Leserbrief
Marc Ortner zum Kindergarten im Schloss Frauenthal

Marc Ortner teilt seine Meinung über den Beschluss gegen das Kinderbetreuungsprojekt im Schloss Frauenthal mit. | Foto: RegionalMedien Steiermark
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  • Marc Ortner teilt seine Meinung über den Beschluss gegen das Kinderbetreuungsprojekt im Schloss Frauenthal mit.
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Stadtrat Marc Ortner ließ MeinBezirk.at einen eigens verfassten Leserbrief zukommen, in dem er Stellung zur Ablehnung des Kinderbetreeungs-Projektes im Schloss Frauenthal nimmt. Mehr Informationen und Stellungnahmen der SPÖ zum Projekt findest du im Artikel

DEUTSCHLANDSBERG. Als ich begonnen habe, mich mit dem "Kindergartenprojekt Schloss Frauenthal" auseinander zu setzen, war ich diesem skeptisch bis ablehnend eingestellt, denn jede Gemeinde sollte ihre Kernaufgaben zumindest in weiten Teilen selber übernehmen. Gerade bei den Kindergärten haben die Entscheidungsträger der Gemeinde bereits einige Verträge mit Trägerorganisationen wie der Volkshilfe oder Rettet das Kind abgeschlossen, welche sich in der Zusammenarbeit problematisch gestalten.

Die Volkshilfe hat es konsequent abgelehnt, im Kinderhaus Trahütten frisch für die Kinder zu kochen. Bei Rettet das Kind am unteren Hauptplatz ist der Freibereich am begrünten Dach viel zu sonnig und für die Platzvorgaben zu klein, wodurch ein weiterer begrünter, eingezäunter Bereich vor der Einrichtung notwendig wurde. Zusätzlich sind die Betreiber trotz vorliegender Finanzierungsvereinbarung an die Gemeinde wegen Finanzierungsproblemen herangetreten um 'nachzuverhandeln'. Im Zuge dessen hat ihnen der damalige Stadtrat vertraglich auf 10 Jahre (!) eine Abgangsdeckung zugesichert. Das bedeutet, dass seitdem alle Ausgaben, die nicht über deren normalem Budget gedeckt werden können, von der Gemeinde bezahlt werden.

Stadtrat Marc Ortner ist Mitglied im Deutschlandsberger Gemeinderats-Team der Grünen. | Foto: Foto Strametz
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Bei der Bildungsausschusssitzung vor ca. einem dreiviertel Jahr, wo das Projekt der ComGen gGmbH behandelt wurde, bekamen wir zudem von der Finanzabteilung die Auskunft, dass der Gemeinde durch eigenen Betrieb geringere Kosten entstehen. Eine konkrete Aufstellung zu den Kosten für Kinderkrippen und Kindergartengruppen haben wir von der SP jedoch trotz mehrfachem Verlangen bis heute nicht erhalten. Der nächste gewichtige Punkt für meine skeptische Haltung war der Umstand, dass beim Kiga Schloss Frauenthal zuerst eine, und nach vier Jahren eine zweite Krippengruppe entstehen soll. Nachdem ich mich in den letzten Jahren ausführlich mit den Bereichen Entwicklungspsychologie, Bindungsforschung und Hirnentwicklung beschäftigt habe, weiß ich, dass frühkindliche Fremdbetreuung nicht mit dem elementarsten Grundbedürfnis von Kleinkindern - der "sicheren Bindung", vereinbar ist.

Eine sichere Bindung ist jedoch Voraussetzung für die Bildung von Urvertrauen,... und psychischer Robustheit/Resilienz. Jede Politik, die dieses Wissen mißachtet, schadet unserer Gesellschaft nachhaltig und produziert Unmengen an Folgekosten für unser Gesundheitssystem. Die Betreuung in Krippen (bis zum dritten Lebensjahr) sollte deshalb die absolute Ausnahme darstellen und auf wesentlich höherem Niveau (Betreuungsschlüssel,...) passieren, als es die aktuellen Rahmenbedingungen vorgeben.

Im Schloss Frauenthal sollte ein "Palais der Bildung für die nächste Generation" entstehen. | Foto: Simon Michl
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Von der EU ausgehend, über alle Mitte-Links Parteien bis hin zu AK, ÖGB und Wirtschaftsvertreterinnen und -vertetern weht der Wind jedoch in Richtung Rechtsanspruch für Fremdbetreuung ab dem ersten Lebensjahr. Wer die psychische Natur des Menschen mißachtet wird nichts Gutes ernten – egal welche Ideale dafür herhalten müssen. Trotz dieser schlechten Ausgangslage habe ich begonnen, mich ausführlich mit diesem Projekt zu beschäftigen, habe beide Projektvorstellungstermine wahrgenommen und alle Unterlagen studiert.

