Familienflüsterer Dr. Streit
Wie Eltern am besten reagieren, wenn ihr Kind sie anlügt

- Kleine Lügengeschichten gehören zur Pubertät dazu: Der Experte erklärt warum und wie Eltern damit am besten umgehen.
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Schlechte Noten oder heimlich auf einer Party: Der Psychologe Philip Streit erklärt, wie Eltern am besten mit den Lügen von ihren Kindern umgehen.
Man müsse die Frage anders stellen, sagt Familienflüsterer Dr. Philip Streit. Wann lügen Kinder und Jugendliche nicht? Die Antwort: Wenn sie es nicht nötig haben.
GRAZ. Entwicklungspsychologen sind sich einig, dass ein gewisses Maß an Lügen zur Pubertät dazu gehört: Das Gehirn ist dann nämlich eine Baustelle. Das Frontalhirn zuständig für Planung, Hemmung und Integration von Gefühlen und Werten, ist noch nicht richtig entwickelt. Dafür sind Gefühle, Fantasie und Begeisterung überschäumend.
Das Flunkern beginnt üblicherweise mit 12 Jahren und sollte sich spätestens bis 17 gelegt haben. Bleibt es bestehen, kann eine Beziehungskrise vorliegen. Eltern und Teenager vertrauen sich nicht. Aber auch hier hilft kein Überdramatisieren, Kontrollieren und Strafen, denn Druck und Härte sind meist der beste Dünger für ein Lügensystem.
Wann ist Lügen nicht notwendig?
1. Wenn ein Kind grundsätzlich auf Verständnis stößt. Jedem können Fehler passieren: Man schreibt eine schlechte Note in der Schule, übersieht die Zeit oder setzt eine impulsive Handlung. Wie Eltern reagieren sollten: Mit Ausgleich und Versöhnung statt Strafe und Härte.
2. Wenn ein Klima der Offenheit und Ehrlichkeit herrscht. Denn dann kann alles erzählt werden, vor allem Dinge, die wirklich für Schwierigkeiten sorgen könnten.
3. Wenn das Kind unterstützt wird beim Umgang mit seinen Selbstzweifeln. Sehe ich gut genug aus? Bin ich in meiner Gruppe anerkannt? Warum erreiche ich nicht, was ich will? Elterliche Unterstützung und Begleitung hilft oft bei Größenfantasien und Aufschneiderei.
4. Ein Teenager braucht auch nicht zu lügen, wenn Eltern achtsam sind. Beobachte sein Tun, sei neugierig auf seine Leidenschaften. Dabei sei wachsam, schreiben dem jungen Menschen aber nicht alles vor, was gut für ihn ist.
Das kannst du tun:
• Sei ein Vorbild. Wie hältst du es mit kleinen Lügen? Stehe Verfehlungen. Vermittle, dass man mit Ehrlichkeit am weitesten kommt.
• Pflege ein Klima der Wertschätzung und Transparenz gegenüber ihrem Teenager. Sage aber auch klar und unmissverständlich, in gebührenden Ton, wenn etwas nicht in Ordnung ist.
• Aus Lügen ergeben sich oft natürliche Konsequenzen, die dein Kind tragen muss, strafe es nicht unmotiviert.
• Fordere nicht kategorisch Schuldeingeständnisse ein und blamiere deinen Teenager nicht. Gebe ihm die Chance, sein Gesicht zu wahren. Gib ihm durch Fragen die Möglichkeit, die Geschichte immer wieder zu erzählen und zu einer Lösung zu kommen.
• Wenn sich dein Kind durch Lügen in eine ausweglose Situation verstrickt hat, stoße es nicht weg, halte zu ihm, bis es eine Lösung gibt.
• Suche mit deinem Teenager nach Alternativen zur Lüge, um ein Problem zu lösen. Wertschätze sein Bemühen.
Der Experte
Philip Streit ist klinischer Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut, Lebens- und Sozialberater. Seit 1994 leitet er das „Institut für Kind, Jugend und Familie“ in Graz, das unter Tel. 0316 / 77 43 44 für dich da ist. Hast du Fragen, wie du dein Leben gestalten sollst, brauchst du Rat? Deine Fragen an Dr. Philip Streit gerne jederzeit an: redaktion.graz@regionalmedien.at
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