Dr. Philip Streit: Kinder – allein zu Haus: Ab wann ist es ratsam?

Sicherheit an erster Stelle: Erziehungsberechtigte sind dafür verantwortlich, dass Kinder keinen Schaden erleiden und anrichten. Mit zunehmendem Alter kann ihnen auch mehr zugetraut werden. | Foto: Bubu Dujmic
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  • Sicherheit an erster Stelle: Erziehungsberechtigte sind dafür verantwortlich, dass Kinder keinen Schaden erleiden und anrichten. Mit zunehmendem Alter kann ihnen auch mehr zugetraut werden.
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Gerade in den Ferien stellen sich Eltern immer wieder die Frage, ob sie ihre Kinder alleine lassen können oder ob sie ihnen das noch nicht zumuten können. Prinzipiell besteht bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes eine elterliche Aufsichtspflicht. Aber in Erziehungsrichtlinien wird explizit festgeschrieben, dass Kindern auch etwas zuzumuten ist und ihnen auch Alleingänge zugetraut werden sollten. Die Entwicklungspsychologie gibt diesbezüglich ungefähre Richtlinien. So dürfen Kinder unter drei Jahren nicht alleine gelassen werden, im Alter von vier bis fünf Jahren dürfen sie bis zu einer halben Stunde alleine sein, ab sieben Jahren sogar bis zu zwei Stunden. Diese Richtlinien hängen aber davon ab, ob man mit dem Kind Absprachen treffen, Risiken abschätzen, Hilfe holen und Regeln einhalten kann. Die pädagogische und geistige Haltung sollte sein, dass Kinder in einem gesicherten Raum eigenständiges Handeln lernen.

Tipps von Dr. Philip Streit:

1. Gehen Sie in sich selbst. Wie war es für Sie, als Sie das erste Mal auf sich alleine gestellt waren, welche Sicherheiten und Möglichkeiten hätten Sie gebraucht?

2. Holen Sie unbedingt das Einverständnis Ihres Kindes ein, ob es alleine bleiben möchte. Ist dies nicht gegeben, lassen Sie es sein. Sie erzeugen nur unnötige, langwierige Trennungsängste.

3. Schätzen Sie vorsichtig ein, über welche Kompetenzen Ihr Kind verfügt. Ist es verbindlich? Kann es sich Hilfe organisieren? Kann es alltägliche Handgriffe in der Wohnung erledigen? Ist dies nicht der Fall, bauen Sie das behutsam mit Ihrem Kind auf.

4. Sperren Sie bitte Ihr Kind nie ein, wenn Sie es alleine lassen. Das fördert Ängste und eine negative Abwärtsspirale der Ängste.

5. Testen und üben Sie das Alleinsein Schritt für Schritt mit kleinen Zeiteinheiten. Die wichtigste Übung ist aber, sich klar und eindeutig zu verabschieden, wo dies gefahrenlos möglich ist.

6. Bauen Sie ein Unterstützungsnetzwerk auf, wenn Sie Ihr Kind alleine lassen. Großeltern, Verwandte und Freude: Haben Sie mit diesen Personen und auch mit Ihrem Kind Kontakt.

7. Etablieren Sie so fixe Beziehungen und Brücken, auch wenn Sie voneinander getrennt sind.

8. Seien Sie unbedingt verbindlich, wenn Sie Ihr Kind alleine lassen. Absprachen müssen genau eingehalten werden. Sonst entstehen Misstrauen und Unsicherheit.

9. Pflegen Sie mit Ihrem Kind täglich eine herzliche Begegnung. Das ist die beste Voraussetzung für autonomes Handeln Ihres Kindes.

Familienflüsterer
Dr. Philip Streit

Philip Streit ist klinischer Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut sowie Lebens- und Sozialberater und beantwortet in der WOCHE Fragen aus dem Themenfeld Erziehung, Familie und Beziehung.

Seit 1994 leitet er das „Institut für Kind, Jugend und Familie“ in Graz. Es ist das größte Familientherapiezentrum in der Steiermark.
Telefon: 0316/77 43 44
Web: www.ikjf.at

Ihre Anregungen und Fragen richten Sie bitte per E-Mail an: redaktion.graz@woche.at oder auf dem Postweg an: WOCHE Graz, Gadollaplatz 1/6. Stock, 8010 Graz.

Sicherheit an erster Stelle: Erziehungsberechtigte sind dafür verantwortlich, dass Kinder keinen Schaden erleiden und anrichten. Mit zunehmendem Alter kann ihnen auch mehr zugetraut werden. | Foto: Bubu Dujmic
Gesundheitspsychologe Dr. Philip Streit | Foto: geopho.com
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