Interview zum Priesterjubiläum
Abt Philipp Helm, immer, überall

Ist mit Leib und Seele für die Mitbrüder und die Glaubensgemeinschaft da: Abt Philipp Helm | Foto: WOCHE
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Petrus hat es am Sonntag besonders gut gemeint: Am Tag des Herren feierte im Stift Rein, neben Pater David Zettl, Abt Philipp Helm sein 25-jähriges Priesterjubiläum im Beisein von Altbischof Egon Kapellari und Pater Andreas Batlog. Der 58. Abt des Zisterzienserstiftes, das 1129 von Markgraf Leopold dem Starken von Steyr gegründet wurde, feierte aber gleich doppelt, denn am Montag zuvor wurde Helm 50 Jahre alt. Anlässlich der Jubiläen bat die WOCHE ihn zum Interview.

WOCHE: Wie geht es Ihnen, wie fühlt sich der 50. Geburtstag an?
Abt Philipp Helm:
 Mir geht es sehr gut. Insofern auch, weil ich den Schritt zum 50. nicht als große Hemmschwelle empfunden habe und weil ich für mich eine wichtige Entscheidung in meinem Leben mit der Annahme des Abt-Amtes schon zwei Jahre  zuvor getroffen habe. Die Entscheidung, was mit meinem Leben also geschehen soll, ist damals gefallen.
Das Priesterjubiläum ist für mich das wichtigere Jubiläum, es ist emotionaler. Für mich war die Priesterweihe eines der einschneidendsten Erlebnisse des Lebens. Meinen Geburtstag feiere ich mit meiner Familie, das Weihejubiläum mit meiner Gemeinschaft.

Was hat sich in den letzten 25 Jahren am meisten verändert?
Wir haben viel dazugelernt (lacht).

Wie geht es der Kirche aktuell?
Wir sind coronabedingt ein bisschen in Startschwierigkeiten, jetzt gibt es sozusagen einen Re-Start, der nicht ganz einfach ist. Wir merken, dass wir alle, also auch die Pfarren und Mitarbeiter, ein bisschen träger geworden sind, weil wir so vieles nicht durften. Und jetzt plötzlich scheint es so, dass wir Schritt für Schritt viel tun sollen und dürfen. Da wird es für Mitarbeiter, auch für ehrenamtliche schwierig, etwas zu tun.
In manchen Bereichen ist es so, dass die Mitarbeiter schon auf Öffnungsschritte gewartet haben und darauf drängen, in anderen Bereichen muss man einen Anstoss geben. 

Foto: Christina Kipferling


Muss man den Gläubigen diesen Anstoss auch geben? Sie haben ja auch lange auf die Kirche verzichten müssen und konnten nicht kurz innehalten oder Messen feiern.

Ich weiß nicht, wie es im Herbst ausschauen wird, das wissen wir alle nicht. Aber ich glaube, dass die Leute schon danach dürsten, den Alltag zu erleben. Ich sehe, dass in Cafés wieder viele Menschen da sind. In der Kirche wird es dann natürlich auch so sein. Obwohl wir, anders als die Gastronomie zum Beispiel, mehr Startschwierigkeiten haben, deshalb, weil unsere Hauptklienten ältere Menschen sind. Viele sind aus Angst nicht mehr in die Kirche gegangen und viele sind, das muss man sagen, leider verstorben.
Es wird auch sicher eine Sache sein, wie wir in Zukunft Pfarrfeste feiern, Erstkommunionen, Firmungen und vieles mehr. Aber wir haben auch gelernt, dass oft weniger mehr ist. Wir werden also Wege finden, gemeinsam zu feiern.

Wie war die Firmung heuer?
Wir haben die Firmung in Straßengel, wie auch schon vor Corona, in der Basilika im Stift Rein gefeiert. Wir hatten insgesamt fünf Termine, um alle Firmlinge und ihre Familien gemäß der Regeln aufzuteilen. Für Familien war es eine Grundsatzentscheidung, wer diese Feierlichkeiten besonders miterleben möchte.

Hat die Pandemie etwas mit Glaube und Kirche gemacht? Immerhin wurden 2020 alleine in der Steiermark 920 Wiedereintritte verzeichnet …
Das lässt sich im Moment noch nicht genau abschätzen. Ich für mich persönlich kann sagen, dass wir als Klostergemeinschaft in dieser Zeit – wie jede Familie – mehr zusammengewachsen sind. Wir haben es geschafft, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Wir sind im Miteinander gewachsen und haben noch mehr gespürt, was uns ausmacht.

