Familienförderung
Gute Tipps für Familien zu Zeiten der Corona-Krise

Sabine Wirnsberger, Geschäftsführerin vom Institut für Familienförderung  | Foto: KK
  • Sabine Wirnsberger, Geschäftsführerin vom Institut für Familienförderung
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Das Institut für Familienförderung ist seit 2017 in der Bezirksstadt Deutschlandsberg ansässig. Seit Februar 2019 gibt es das Zentrum für Beratung und Therapie am Hauptplatz 40. Für die WOCHE ist die Geschäftsführerin Sabine Wirnsberger Rede und Antwort gestanden.

Woraus setzt sich die Finanzierung für den gemeinnützige Verein zusammen?
SABINE WIRNSBERGER. Wir unterstützen Familien in schwierigen Situationen, wenn Probleme auftauchen oder Kinder Schwierigkeiten in der Schule haben. Für Eltern sind diese Angebote kostenlos oder mit einem geringen Selbstkostenbeitrag versehen. Wir können z. B. kostenlose Psychotherapie für Kinder, Jugendliche und Erwachsene anbieten. Außerdem bieten wir auch kostenlose Vorträge und Workshops zu unterschiedlichen Themen an. Diese Angebote dienen dazu, sich weiterzuentwickeln und Raum für neue Erfahrungen zu ermöglichen.
(Wir sind eine anerkannte Einrichtung des Landes Steiermark aber auch ein Vertragspartner der ÖGK)

Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus welchen Berufsgruppen sind im Team Deutschlandsberg?
Unser Team in Deutschlandsberg besteht einerseits aus dem Team, das in der Kinder- und Jugendhilfe arbeitet und dem Team, das in der Beratung und Therapie arbeitet: insgesamt 10 MitarbeiterInnen unterschiedlicher Professionen, PsychologInnen, PsychotherapeutInnen, Eltern- und Erziehungsberaterinnen, einem Jugendsozialarbeiter und einer Familienhelferin.

Das Angebot ist ein sehr breit gefächertes - worin liegen die Schwerpunkte?
Unser Schwerpunkt liegt in der Beratung und Therapie von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Wir unterstützen Eltern in Fragen der Erziehung, wenn Probleme auftauchen oder Kinder Schwierigkeiten in der Schule haben. Wir helfen auch Jugendlichen auf ihrem Weg ins Erwachsenwerden.
Therapeutische Maßnahmen dienen vorrangig dazu, risikoerhöhende Faktoren zu mindern und Kinder und Jugendliche allgemein emotional und sozial zu festigen. Dazu gehören Einzel und Familiengespräche, Stress- und Emotionsbewältigungsinterventionen sowie Entspannungstechniken.

Wer soll sich von diesem Angebot angesprochen fühlen?

Eltern, wenn sie nicht weiter wissen, aber auch Jugendliche die Unterstützung brauchen.
Respektvoll und gelassen mit den Kindern umgehen - und mit sich selbst: Auf diesem nicht immer einfachen Weg begeben sich Eltern von heranwachsenden Kindern. Es geht um Wutausbrüche und Eigensinn willensstarker Kinder, um Schuldgefühle und um ein Familienleben, das plötzlich im Chaos zu versinken droht. In Familien ist meist viel Konfliktpotenzial vorhanden. Starke emotionale Bindung und die gegenseitige Abhängigkeit lassen Situationen leicht eskalieren. Pubertät, Überforderung mit der Elternrolle, Konkurrenz zwischen Geschwistern oder Schulprobleme können Ursachen für Spannungen in der Familie sein.
Unser Team unterstützt Eltern, wenn sie selbst einen Rat brauchen oder neue Lösungswege finden wollen:

Kinder brauchen keine perfekten Eltern,
aber sie brauchen Mütter und Väter,
die ihnen Orientierung geben.
 von Jesper Juul

