mehr als die Hälfte des Landes.
Ich habe als Ehrenamtlicher in Organisationen gearbeitet, die Flüchtlingen aus anderen Gebieten helfen. Eines Tages habe ich dort in einem Keller geschlafen und die Stadt wurde bombardiert, alles war durcheinander und ich begann mich zu fragen, was ich hier täte. Flucht war keine Entscheidung, ich war gezwungen. Wenn ich als Mensch leben wollte, musste ich gehen.

Welche Gedanken haben dich auf der Flucht begleitet?
Die Gesundheit meiner Eltern erlaubte ihnen die Flucht nicht, auch die finanzielle Situation war schwierig. Meine ganze Familie hat geholfen, das Geld für mich zusammen zu bringen. Ich lebe ihren Traum, ich muss es schaffen.
Die Grenze in die Türkei zu überqueren war sehr gefährlich, dann musste ich weiter. Nach einem Schlauchboot in der Ägäis und Nächten in Wäldern flüchtete ich vor der Polizei, obwohl ich kein Verbrechen begangen habe. Mein Verbrechen war es, dass ich nach Leben suchte. Ich wollte einen Ort finden, der mich als Mensch respektierte.

Wie ging es weiter?
Ich bin nach Österreich gekommen, habe in einer Flüchtlingsunterkunft im Bezirk Deutschlandsberg gelebt. Ich habe ungefähr ein Jahr gewartet, ein Jahr, in dem dein Leben irgendwie aufhört, ein Jahr in dem du als Person Pause hast. Das Leben kann erst wieder aufgenommen werden, wenn man eine Aufenthaltserlaubnis als Flüchtling hat.
Das Leben gibt uns aber nicht nur negative Dinge. Ich habe Österreich als sehr schönes Land kennengelernt und sehr nette Leute getroffen. Wunderbare Menschen haben mich unterstützt, die Integration war nicht die große Herausforderung – aber das Erlernen der Sprache. Ich habe eine Zeit lang bei einer Familie in der Steiermark gelebt, die mir viele Ratschläge gegeben hat, sie wurde zu meiner Familie. Mein Traum ist es, mein Studium fortsetzen zu können. Aber ich brauche Geld. Ich habe erkannt, dass die Arbeit die Brücke sein wird, die mich zu meinem Studiumsabschluss führen wird. Ich habe in einer sozialen Organisation gearbeitet, in verschiedenen Restaurants und meine Sprache verbessert. 2018 habe ich bei einem Autohersteller begonnen und arbeite dort bis heute.

Welche Schwierigkeiten hast du in fünf Jahren in Österreich erlebt?
Das Leben in Österreich ist kompliziert und vieles für Fremde schwer zu verstehen. Ich denke vor allem an die Zeit als Asylwerber, die vielen Anträge und Wege zu Behörden. Es ist ein großes Glück, wenn du weißt, dass du in Österreich bleiben darfst. Aber es ist schwer Arbeit zu finden, du musst vorher gut Deutsch lernen, verstehen wie man sich in Österreich für einen Job bewirbt. Das System mit Krankenkasse, AMS, Steuern – das ist alles anders, als man es von zuhause kennt. Die wichtigste Hilfe habe ich von Österreichern bekommen, die sich ehrenamtlich um mich gekümmert haben. Ohne sie wäre es schwer gewesen und ich hätte viel mehr Fehler gemacht.
Manche Flüchtlinge sind dumm und machen Dinge, die sie nicht dürfen, die nicht gut sind. Nicht alle sind so. Die meisten von uns wollen ein neues gutes Leben beginnen in Österreich. Manche Fehler passieren, weil es Unterschiede in der Kultur und in der Gesellschaft gibt. Ich bin ein sehr vorsichtiger und freundlicher Mensch und respektiere andere. Ich glaube, das merken die Österreicher. Bisher habe ich zum Glück noch keine Erfahrungen gemacht, dass mich jemand hasst.
Ich habe einen Ort gefunden, der mich als Mensch respektiert. Eines Tages werde ich eine Ausbildung in Österreich machen können und sozial arbeiten. Ich werde anderen Menschen helfen können und meinen Traum und den Traum meiner ganzen Familie leben.

Das Interview wurde von Claudia Schober geführt und uns dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt. Das vollständige Interview können Sie auf argejugend.at lesen.

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