Sturm gegen GAK
Grazer Derby-Wetten, geliebte Feinde und Geschichte
Worauf die Grazer wetten können: Grazer AK gegen SK Sturm bedeutet hitzige Gemüter und kleine Boshaftigkeiten. MeinBezirk.at hat mit den beiden Autoren von "Geliebter Feind: Die Geschichte der Grazer Stadtderbys Sturm – GAK 1920 bis 2007" gesprochen.
GRAZ. "Die Stimmung ist schon wieder so aufgeladen wie damals. Ich wundere mich zwischendurch, dass uns die Schwoazn so ernst nehmen und sich so über uns ärgern", stellt Wolfgang Kühnelt im Hinblick auf die bevorstehende Cup-Begegnung der zwei größten Fußballklubs der steirischen Hauptstadt fest. Gemeinsam mit seinem "schwarzen" Pendant Markus Mörth brachte der GAK-Anhänger 2008 das Buch "Geliebter Feind: Die Geschichte der Grazer Stadtderbys Sturm – GAK 1920 bis 2007" heraus. Darin dokumentiert eine besondere Tradition: die Derby-Wetten, "einer der humorvollsten und friedlichsten Aspekte dieses oft sehr brachialen Duells", wie es schon in der Einleitung heißt.
Dass es mit dem Frieden aufgrund von Themen wie Heimrecht, Kartenverkauf und der teilweisen Umbenennung der Conrad-von-Hötzendorf-Straße – wie aktuell vielfach online nachzulesen – nicht weit her ist, stimmt die beiden Fußball-Fans nachdenklich. Zudem ist man sich einig, dass dies nicht im Geiste des Sturm-Jahrhunderttrainers gewesen wäre. Wer sich auf diesen beziehe, solle auch seinem Gegenüber mit entsprechender Wertschätzung begegnen, so Kühnelt, "zumal ich keinen GAK-Fan kenne, der Osim nicht respektiert hat."
"Gesunde, lustige Rivalität"
In diesem Sinne erinnert sich Markus Mörth gerne zurück an das Derby zur Eröffnung des gemeinsamen Arnold-Schwarzenegger-Stadions 1997: "Aber nicht nur wegen des Sturm-Siegs, sondern weil ein Reporter Osim gefragt hat, wie toll es ist, im neuen Stadion so hoch gegen den Stadtrivalen zu gewinnen. Und er hat geantwortet, dass es ein gutes Spiel war, aber auch vom GAK, der sich mindestens zwei, drei Tore verdient hätte." Diese Kultiviertheit habe den Sturm-Fan tief beeindruckt und gezeigt, dass es nicht nötig sei, einen Gegner zu treten, der am Boden liegt.
"Wenn sich jetzt die Leute über Social Media aufs Übelste beschimpfen, hört sich der Sportsgeist bei mir auf", so Mörth. "Früher war es gesunde, manchmal sogar lustige Rivalität, heute ist es sehr oft Hass", stimmt "Stadtrivale" Kühnelt zu. Dass es zu unerfreulichen Zwischenfällen rund ums Derby kommen wird, steht für ihn außer Zweifel. Gerade deshalb wünscht sich der Autor von allen Seiten, Dampf rauszunehmen. Doch: "Etwas Schadenfreude gehört halt dazu – das hat an sich auch noch nichts Aggressives." Woraufhin Mörth schmunzeln muss: "So sind sie, die GAKler."
Wetten und Feste der Feindschaft
Wie Schadenfreude zu einem Fest werden kann, bewiesen die Derby-Wetten des Fleischhauermeisters Franz Zotter, der etwa 1968 nach einer Niederlage seiner Schwarz-Weißen zum Gaudium der Grazer Bevölkerung einen Hammel vom Sturmplatz in die Gleisdorfergasse tragen musste. Ähnliches trug sich in den Jahren darauf mit einem Weinfass, Ochs und Esel zu und gipfelte stets in ausgelassenen Feiern.
Manchmal mehr, manchmal weniger kreativ gestalteten sich die Wetteinsätze in den folgenden Jahrzehnten. So wurde Sturm-Coach Otto Baric 1981 von GAK-Spieler Leo Weiß um 1.000 Schilling erleichtert. In der Saison 2001/02 gab der "rote" Wirt Franz Scholz Junior seine Premiere auf Rollerskates, mit denen er die Strecke vom Liebenauer Stadion zu seinem Gasthaus Posthorn in der Brockmanngasse bewältigen musste: "Jeden Baum hab ich gekannt vom Stadion bis zu uns, weil ich in jeden reingefahren bin", erzählt der Gastronom in "Geliebter Feind", "und die (Sturm-Fans, Anm.) haben sich alle abgehaut".
Typen und echte Emotionen
Gerne in Szene setzte sich der umstrittene Präsident der "Schwoazn" Hannes Kartnig, als er nach verlorener Wette Mitte der 90er-Jahre im GAK-Trainingsanzug Fanartikel der Athletiker feilbieten musste. Oder 2005, als er in einem Fastfood-Lokal seines rivalisierenden Kluboberhaupts, Harald Sükar, Burger und Pommes verkaufte.
Auf die Frage, ob es wieder mehr derartige Charakterköpfe in den Führungsetagen brauche, verneint Wolfgang Kühnelt: "Ich bin total froh, dass die Zeit der vorbei ist." Nur bei den Spielern wünscht er sich "Typen wie einen Toni Ehmann oder von mir aus einen Mario Haas". Leider sei es der steten Professionalisierung geschuldet, so Markus Mörth, "dass unsere Zeit das nicht mehr bietet. Stattdessen gibt es Medienbetreuung und Wording-Schulungen" – was dazu führe, dass die Emotion auf der Strecke bleibe und "sich Interviews bei jedem Klub – egal ob regional oder Champions League – gleich anhören".
Der Bitte eines GAK-Betreuers um eine "Geliebter Feind"-DVD, um die Mannschaft auf das kommende Derby vorzubereiten, kam Kühnelt unlängst gerne nach. "Das hat auch mich sehr glücklich gemacht", gesteht Sturm-Anhänger Mörth. Vielleicht sei ja der gegenseitige Respekt der beiden Fan-Lager verloren gegangen, weil das letzte Bundesliga-Duell im Mai 2007 stattgefunden hat. Darum haben, wie Kühnelt siniert, "viele Junge eigentlich noch kein wirkliches Erlebnis von Derby-Kultur" und meint damit sowohl die Akteure am als auch abseits des Rasens.
Nächstes Kapitel, neue Auflage
Darauf, wie das bevorstehende Stadtduell ausgehen wird, wollen sich die beiden Experten nicht ad hoc festlegen. "Eine 'gmahte Wiesn' ist es jedenfalls nicht", meint Markus Mörth und gibt die Frage weiter. "Es wäre ein großes Wunder, wenn wir mehr als ein Tor schießen, also sage ich 1:0 für den GAK", bekundigt Wolfgang Kühnelt nach etwas Hin und Her. Schließlich ringt sich auch seine Gegenüber zu einem bescheidenen Tipp durch: "Wenn den Roten ein Tor gelingt oder sie lang das 0:0 halten, kann alles passieren. Ich sage, es wird ein knapper Sieg für Sturm."
Statt einer Wette der befreundeten Feinde auf die Cup-Partie am 19. Oktober gibt es ein gegenseitiges Versprechen: "Sollte der GAK wieder aufsteigen, machen wir eine Neuauflage unseres Buchs."
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