Wozu dienst die Familientherapie?
Familientherapie dient dazu, schwierige familiäre Konfliktmuster zu entschärfen und wieder gelingende Kommunikation möglich zu machen. Dabei wird das Augenmerk auf bisher angewandte Lösungsstrategien der Familie gelegt. Es werden Ressourcen und gut gelungene Verhaltensweisen gestärkt und neue Lösungsmöglichkeiten gemeinsam mit allen Familienmitgliedern erarbeitet. Mit dem Ziel, sich in der Familie wieder stark und sicher zu fühlen, die Beziehung zu den Kindern zu stärken und liebevolle Konsequenz ohne Schuldgefühle anwenden zu können.
Aber auch Jugendliche können sich an uns wenden: Wenn sie jemanden zu Reden brauchen, bei persönlichen Schwierigkeiten, Familienproblemen, Gewalt und Suchtmittelmissbrauch. Wir unterstützen Jugendliche dabei Lösungen zu finden, wenn es mit der Schule, mit Freunden oder zu Hause nicht klappt.

Es gibt Augenblicke im Leben,
in denen du jemanden brauchst,
der mehr an dich glaubt als du selbst.

Gibt es bestimmte Tendenzen, die sich in den letzten Jahren in der Kinder- und Jugendarbeit bemerkbar machen?
Psychische Erkrankungen beginnen häufig in der Kindheit und Jugend. Sie gehen sehr oft mit verminderter sozialer, kognitiver und verhaltensbezogener Entwicklung einher (z.B. impulsives Verhalten, niedrige Emotionsregulation, hohe Ängstlichkeit, Schwierigkeiten in sozialen Kontakten, schlechte schulische und berufliche Leistungen etc.). Bleiben diese unbehandelt manifestieren sich im Erwachsenenalter häufig chronische psychische Erkrankungen.
Der Anstieg im Kindes- und Jugendalter hängt einerseits mit dem Lebensstil heutiger Kinder zusammen (schulische Anforderungen, Umwelteinflüsse, hoher Konsum digitaler Medien, weniger unverplante Zeit etc.).
Das alles heißt zusammengefasst: Prävention stärken: Belastungsfaktoren reduzieren, Schutzfaktoren fördern

 Wie wichtig ist die Einbeziehung der Eltern?
Die Einbeziehung der Eltern ist für ein gutes Gelingen unbedingt notwendig. Nur gemeinsam können Veränderungen langfristig und nachhaltig entstehen. Für uns ist es wichtig, dass Eltern nicht das Gefühl haben, etwas falsch gemacht zu haben. Jedes Kind ist anders, mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Anforderungen. Gerade Kinder, die sich schwer an Regeln halten können und sehr impulsives Verhalten zeigen, brauchen einen sehr intensiven Elternkontakt. Das bringt mitunter Eltern oft an ihre Grenzen. Die irrtümliche Sichtweise, dass diese Kinder schlecht erzogen sind, ist nicht richtig und gibt diesen Eltern das Gefühl in ihrer Erziehung zu scheitern. Dabei müssen sie wesentlich mehr Erziehungseinsatz zeigen als andere, denn diese Kinder reagieren nur bei sehr intensiven Reizen. Normales Elternverhalten reicht hier nicht. Elterncoaching ist eine gezielte Form der Beratung, bei der die Unterstützung und Stärkung der elterlichen Kompetenzen im Vordergrund steht.
Weiters unterstützen wir auch Eltern in Fragen der kindlichen Entwicklung, bei familiären Konflikten und Krisen.

Wie nehmen Kinder die aktuelle Situation mit den Ausgangsbeschränkungen Ihrer Erfahrung nach an?