Bei den Feierlichkeiten am Sonntag zum Jubiläum. | Foto: Manser
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Was ist das Wesentliche?
Dass wir viel mehr Zeit für Gebete und für das gemeinsame Zusammensein hatten und haben – etwa beim Frühstück oder bei einem Kaffee. Dafür gab es sonst keine Zeit, denn die Mitbrüder sind immer woanders auch gefragt. Die Zeit zusammen haben wir, vor allem im ersten Lockdown, als sehr positiv empfunden. Zugleich haben wir aber gemerkt, dass uns eine Aufgabe fehlt. Das ist klar geworden: Ganz für uns selbst sein ist nicht unsere Aufgabe. Es gibt den Seelsorge- und den Aufgabenbereich, wenn ich das so sagen darf. Und es ist dann schon an manchen Tagen, vor allem an Festtagen, so gekommen, dass wir sagten: "Ok wir feiern für uns. Aber machen das stellvertretend für alle anderen. 

Zusammengefasst wurde die Zeit gut genutzt, aber die Gemeinschaft hat gefehlt, oder?
Definitiv ja!

Sie sind ja auch als Religionslehrer tätig. Hat die Pandemie etwas mit der Jugend gemacht? Wie schätzen Sie die Situation ein?
Ich habe die Jugendlichen wirklich sehr bemitleidet. Der Park bei uns in Straßengel war so leer – das hab ich bemerkt, weil ich fast jeden zweiten Tag im Lockdown hin- und hergependelt bin. Die Jugend hat gefehlt. Der erste Lockdown war wirklich unheimlich still und hart. Wir wussten ja nicht, was los ist, was wirklich auf uns zukommt. 
Ich weiß es auch aus Erfahrung im Unterricht: Nur Computer und keine sozialen Kontakte – das ist nicht einfach. Es geht ja bei den Lockdowns und Unterricht zu Hause nicht um die Wissensdefizite, die kann man nämlich aufholen. Es geht um Defizite im sozialen Umgang. Das war für manche sicher schwierig. Ich hab zwei Matura-Jahrgänge, die nur „halb“ die spannende Zeit der Matura genießen konnten.
Ich hatte für mich wahrscheinlich weniger Probleme mit dieser Ausnahmesituation als die junge Generation. Aber wenn ich mich zurückerinnere, in meiner Jugend, dann hätt ich mich sicher geärgert, und auch mir hätte viel gefehlt. 

Wie ist eigentlich der private Abt?
Der private Abt (schmunzelt)? Ich fühle mich im Stift völlig aufgenommen. Und ich hab gewusst, es wird eine Lebensumstellung. Zugleich akzeptieren meine Mitbrüder, und das danke ich ihnen sehr, dass ich mich auch zurückziehe und Kraft woanders tanke. Sie wissen zum Beispiel, dass ich gerne nach Straßengel komme oder Urlaub in Italien mache. Mein letzter Urlaub war auch vor Kurzem, das war mein Geburtstagsgeschenk, in Venedig bei der Biennale. Für mich sind Kunst und das Meer zwei Dinge, bei denen ich komplett abschalten kann. Da vergesse ich fast alles andere.
Ansonsten ist es eigentlich so, dass wir genug Möglichkeiten haben, um abzuschalten. Zugleich weiß ich aber, dass ich überall, bei jedem Einkauf oder wo auch sonst immer, der Abt Philipp bin. Und das ist schon lustig mit den Menschen ins Gespräch zu bringen.
Für mich war es ganz klar, als ich das Amt des Abtes angenommen habe, dass es einen kleineren Spielraum an Privatleben geben wird. Ich hab mir damals gedacht: "Jetzt bist du so in einem Alter, in dem du deine Flegeljahre schon hinter dir hast", das passt also. Und dann hat ein guter Freund zu mir gesagt: „Jetzt wäre es eigentlich an der Zeit, dass du Vater wirst!“ Denn all meine Schulfreunde haben schon Kinder. Aber: Ich hab mit dem Amt gleich 15 Kinder auf einmal bekommen, mit einem Schlag (lacht).

... der aramäischen und hebräischen Bedeutung des Wortes "Abt" zufolge, das "Vater" bedeutet, sind sie ja tatsächlich Vater geworden.
Ja, ich hab halt ältere Kinder bekommen.

Äbte werden oft auf Lebenszeit gewählt. Bei den Zisterzienser ist das nicht so. Oder?
Bei uns ist es klar geregelt: Die Mitbrüder einigen sich schon vor der Wahl, wie lange die Amtszeit des Abtes sein wird, egal, wen sie wählen. Bei uns war es dieses Mal eine lange Amtszeit, es sind zehn Jahre. Das hat insofern einen Sinn, weil 2028 meine Amtszeit ausläuft und 2029 das 900-Jahr-Jubiläum des Stiftes gefeiert werden. Das heißt, wir können die Vorbereitungen schaffen. 
Insofern war die Entscheidung über diese lange Amtszeit gut. 

Foto: WOCHE


Kann man wiedergewählt werden?
Bei uns ist es so: Wenn die Mitbrüder sagen, es hat so gepasst und so kann es weitergehen oder wir haben Bedenken, so geht das nicht, wird gewählt oder abgewählt. Wird man erneut Abt, verlängert sich nur die Zeit, es ist also eine Bestätigung und in dem Sinne keine Wiederwahl.

