Hermann Schützenhöfer
"Wir müssen im Hinblick auf die Balkanroute sehr gut aufpassen"

Im Interview: Hermann Schützenhöfer warnt vor neuen Flüchtlingsströmen über die Balkanroute. | Foto: Konstantinov
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Er ist zwar "erst" 4 Jahre Landeshauptmann, aber er ist seit den 1970er-Jahren in der Politik und damit die "graue Eminenz" der ÖVP-Landesparteichefs: Der steirische Landeschef Hermann Schützenhöfer im Interview über Ibiza, Balkanroute, Klimawandel und sein Mitgefühl mit den "Transit-Landeshauptmännern" in Tirol und Salzburg.

WOCHE: Stichwort "Ibiza-Video: Haben Sie in Ihrer Karriere Vergleichbares erlebt?
SCHÜTZENHÖFER: Ich bin sehr lange politisch tätig, habe viele Streitfälle erlebt. Aber so etwas noch nie. Und folglich auch noch nie diese abgrundtiefe Abneigung zwischen den großen Parteien mit täglich stattfindenden sprachlichen Grenzüberschreitungen. Die unterste Schublade ist offenbar ständig geöffnet. Das ist nicht gut, weil man sich nach der Wahl wieder zusammenraufen wird müssen. Es wird dann keiner allein auf der Welt sein.

Ein Satz zur Abwahl der Regierung?
Ich war drei Tage davor der einzige VP-Landesparteiobmann, der gesagt hat, dass die Abwahl nicht stattfinden wird, weil die SPÖ das nicht tut. Da hab ich mich schön blamiert.  Immerhin waren es SPÖ und ÖVP die nach 1945 Österreich in eine einzigartige Erfolgsgeschichte geführt haben. Dass eine dieser beiden staatstragenden Parteien eine Regierung abwählt, hätte ich mir nie gedacht. Wir haben da eine rot-blaue Koalition erlebt, ich habe es immer gesagt: Wenn es um die Macht geht, dreht sich die SPÖ am Absatz um. Sie wollen zurück an die Macht – und wir wollen, dass der Kanzler wieder Kurz heißt.

Wie wird der Wahlkampf werden?
Es sagen viele voraus, dass es ein ganz schmutziger Wahlkampf wird. Ich befürchte, all jene haben recht. Man kann nur ermahnen, dass alle – einigermaßen – zur Redlichkeit zurückkehren.

Was werden die bestimmenden Wahlkampfthemen sein?
Der Klimaschutz ist ein wichtiges Thema geworden, da ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten viel schief gelaufen, bei uns und weltweit.

Was halten Sie von "Fridays for future"?
Ich nehme es jedenfalls ernst. Ich hatte kürzlich Gespräche mit Vertretern dieser Bewegung in Graz. Ich hielte es für fatal, sie nicht ernst zu nehmen und man darf es auch nicht darauf reduzieren, ob sie Schule schwänzen oder nicht, sie vertreten ein wichtiges Anliegen, es ist ja ihre Zukunft, um die es da geht.

Sie zitieren oft die "enkeltaugliche Politik" – gibt es da genug Antworten?
Immer zu wenige, wir dürfen uns da nie zurücklehnen. Enkeltauglich heißt ja für mich vor allem, dass ich Ressourcen nütze und nicht verschwende, heißt für mich klares Wasser und reine Luft.

Wie gehen Sie damit um?
Ich halte jene Maßnahmen, wo man selbst etwas tun kann, für wichtiger als die Frage, wie ich CO2 reduzieren kann. Denn da kann ich oft nicht direkt Einfluß nehmen. Aber ich kann darauf Einfluß nehmen, ob ich ein Papier- oder ein Plastiksackerl nehme, ob ich im Geschäft Dinge, die von weither kommen, kaufe oder nicht. Und ich kann darauf schauen, was ich esse – darauf schauen, dass es nicht nur in der Region gefertigt wurde, sondern wirklich aus der Region kommt.

Mehr Eigenverantwortung der Menschen?
Ja, erstens das. Und zweitens sollten wir auch nicht immer nur das Negative sehen. Es gibt Gemeinden, wo die Bürgermeister dazu aufrufen, beim Kaufmann vor Ort einzukaufen. Ich merke im Land, dass plötzlich wieder kleinere Geschäfte da sind, dass kleinere Bäckereien weitermachen. Die Menschen erkennen wieder, dass Brot aus unserem Mehl vielleicht eine Spur teurer ist, aber es ist von hier. Es war schön zu sehen, dass ich mich mit den jungen Menschen von "Fridays for future" genau über solche Dinge unterhalten konnte, die beschäftigen sich genau damit. Es wird das, was aus der eigenen Region kommt, wieder mehr geschätzt, das stimmt mich positiv. Wir müssen alle an einem Strang ziehen, das ist kein Thema für politische Spielereien.