Anfangs hat bei Kindern in erster Linie die Freude „nicht in die Schule gehen zu müssen“ überwogen. Mittlerweile glaube ich, würden viele lieber wieder die Schule besuchen, schon allein deshalb, um Freunde zu treffen. Lernen und Lernpensum erleben viele als gut schaffbar. Viele Kinder und Jugendliche haben nachmittags frei und somit wesentlich mehr gefühlte Freizeit zur Verfügung. Andererseits schränkt die unmittelbare und durchgängige Nähe der Eltern Kinder auch in ihrer Unabhängigkeit und Selbständigkeit ein (selbständig die HÜ zu machen gehört da leider, sehr zum Leidwesen mancher Eltern, oft nicht dazu). Langeweile ist das, was Kinder an dieser Situation am meisten stört. Sie können nicht andere Kinder treffen, zum Fußballspielen gehen…. Die meisten Kinder können die Situation nicht einschätzen. Fragen wie: wann gehen wir wieder in die Schule, wie wird das mit den Schularbeiten sein beschäftigen sie. Sie haben kaum Angst davor selbst zu erkranken. Sie machen sich allerdings Sorgen um ihre Großeltern. Gleichzeitig spüren sie aber so etwas wie soziale Verantwortung. Auf sie und ihr Verhalten kommt es jetzt an. Das stärkt und eint auch.

Grundsätzlich gilt, je ruhiger Eltern mit der Situation umgehen, desto besser können Kinder diese Situation bewältigen. Es ist auch völlig normal, dass in dieser angespannten Situation Konflikte stärker auftreten.

Gerade Jugendliche können mit dieser Unsicherheit nicht gut umgehen und reagieren oft mit Wut. Wichtig ist, dass man gelassen bleibt, man muss nicht jetzt beginnen sein Erziehungsverhalten zu ändern. Viel wichtiger ist, dass man jetzt auf Beziehung setzt. Alles andere kann man in zwei Monate später auch noch lösen. Ein gemeinsames Spiel wirkt oft Wunder. Dabei kann man Gefühle gut kanalisieren.

Haben Sie auch gerade jetzt für diese herausfordernde Zeit zwischen Home-Office und Bewältigung des Schulstoffes griffige Tipps, Stichwort Strukturierung des Lernalltages?
Vom gemeinsamen Frühstück bis zum Gutenachtritual: Kinder brauchen einen Alltag mit festem Rhythmus und klarer Struktur. Nur dann fühlen sie sich sicher und geborgen. Insbesondere in der jetzigen Zeit hilft ein strukturierter Alltag enorm, Kindern ein Gefühl der Sicherheit zu geben und die Herausforderung Home-Office und Bewältigung des Schulstoffes erfolgreich zu meistern: Immer wieder die gleichen Abläufe, vom Weckerklingeln bis zum Gutenachtkuss.
Denn gerade diese täglichen Fixpunkte geben dem Tag ein stabiles Gerüst. Das bietet vor allem Kindern Halt und Vertrauen. Der feste Rahmen zeigt ihnen täglich aufs Neue: Hier bist du geborgen, hier hat alles seinen Platz, hierher kannst du immer zurückkommen, wir schaffen das gemeinsam. Dieser starke Rückhalt vermittelt Sicherheit und ermutigt gleichzeitig, sich auf Neues einzulassen und dazuzulernen. Das macht Kinder selbstständig, selbstbewusst und zufrieden.
 

Anbei einige Tipps, zur Strukturierung des Lernalltages:

