Unternehmer-Interview
"Wer hat etwas davon, wenn die Pflege gut ist? "
Im Unternehmer-Interview: Anette Glössl spricht über die Herausforderung der Pflege.
Anette Glössl kümmert sich um die Bedürfnisse älterer Menschen. Seit voriger Woche ist ihr "a’nette 24h Pflege, Case & Care Management" die erste zertifizierte Vermittlungsagentur für die 24-Stunden-Betreuung und -Pflege einer Diplomkrankenschwester in der Steiermark. Die Agentur ist ein regionales Konzept, das in Zukunft mit Diplomkrankenpfleger in einem Franchisesystem wachsen soll.
WOCHE: Frau Glössl, wie fühlt es sich an, diese Qualitätszertifizierung, das Gütesiegel ÖQZ-24, in den Händen zu halten?
Anette Glössl: Sehr gut! Der Weg dorthin war ein spannender, denn ich habe mich vorab angemeldet, ohne die Kriterien zu kennen. Weil ich wusste, dass ich alle Richtlinien erfüllen kann. Umso schöner, dass die Zertifizierung eine Bestätigung meiner Arbeit ist.
Gerade Pflege wird viel diskutiert. Lösungen werden aber kaum gefunden ...
Ich bin seit 28 Jahren in der Pflege tätig. Und seither gibt es dasselbe Problem: Die Pflege bekommt zu wenig Aufmerksamkeit, obwohl sie uns alle betrifft. Die Menschen werden älter und benötigen Unterstützung. Kurz vor Wahlen wird die Pflegekarte gerne ausgespielt, dann gibt es viele Vorschläge. Wirklich angreifen traut es sich aber niemand. Pflege muss aus der Politik herausgenommen werden, da vergeht einfach zu viel Zeit. Österreich hat nicht erkannt, dass ein anderer Weg eingeschlagen werden muss. Dringend. Auf gut 20 pflegebedürftige Menschen kommt ein Pfleger, rund 70 Prozent der Pflegebedürftigen werden von Verwandten gepflegt.
Gibt es Beispiele, wo es anders besser läuft?
Viele sogar. In den Niederlanden hat sich die Non-Profit-Organisation "Buurtzorg" durchgesetzt, die Nachbarschaftshilfe. Man hilft sich gegenseitig. Die Pfleger planen den gesamten Prozess und gehen weg von der harten Bürokratie. "a’nette pflege" ist hier angelehnt: regional, flexible Arbeitszeiten, auf den Menschen eingehen können.
Ist das hierzulande nicht das entscheidende Problem?
Mitunter. Stoppuhren erschweren die Tätigkeit. Es muss nach Prioritäten und nach der Individualität des älteren Menschen gearbeitet werden. Stoppuhren stoppen nur die Empathie. Menschen können zuhause respektvoll, fachgerecht und optimal gepflegt werden, aber dazu braucht es ein Umdenken.
Was muss sich Ihrer Meinung nach ändern?
Die Qualität muss gesteigert werden, es braucht umfassende Beratung, die Pflege muss eigenständiger werden. Es gibt viele Trägerorganisationen, die einen Gebietsschutz haben. Wenn alles so weitergeht, pflegen wir sozusagen die Menschen in die Betten hinein.
Was unterscheidet Sie davon?
Als Case-Manager habe ich einen Überblick, ich weiß, wo Betten frei sind, welche Anträge notwendig sind, welcher Arztbesuch wichtig ist. Als freiberufliche, diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester kann ich regionale Versorgung garantieren. Man gibt der Pflege damit ein Gesicht. Wir kooperieren mit Gemeinden und bieten Einschulung, Aus- und Fortbildung. Wir nehmen den Menschen mit seinen Bedürfnissen als Ganzes wahr, evaluieren und zielen auf den Prozess der Gesunderhaltung und -werdung ab. Die wichtigste Frage ist doch: Wer hat etwas davon, wenn die Pflege gut ist?
Zum Unternehmen
Anette Glössl ist seit 28 Jahren praktizierende Diplomkrankenschwester und gründete 2015 die Vermittlungsagentur "a’nette pflege". Hier hat jeder Kunde eine Bezugsschwester aus der Region, die zu pflegenden Menschen kommt. Das Zertifikat garantiert nun die nachhaltige Qualitätssteigerung der Pflege und Betreuung. Besonderheit: "a’nette pflege" hat zur Betreuungsdokumentation einen Betreuungskalender für Klienten, Familien und Arzt entwickelt, der eine lückenlose Aufzeichnung garantiert.
Kontakt: "a’nette 24h Pflege, Case & Care Management", Röthelstein 9, 8131 Röthelstein, 0664/3018960, www.anette-pflege.at
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