Bilanz-Interview Hermann Schützenhöfer
"Die Politik muss das Notwendige umsetzen und populär machen"

Bei aller Vorsicht und Rücksicht: Hermann Schützenhöfer fordert auch Zuversicht von den Steirern ein. | Foto: STVP/Scheriau
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  • Bei aller Vorsicht und Rücksicht: Hermann Schützenhöfer fordert auch Zuversicht von den Steirern ein.
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Von sommerlicher Ruhe ist in der Politik heuer aufgrund von Corona und Wirtschaftskrise wenig zu spüren, Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer ist im Dauereinsatz. Für die WOCHE nahm er sich dennoch Zeit, im heurigen Sommergespräch zog er in mehrerlei Hinsicht Bilanz.

Gewinne bei Landtagswahl, Gemeinderatswahl, sogar bei Betriebsratswahlen wie zuletzt im Grazer LKH – Sie schwimmen auf einer Erfolgswelle ...
Wie hat der Joschi Krainer immer so schön gesagt: "Wenn's rutscht, dann rutscht's, wenn's lauft, dann lauft's." Es ist sicher so, dass die bundespolitische Großwetterlage, Erfolge auf Landes- und Gemeindeebene – ich formuliere es vorsichtig – zumindest nicht behindert. Das war ja in den letzten Jahrzehnten oft einmal anders. Dazu kommt, dass man in einer angespannten Zeit wie jetzt, an dem Bürgermeister, an dem Betriebsratsobmann, der seine Sache gut gemacht hat, festhält. Wichtig ist im Hinblick auf die Gemeinderatswahl aber auch: Sie können weder den Kurz noch den Schützenhöfer für die schweren Verluste in Eibiswald oder Schladming verantwortlich machen – ich bin aber auch nicht der Sieger in Hartberg, Frohnleiten oder Köflach.

Auch auf Landesebene?
Da gab es ja eine sichtbare Konfrontation, für einen Amtsinhaber ist es ja immer ganz gut, wenn der Herausforderer sagt: "Ich will Erster werden." Ein Landeshauptmann hat, darunter habe ich ja früher auch gelitten hat einen gewissen Bonus, wenn er keine silbernen Löffel stiehlt. Den Bonus hatte auch ich – und ich hatte ein gutes Team, da wurde kaum einmal jemand ausgewechselt. Wir sind sehr froh, aber ich habe in meinem Leben alle Höhen und Tiefen erlebt, ich habe keinerlei Schadenfreude.

Hat sich auch auf Wählerseite etwas verändert?
(schmunzelt) Der Wähler ist ein unergründbares Wesen, die Argumente, warum man gewählt wird, kannst du gar nicht erfinden. Und es hat sich auch in der Gesellschaft etwas getan, die großen Stammwählerschichten aus den Zeiten des alten Krainers und Kreiskys gibt es so nicht mehr. Im steirischen Landtag gab es damals ÖVP, SPÖ und im Höchstfall zwei, drei Freiheitliche. Das war von 1945 bis in die beginnenden 1990er-Jahre so, gerade die Flächenländer wie Nieder-, Oberösterreich und die Steiermark hatten absolute schwarze Mehrheiten. Seit damals ist die Zahl der Stammwähler radikal gesunken.

Rückblick auf die Gemeindefusionen vor 5 Jahren ...?
Gut gelaufen, endgültig positiv abgehakt, bis auf einige wenige Ausreißer.

Damals gegen alle Widerstände – eigentlich untypisch für die Politik, die eigentlich auf Umfragen schielt?
Im Nachhinein hat es sich ausgezahlt, die Gemeindestrukturreform ist voll aufgegangen, wir hatten – zumindest bis vor Corona – ganz wenige Abgangsgemeinden. Wenn ich heute mit Bürgermeistern rede, sagen mir viele: "Ich war damals dagegen, ich bin heute froh, dass du dich durchgesetzt hast." Das tut dann schon gut.

Wie kam's zur Allianz?
Der Hintergrund war damals: Voves und Schützenhöfer haben sich im Wahlkampf 2010 ziemlich hart bekämpft. Mit dem Ergebnis, dass wir beide verloren haben. Am Wahlabend hat mich Voves angerufen und sagt: "Tun wir so weiter oder machen wir etwas gemeinsam?" Noch am Wahlabend haben wir uns bei einem Glaserl Sauvignon blanc getroffen und geredet. Und wir waren uns schnell einig: Wir sind beide in einem Alter, in dem wir von der Partei nicht mehr abhängig sind, jetzt denken wir an unsere Kinder und Enkelkinder. Wichtig war ein Satz, der war von mir: "Wir haben uns entschieden, nicht auf die Sektionen und Bünde zu schauen, sondern darauf, was dem Land nützt."