Vereinbaren Sie mit Ihrem Kind eine fixe Zeit, zu der jeden Morgen aufgestanden wird.
Frühstücken Sie mit Ihrem Kind gemeinsam und besprechen Sie, wie Sie den Tag gemeinsam gestalten wollen (Lerneinheit, Freizeit, gemeinsame Spiele, alleinige Beschäftigung des Kindes etc.).
Vereinbaren Sie mit Ihrem Kind feste Lernzeiten: bspw. um 730 Uhr aufstehen und frühstücken; um 830 Uhr Start der ersten Lerneinheit.
Strukturieren Sie mit Ihrem Kind gemeinsam den Lernstoff und lassen Sie ihr Kind nur jene Hefte und Bücher auf den Arbeitstisch legen, die es zur Bewältigung des heutigen Tagesplanes auch benötigt.
Legen Sie Lerneinheiten fest, die sich an jenen der Unterrichtsstunden orientieren 50 Minuten Einheiten – anschließend 15 Minute Pause mit Bewegungsspielen bzw. kleine gesunde Jause; im Anschluss daran wieder eine 50 Minuten Lerneinheit).
Kontrollieren Sie jede gemachte Aufgabe des Kindes unmittelbar, bevor es sich einer neuen Aufgabe zuwendet. So kann sichergestellt werden, dass das was das Kind erarbeitet hat auch richtig ist bzw. gleich verbessert und damit nicht falsch eingeprägt wird.
Planen Sie die Lerneinheiten bis 1300 Uhr für Ihr Kind und beenden Sie diese dann mit ihm gemeinsam, in dem Sie mit diesem dann die Hefte, Bücher und Stifte wieder in der Schultasche verräumen.
Lernspiele, das gemeinsame Lesen von Büchern etc. können als Auflockerung zwischen den Lerneinheiten aber auch über den Tag verteilt als Beschäftigung und Festigung der Lerninhalte dienen.
Versuchen Sie, TV, Tablet etc. nicht vor Beendigung der Lerninhalte zu aktivieren.
Und wenn das Lernen geglückt ist und die Freizeit beginnt, dann gilt es, angesichts der herausfordernden Umstände, kreativ zu werden. Wichtig dabei ist: Versuchen Sie nicht in Panik zu verfallen und nutzen Sie stattdessen die Chance, die Zeit mit den Kindern etwas zu entschleunigen und Dinge zu machen, die Sie schon lange nicht mehr gemacht haben oder für die sonst oft im hektischen Alltag zu wenig Zeit bleibt.
 

Anbei eine Ideensammlung an Spielen u.a.

  • Begriffe raten (beispielsweise Tiere erraten: es beginnt mit B, lebt auf der Erde und ist braun: der Bär)
  • Begriffe finden (beispielsweise sagt Person A den Begriff Ameise, Person B muss Ameise und einen Begriff mit B nennen, dann müssen die Begriffe A und B genannt und ein Begriff mit C gefunden werden usw.)
  • in der Wohnung verstecken spielen
  • Spiel "Topfklopfen"
  • Spiel "Schokoladenessen"
  • Spiel „ich sehe etwas, was du nicht siehst“
  • Spiel „blinde Kuh“
  • Massagespiele „ich backe eine Pizza auf deinem Rücken“ oder „ich backe einen Kuchen auf deinem Rücken
  • Zaubertricks lernen und eine Vorstellung für die Familie planen
  • Salzteigfiguren backen und anmalen
  • Turnübungen zu Musik
  • Playmobil spielen
  • Lego bauen
  • Gesellschaftsspiele spielen
  • Lesen und Vorlesen, sich Vorlesen lassen
  • Hörspiele anhören
  • Singen
  • ein Instrument spielen oder üben
  • Puzzles machen
  • ferngesteuertes Auto fahren lassen
  • Zirkusvorstellung für die Eltern einstudieren
  • Zaubershow für die Eltern vorbereiten
  • Malen oder Ausmalbilder anmalen
  • Basteln
  • Kuchen backen
  • Kochrezepte ausprobieren
  • Mama oder Papa im Haushalt und beim Kochen helfen
  • Tanzen
  • eine Höhle bauen
  • Aufräumen und gemeinsam dein Zimmer ausmisten
  • in der Badewanne baden
  • Rätsel lösen
  • Rätsel erfinden, Labyrinthe malen
  • Kariertes Papier (Muster Kästchen anmalen)
  • Geschichten erzählen oder schreiben
  • Fotos anschauen
  • Fotos machen
  • auf dem Dachboden oder im Keller ausmisten und stöbern

Hinter jedem Problem,
das dich gefangen hält,
verbirgt sich die Chance zum Wachstum.
(Jochen Mariss)

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