Werden Flüchtlingsrouten auch wieder zum Thema?
Wir sind zwar noch nicht mitten in einem Problem, aber wir müssen vorsichtig sein. Es gab Informationen, dass sich am Bosporus viele Menschen in Bewegung gesetzt haben. Bei Gesprächen mit dem Innen- und Verteidigungsminister wurde mir versichert, dass sich an der Gesamtlage nichts verändert hat. Aber es gab in den letzten Wochen einen Anstieg jener, die wieder den Weg über die Balkanroute suchen. Damit müssen wir sehr entschieden umgehen, ich bin froh, dass wir die Grenzschutzeinrichtungen an der slowenischen Grenze in Spielfeld haben. Wir leben in einer unruhigen Zeit und die Schlepper wissen genau, wo sie die Menschen in ihrem Elend hinschicken.

Insgesamt also unruhige Zeiten, wächst da die Landeshauptleute-Konferenz enger zusammen?
Ich sage das immer: Seit die Sozialpartnerschaft im Verfassungsrang ist, hat sie an Bedeutung verloren. Deshalb bin ich froh, das die Landeshauptleute-Konferenz nirgends festgeschrieben ist und nur eine lose Zusammenkunft. Der Wert dieser Konferenzen sind ja nicht die Beschlüsse am Ende, sondern das, was wir am Abend besprechen. Da geht es über alle politischen Grenzen hinweg darum, was für Österreich und die Länder gut ist. Und nicht, was der ÖVP oder der SPÖ nutzt. Die Unabhängigkeit des ORF oder der Pflegeregress sind Beispiele dafür.

Vermissen Sie den Michael Häupl?
(lacht). Das geht mit dem Michael Ludwig sehr gut, überlegt gut was er sagt und wenn er was sagt, hat das auch Gewicht.

Fühlen Sie mit den Kollegen im Westen Österreichs, Stichwort Transit?
Schon. Die ersticken jetzt schon im Verkehr. Und jetzt stellen Sie sich noch vor, es kommt der harte Brexit, was dann los sein wird - dann hast du -zig Kilometer an Fernlastern stehen. Die Frage des Verkehrs spitzt sich zu.

Sie haben seinerzeit als Vorsitzender der LH-Konferenz eine Föderalismus-Debatte angestoßen – wie sieht es da aus?
Wir haben diese Debatte bitter notwendig, weil zentral die Vorbehalte dagegen wachsen. Wir sind da nicht die, die schnell entscheiden, weil sie am Puls des Geschehens sind, sondern die Hinterwäldler, die manches verhindern, was der Zentralstaat haben will. Die Länder sind das aber keinesfalls. Meine Gegenfrage ist immer:  Warum funktioniert auf EU-Ebene die Zusammenarbeit der Regionen so gut, während die Zusammenarbeit der Nationalstaaten – vorsichtig formuliert – zu wünschen übrig lässt. Beispiel Tirol: Natürlich hat der Zentralstaat keine Freude, wenn der Platter sagt, er lässt sich das nicht gefallen. Aber wenn vor dem Kuchlfenster im Ort die Fernlaster stehen, dann muss man Staatslenker und die EU wachrütteln.

Was sind die Vorteile?
Im Regelfall, wenn nicht gerade Wahlkampf ist, gibt es viele Dinge, die die Länder besser lösen können, weil sie die Gegebenheiten vor Ort besser kennen. Ich werde das weiterhin thematisieren, wir arbeiten das Thema Zentralstaat versus Föderalismus auch in einer großen Studie auf.

Der Finanzausgleich ist Thema, oder?
Das wird sicher eine ganz schwierige Debatte. Nachdem der Fixschlüssel , den es schon 30 Jahre gibt, Wien und die westlichen Länder bevorzugt und uns benachteiligt – aber nicht uns Steirer allein, sondern auch Länder wie Niederösterreich, da gelten jetzt neue Voraussetzungen. Wir wollen uns in Österreich nicht gegenseitig schaden – aber auch nicht in der Benachteiligung verharren.

ccc

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