Der Start der Reformpartnerschaft?
Ja, es ging um neue Strukturen. Alles im Land hatte sich geändert, nur die Strukturen waren immer noch die gleichen. Gleich viele Gemeinden, gleich viele Bezirke und vieles mehr. Also haben wir uns gefragt, was zu tun ist, um das Land den gesellschaftlichen Bedingungen von heute anzupassen, ein Stück Zukunft zu ermöglichen und nicht Hypotheken zu hinterlassen. Es hat viele Widerstände gegeben, Proteste, es war eine harte Zeit. Aber es hat uns zusammengeschmiedet. Wichtig war auch, dass wir mit Wolfgang Wlattnig einen genialen Leiter der Gemeindeabteilung im Land hatten und gute Juristen, die uns bestens beraten haben. Wir haben aber auch gewusst, dass fürs Erste damit nichts zu gewinnen ist.

Was haben Sie daraus gelernt?

Meine Erkenntnis ist: Es ist Aufgabe der Politik, Notwendiges umzusetzen und populär zu machen. Wenn es mir nicht gelingt, das Notwendige populär zu machen, muss ich es trotzdem umsetzen. Denn eines ist sicher: Nur auf dem Populismus-Fuß kannst du nicht stehen, da schmeißt es dich im Wind um.

Gilt das auch für die Spitalsreform?
Ja, wir bleiben dabei. Wir werden sehen, ob wir etwas adaptieren müssen, durch Corona haben wir ja Zeit verloren. Ich kann nur hoffen, dass es uns gut gelingt, zu überzeugen. Wir werden da sicher keine Goldmedaille bekommen, das ist mir schon klar, weil die Opposition geschlossen dagegen ist und glaubt, da Politik machen zu können. Aber wir werden es trotzdem machen. Weil das Notwendige gemacht werden muss. Es wird uns nicht gelingen, es populär zu machen, es wird wie bei der Gemeindereform seine Zeit brauchen, bis alle sagen, dass es richtig war.

Das zeigt von Gelassenheit ...
Ich habe ein Alter, in dem ich für Blödheiten nicht mehr zur Verfügung stehe. Ich verfolge da meine eigene Philosophie, ich habe jetzt zwei Enkerln – und wenn ich der Älteren in die Augen schau, denk ich mir: "Du musst das alles einmal zurückzahlen, wenn wir heute falsch entscheiden." Es macht mir schon Sorge, wie wir auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene die jetzt zu machenden Schulden zurückzahlen werden. Das geht in dieser Zeit nicht anders, aber da kommen noch Dinge auf uns zu, die wir jetzt noch gar nicht abschätzen können.

Themenwechsel: Kommen die Hubschrauber für Aigen?
Ja, das ist geklärt, die Alouette-Nachbeschaffung ist gesichert, da gibt es auch keinerlei zeitliche Verzögerungen. Das habe ich in die Koalitionsvereinbarung hineinreklamiert – ich war dabei bei den Unwettern, ich war oft genug in Aigen, das brauchen wir.

Sind Sie zufrieden mit der Verteidigungsministerin?
Ja.

Was sind Ihre Ziele für Ihre Zeit als Landeshauptmann?
Es ist jetzt vieles anders, aber prinzipiell wollte ich immer mit der Steiermark Österreich-Sieger beim Wirtschaftswachstum sein. Wir sind gut aufgestellt, auch wenn jetzt vieles im Wanken ist, bleibt es mein Ziel. Weil das Arbeitsplätze und die Sicherung des Sozialstaates bedeutet. Die Wirtschaft und wie gesagt die Spitäler sind mir wichtig. Und ich werden den Christopher Drexler massiv unterstützen, wenn wir jetzt wieder Aufschwünge nehmen im Sport- und Kulturbereich.

Auch im Fußball?
Ja, der Erfolg von Hartberg ist ein wunderschönes Zeichen, jetzt schauen sie in England, wo Hartberg ist, das ist ein unbezahlbarer Werbewert. Und auch wenn ich bekennender Sturm-Fan bin: Ich wünsche mir, dass der GAK wieder aufsteigt. Ein Derby ist ein Derby, das wird Sturm gegen Hartberg nie sein. Von mir aus kann der GAK alles gewinnen. Nur halt gegen Sturm nicht.

Ihr abschließender Appell an die Steirer?
Es braucht Vorsicht, um das Erreichte nicht zu gefährden, wir brauchen aber auch die Zuversicht, dass es wieder aufwärts geht. Die Wirtschaft muss wieder anspringen, man muss jetzt alles tun, um die Rahmenbedingungen zu schaffen, da muss jeder Verantwortung übernehmen. Mein Appell an die Steirer: Vorsichtig bleiben, Rücksicht nehmen, solidarisch sein, Abstand zu halten und trotzdem zusammenhalten.

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