Würden Sie dieses Am auf Lebenszeit machen wollen?
Ich sehe das eher so, dass es intensive zehn Jahre sind. Mit Corona hat auch niemand gerechnet – da gibt es viel nachzuholen. Die zehn Jahre mach ich sehr gerne. Aber wir werden sehen, wie es weitergeht.

Anderes Thema: Wie geht es dem Orden mit Nachwuchs? Gibt es Probleme?
Prinzipiell kann man Nachwuchs nicht bewerben, das ergibt sich. Ich bin zum Beispiel zu einer Zeit eingetreten, wo wahrscheinlich niemand eintreten wollte. Ich wollte das Stift, die Gemeinschaft. Der Schritt zur Glaubensgemeinschaft ist ein bisschen so wie die Ehe: Es geht um eine Partnerschaft, die ein Leben lang anhält. Jemand, der sich für ein Klosterleben entscheidet, muss seinen Partner richtig kennenlernen. Und die Wahrscheinlichkeit für den einen Lebenspartner ist genauso hoch wie die für das ewige Klosterleben.

Muss man aber etwas definitiv mitbringen, um Zisterzienser zu werden?
Es gibt schon Regelungen. Man muss 18 Jahre alt sein, männlich, eine abgeschlossene Ausbildung haben und psychologische und medizinische Vorgaben erfüllen, also gesund sein. Wir wissen ja, dass wir jemanden ein Leben lang begleiten, es soll ihm demnach gut gehen. Es gibt auch eine lange Probezeit. Wichtig ist allerdings, dass es für beide Seite passt. Dann stimmen alle Mitbrüder ab, jeder macht sich sein eigenes Bild.

Foto: Marktgemeinde Gratwein-Straßengel
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Frauen und Kirche – das ist nach wie vor ein heiß diskutiertes Thema. Sollte es mehr Frauen in der Kirche geben? Könnte damit das Nachwuchsproblem gar gelöst werden?
Wir haben so viele Frauen in der Kirche, bestimmt mehr als Männer. Frauen haben so viele wichtige Aufgaben: da gibt es den Klosterladen, die Küche, den Pfarrgemeinderat. Das sind hauptsächlich Frauen und wir sind ihnen sehr dankbar für ihr Mitwirken.
Dass das Weiheamt von Männern geführt wird und bis jetzt nur für Männern bestimmt ist, ist eine Entscheidung aus Rom. Darauf haben wir keinen Einfluss. Doch Frauenklöster gibt es auch, aber auch diese haben wenig Nachwuchs. Ich traue mich da aber keine Aussage zu machen, aber ich glaube, dass Frauenklöster sogar mehr Probleme damit haben, weil sie hauptsächlich im sozialen Bereich beschäftigt sind. Und das ist leider ein Bereich geworden, der schlecht bezahlt wird und immer weniger erstrebenswert ist. 

Die Frage ist ja auch, ob es das Nachwuchsproblem lösen würde.
Das stimmt, bei den Evangelischen gibt es ja auch Nachwuchsmangel. Außenstehende sehen zu selten, dass Kirche ein Sozialberuf ist, den man mit Leidenschaft auch machen will.

Zu Abt Philipp Helm:

  • Hagen Helm, am 21. Juni 1971 in Graz geboren, wuchs in Peggau auf und besuchte das Bundesgymnasium Rein. Nach der Matura trat er im Jahr 1989 in den Orden der Zisterzienser ein und nahm den Ordensnamen Philipp an. Nach dem Noviziat studierte er Theologie und Religionspädagogik an den Universitäten Innsbruck und Graz sowie im Collegium Canisianum der Jesuiten, legte 1993 die Feierlichen Profess ab und wurde 1996 von Bischof Johann Weber zum Priester geweiht. Er leitete bereits vor Abt Christian Feurstein das Kloster als Administrator.
  • Philipp Helm wurde im September 2018 einstimmig von den 15 Zisterziensermönche des Stiftes zum Nachfolger des verstorbenen Abtes Christian Feurstein gewählt, der 2015 aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war. Damit ist er der 58. Abt des Stifts Rein. Die Segnung und gleichzeitige Amtseinsetzung nahm der Bischof Wilhelm Krautwaschl vor, und überreichte dem neuen Abt die Ordensregeln sowie die Insignien des Amtes: den Abtstab, die Bischofsmütze und der Abtring. In den anschließenden Reden wurden nicht nur die Tugenden des neuen Abtes hervorgehoben, sondern auch ein „Geheimnis“ offenbart – Philipp Helm ist großer Fan des italienischen Fussballs und erhielt als „Antrittsgeschenk“ ein italienisches Fussballtrikot mit seinem Namenszug vom Vertreter der Ökumene.
  • Im Oktober 2019 erhielt Abt Philipp Helm von der Kameradschaft Feldmarschall Radetzky das große Komturkreuz der Verdienstklasse. Der geistliche Würdenträger ist auch Militärkaplan und erhielt diese Auszeichnung für besondere Verdienste um die militärische Tradition.
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