Woche der Landwirtschaft
Mehr Wertschätzung für Produkte aus Bauernhand

Christoph Zirngast, Magdalena Siegl, Nina Schweinzger, Franz Silly, Daniela Posch, Michael Temmel, Josef Kaiser, Josef Fötsch und Bezirksbäuerin Angelika Wechtitsch | Foto: LK
5Bilder
  • Christoph Zirngast, Magdalena Siegl, Nina Schweinzger, Franz Silly, Daniela Posch, Michael Temmel, Josef Kaiser, Josef Fötsch und Bezirksbäuerin Angelika Wechtitsch
  • Foto: LK
  • hochgeladen von Susanne Veronik

Eine aktuelle WIFO-Studie zeigt, dass die Bauern für ihre Leistungen real weniger bekommen, andere Branchen in der Lebensmittel-Wertschöpfungskette aber durch die landwirtschaftlichen Produkte kräftig wachsen. Auch in unserer Region machen sich die Bauern für die Werschätzung ihrer Produkte und mehr Preis-Fairness stark.

DEUTSCHLANDSBERG/LEIBNITZ/STEIERMARK. Die Kammerobmänner Christian Polz (Bezirk Deutschlandsberg) und Christoph Zirngast (Bezirk Leibnitz) verlangen vom Handel und der Lebensmittelindustrie eine rot-weiß-rote Trendumkehr und eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Lebensmittel. Nun startet die Landwirtschaftskammer die Offensive „Sei fair und iss heimisch“ und eröffnet bei Hofgesprächen im Rahmen der Woche der Landwirtschaft (26. September bis 3. Oktober) eine breite Debatte für eine faire Verteilung der Wertschöpfung bei landwirtschaftlichen Produkten.

WIFO-Studie: Nur 3,67 von 100 Euro

„Die Landwirtschaft trägt wesentlich zum Wohlstand in unserem Land bei, allerdings hat das volkswirtschaftliche Gewicht in der Landwirtschaft in den vergangenen Jahren abgenommen“, fasst Studienautor Franz Sinabell vom renommierten Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung WIFO die Ergebnisse zusammen. Der Wirtschaftsforscher konkretisiert: „Werden in Österreich um 100 Euro Lebensmittel eingekauft, liegt die inländische Wertschöpfung bei 46 Euro, der Rest entfällt auf Steuern und Importe. Der Anteil für die Landwirtschaft ist mit 3,67 Euro vergleichsweise gering. In den nachgelagerten Wirtschaftssektoren wird mehr Wertschöpfung erzielt: auf die Lebensmittel- und Futtermittelindustrie entfallen 9 Euro, auf den Groß- und Einzelhandel 17,34 Euro.“

Fleisch aus heimischer Produktion hat Vorrang auf unseren Tellern. | Foto: LK
  • Fleisch aus heimischer Produktion hat Vorrang auf unseren Tellern.
  • Foto: LK
  • hochgeladen von Susanne Veronik

Die Steiermark importiert für 280 Millionen Euro Fleisch, Milch und Eier. Ein wesentlicher Grund für den niedrigen Wertschöpfungsanteil in der heimischen Landwirtschaft ist der hohe Anteil an internationalen (Billigst)Importen von Agrargütern. So hat die Steiermark gemäß Statistik Austria im Jahr 2019 allein Fleisch, Milch, Milcherzeugnisse und Eier im Wert von 280 Millionen Euro importiert. Geld, das den steirischen Bäuerinnen und Bauern fehlt. Neben anderen Faktoren tragen dazu auch die Lebensmittelindustrie und der Handel bei, weil in den wachsenden Eigenmarken-Segmenten zusehends ausländische Agrargüter verarbeitet werden.

Kleine Einkaufsveränderung große Wirkung

Tatsächlich hat die steirische Landwirtschaft das Potenzial den Wirtschaftsmotor in der Steiermark weiter auf Touren zu bringen. Wie eine WIFO-Studie von Franz Sinabell aus dem Vorjahr zeigt, wird bei einer Nachfragesteigerung nach heimischen Lebensmitteln von nur einem Prozent die Wertschöpfung in der Steiermark um 18 Millionen erhöht (Österreich: 141 Millionen Euro) und 500 zusätzliche Arbeitsplätze (Österreich: 3.100) geschaffen. Kammerobmänner Christian Polz und Christoph Zirngast: „Jeder Haushalt, der also um nur 3,50 Euro im Monat ausländische durch heimische Lebensmittel ersetzt, schafft Arbeitsplätze und stärkt die Landwirtschaft sowie die Regionen.“

Achten Sie beim Einkauf auf Regionalität?

Verpflichtende Herkunftskennzeichnung gefordert

„Der Handel macht Werbung mit der heimischen Landwirtschaft, verwendet aber zu oft ausländische Produkte in den Eigenmarken“, fassen die Kammerobmänner Christian Polz und Christoph Zirngast die aktuelle Situation zusammen und verlangen eine rot-weiß-rote Trendumkehr:

  1. Von der Lebensmittelindustrie: Vorrang von regionaler Qualität bei verarbeiteten Lebensmitteln wie beispielsweise bei Wurst, Nudeln und Co.
  2. Vom Handel: Weg von der Aktionitis und den Rabattismus mit klimaschädlich hereingekarrten Billigwaren niedriger Standards
  3. Von der Politik: Eine klare Herkunftskennzeichnung bei verarbeiteten Lebensmitteln wie Wurst, Nudeln und Co. sowie von Essen in Großküchen

Offensive „Sei fair und iss heimisch“

Bei der Woche der Landwirtschaft eröffnet die Landwirtschaftskammer bei Hofgesprächen unter dem Titel „Sei fair und iss heimisch“ die Debatte für eine faire Verteilung der Wertschöpfung bei landwirtschaftlichen Produkten. „Wir wollen die unfaire Situation aufzeigen und mit Unterstützung von Meinungsmachern die Bevölkerung als Verbündete gewinnen“, informieren die Bezirksbäuerinnen Daniela Posch (Leibnitz) und Angelika Wechtitsch (Deutschlandsberg) über diese Offensive.