Schrittweise habe ich dann erkannt, dass dieses Projekt meine Ablehnung nicht verdient hat. Die Projektwerberin, die ComGen gGmbH, ist keine übliche Trägerorganisation. Dahinter steht eine Familie aus der Region (zu der ich wider der Unterstellung seitens der SPÖ, keine persönliche Verbindung habe), welche den Firmensitz in der Stadtgemeinde Deutschlandsberg gewählt hat und beachtliche Qualifikationen im Bereich Pädagogik, pädagogische Leitung und Qualitätsmanagement vorzuweisen hat. Seit zwei Jahren stecken sie Zeit, Geld und Herzblut in dieses Projekt – im Wissen, damit einen echten Mehrwert für die Region zu schaffen.

Das Pädagogische Konzept für das Projekt sucht seinesgleichen. Die Kostenkalkulation wurde auf Eigeninitiative hin optimiert, sodass der Betrieb maximal gleich viel kostet, wie durch gemeindeeigenen Betrieb – vermutlich sogar weniger. Es wurde das transparente Trägerfördermodell der Stadt Graz gewählt und im Vertragsentwurf mit der Gemeinde wurde ohne Aufforderung von meiner Seite die Prüfkompetenz des Prüfungsausschusses der Stadtgemeinde festgelegt. Des weiteren steht den Kindern bei diesem Projekt ein räumliches Angebot (drinnen und im Freibereich) zur Verfügung, mit dem schwer mitzuhalten ist. Durch Sanierungen oder Aufstockungen von Gemeindeeinrichtungen ist dies niemals erreichbar. Und es kommt zu keiner zusätzlichen Bodenversiegelung.

Michaela Genseberger von der "ComGen gGmbH" im Schloss Frauenthal. | Foto: Susanne Veronik
  • Michaela Genseberger von der "ComGen gGmbH" im Schloss Frauenthal.
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Der nächste Vorteil – der Gemeinde entstehen keine Sanierungs-, Errichtungs- oder Erhaltungskosten des Gebäudes. Lediglich eine einmalige freiwillige Subvention für die Anschaffung von pädagogischen Hilfsmitteln wäre erwünscht, ist aber nicht zwingend notwendig. Zu guter Letzt ist den Betreibern bewusst, wie wichtig eine hochwertige Krippenbetreuung ist. Auf Gemeindeebene kann man den Kurs von "Oben" Richtung frühkindliche Fremdbetreuung nicht ändern, aber ein Bewusstsein für die Problematiken ist ein wichtiger Schritt. Die Steigerung der Krippenqualität steht bei ComGen, sofern es die finanziellen Mittel irgendwie zulassen, an erster Stelle.

Da die Kindergartenkinderzahl pro Gruppe bis 2027 schrittweise von 25 auf 20 reduziert wird, braucht unsere Gemeinde bis Herbst 2024 eine neue Gruppe und bis 2027 zwei weitere Gruppen – allein durch die Reduktion der Teilungszahl. Zwei von drei würde der Kiga Schloss Frauenthal abdecken. Die Gemeinde muss demnach sowieso eigene Einrichtungen sanieren und erweitern, was bei der Budgetsituation der Gemeinde spannend wird – trotz hoher Förderquoten. Fadenscheinig war das parteiideologische Argument im Zuge der Projektablehnung: "Wir wollen nicht auslagern und privatisieren, sondern unsere Aufgaben selber wahrnehmen." Grundlegend stimme ich dem zu, aber es gilt eben nicht ideologisch-absolut. Es kommt außerdem immer darauf an, WER etwas sagt.

Einer SPÖ, die die Müllentsorgung via PPP-Modell überwiegend privatisiert hat, mit problematischen Kiga-Trägern Verträge zum finanziellen Nachteil der Gemeinde macht, den Betrieb vom Kiga-Bad-Gams nach der Aufgabe von Wiki demnächst an die Volkshilfe übertragen will, das Kiga-Gebäude in der oberen Schmiedgasse verkauft hat und Leiharbeit (Gemeindeaufgaben werden an Fremdfirmen vergeben) im Haushalt einen Betrag von zwei Millionen Euro aufweist, kaufe ich diese Position einfach nicht ab. Aus meiner Sicht wird hier mit zweierlei, nein mehrerlei, Maß gemessen. Betreiber, die kein riesiges Netzwerk hinter sich und keine Parteinähe haben, haben keine Chance – eine konkrete und sachliche Gegenüberstellung ist in solchen Fällen unerwünscht.

Stadtrat Marc Ortner, Grüne & Bürgerliste Deutschlandsberg

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