Zur Preissituation

Wie oben beschrieben: Nur 3,67 Euro kommen derzeit beim Landwirt an, wenn 100 Euro für Lebensmittel ausgegeben werden. Vergleichsweise im Handel 17,34 Euro. Kammerobmann Christoph Zirngast fordert beim Hofgespräch ab Betrieb Posch in Heimschuh eine rot-weiß-rote Trendumkehr. Bei Franz Silly, Bürgermeister der Gemeinde St. Martin im Sulmtal und selbst Landwirt, unterstützt die Gemeinde Vereine und Veranstaltungen, die auf regionale Wertschöpfung achten. "Jeder von uns kann zu einer Trendwende beitragen", ist Bezirksbäuerinnen Daniela Posch überzeugt und ihre Kollegin aus Deutschlandsberg Angelika Wechtitsch ergänzt: "Beim Einkauf auf Herkunft achten und nachfragen, bevorzugt direkt beim Bauern oder Bauernläden kaufen, in der Gastronomie und Kantinen nachfragen woher das Essen kommt."

Hohe Import-Kosten

Allein 280 Millionen Euro wurde 2019 für den Import von Fleisch, Äpfel und Eier ausgegeben, Geld, dass der Landwirtschaft und allen nachgelagerten Sparten fehlt.
Nina Schweinzger und Josef Kaiser als Sprecher der Kampagne junge Landwirtschaft fordern faire Produktionsbedingungen und Entlohnung - ein Kampf David gegen Goliath - Wertschätzung muss auch Wertschöpfung sein.  Als Spitzenvertreter der heimischen Schweinebauern kritisiert Josef Kaiser die ungleiche Verteilung in der Lebensmittel-Wertschöpfungskette und fordert einen fairen Anteil für die Landwirtschaft ein: „Durch die hohen Energie- und Futtermittelpreise füttern und betreuen Schweinebauern ihre Tiere, ohne nur einen einzigen Cent zu verdienen. Das ist untragbar. Wir können nicht zum Nulltarif arbeiten.“

Preisanpassungen nötig

„Die Bauern kämpfen um notwendige Preisanpassungen. Gemeinsam mit den Verarbeitern können wir die gestiegenen Energie-, Treibstoff- und Verpackungskosten nicht mehr stemmen“, sagt Nina Schweinzger, Sprecherin der Jungen Landwirtschaft in der Steiermark, und fordert die Verantwortung des Handels gegenüber den Produzenten ein. Sie wünscht sich vom Handel Preisgespräche auf Augenhöhe und mit gegenseitigem Respekt. Nina Schweinzger gibt einen Einblick in die Einkommensverhältnisse:

Das Produkt Ei ist in den letzten Jahren immer auf der gleichen Preisebene geblieben, obwohl die Inflation gestiegen ist.  | Foto: LK
  • Das Produkt Ei ist in den letzten Jahren immer auf der gleichen Preisebene geblieben, obwohl die Inflation gestiegen ist.
  • Foto: LK
  • hochgeladen von Susanne Veronik

"In der Eierproduktion werden nach wie vor die 2 Cent mehr pro Ei gefordert, obwohl der Handel diese nach wie vor ablehnt. Das Produkt Ei ist in den letzten Jahren immer auf der gleichen Preisebene geblieben, obwohl die Inflation gestiegen ist. Das bedeutet derzeit für uns als Bäuerinnen und Bauern, dass wir teilweise unter unserem Existenzminimum produzieren und kaum unsere fixen Zahlungen decken können."
Es steigen die Futtermittelpreise enorm. Das zeigt sich vor allem bei den Hauptbestandteilen in der Fütterung bei Mais und Soja. Hier ist seit 2010 eine 39,1 % Preissteigerung zu verzeichnen. In Bezug auf die GVO-freie Fütterung zeigt sich die enorme Preiskluft nochmals in Bezug auf den GVO-freien Soja. Zwischen Sojaschrot und GVO-Sojaschrot liegt der Preisabstand bei mittlerweile 50 %. In Österreich werden gesamt 75.568 ha Sojabohnen angebaut, das hilft den Markt etwas zu entgegenwirken. In der Steiermark werden zwar mittlerweile 6.200 ha Sojabohnen angebaut. Für die Preisentlastung oder der Grad der Eigenversorgung ist mit dieser Fläche noch zu wenig.

Dieser Artikel könnte Sie ebenfalls interessieren:

Botschafterinnen bäuerlicher Qualitäts-Produkte

141 Plakate zeigen die Gesichter der jungen Landwirtschaft
Push-Nachrichten auf dein Handy
MeinBezirk.at auf Facebook verfolgen
Die Woche als ePaper durchblättern
Newsletter deines Bezirks abonnieren

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.