Business-Lunch
Martin Auer will dem Brot die Seele zurückgeben
Der Grazer Bäckermeister und Unternehmer Martin Auer hat mit "MeinBezirk.at" beim Business-Lunch im Atelier Martin Auer über seine Unternehmensphilosophie, Work-Life-Balance, das Aussterben von Bäckereien und die Seele von Brot gesprochen.
GRAZ. Beim Essen plaudert es sich besonders gut – besonders übers "Business". MeinBezirk.at lässt deshalb den Business-Lunch wieder aufleben, bei der wir jede Woche mit Grazer Unternehmerinnen und Unternehmern in einem Lokal ihrer Wahl zu Mittag essen und dabei über das Geschäft, die Unternehmensphilosophie und Neuigkeiten sprechen. Zum Auftakt der Serie hat MeinBezirk.at-Redakteurin Antonia Unterholzer mit einem Unternehmer zu Mittag gegessen, an dessen Namen man in Graz nicht vorbeikommt: Martin Auer hat aus der Bäckerei, die er in dritter Generation führt, ein kleines Imperium gemacht. Uns hat er spannende Einblicke gewährt.
"Gib dem Brot die Seele zurück" – was steckt hinter dem Slogan, der so sinnbildlich für Martin Auer steht?
Martin Auer: Der Satz ist deshalb schön, weil einiges drinsteckt, der meint nur zu einem Teil wirklich das Brot. Er meint das Handwerk, die Arbeit, ein Unternehmen. Irgendwann ist der Bäcker zum reinen Kalorienlieferanten geworden, Hauptsache günstig, da ist viel verloren gegangen. Brot steht sehr sinnbildlich für Leben, deshalb sollte man ihm die Wertschätzung oder wie wir sagen, die Seele zurückzugeben.
"Was mir ein bisschen Leid tut, ist, dass es in Graz nur noch so wenige Bäcker gibt."
War es von Anfang an geplant, dass der Betrieb so groß wird?
Meine Frau und ich wollten etwas Schönes machen, als ich die Bäckerei von meinem Vater übernommen habe, und dann schauen, was daraus wird. Was mir ein bisschen Leid tut, ist, dass es in Graz nur noch so wenige Bäcker gibt. Für jeden, der zusperrt ist, es schade fürs Handwerk. Was wir uns aber wirklich nicht vorwerfen können ist, dass wir die kleinen Bäcker um die Existenz gebracht haben, wenn man weiß, dass nur zehn Prozent der österreichischen Backwaren beim Bäcker gekauft werden und der Rest beim Supermarkt und Diskonter. Weil die Bäcker es auch verabsäumt haben, etwas Besonderes zu bieten.
"Die allermeisten Menschen, die ich kenne, sind wirklich viel disziplinierter und im klassischen Sinn fleißiger als ich."
Sie sind Chef von rund 600 Mitarbeitern – was ist Ihnen als Führungskraft wichtig?
Mich begeistert das Unternehmertum, weil man da viel schönere Dinge machen kann als man gemeinhin darunter versteht. Man kann das Leben so vieler Menschen im kleinen Ausmaß beeinflussen. Diese große Verantwortung sollte man auch wahrnehmen. Ich sage immer, wir haben zwei Kunden: unsere Gäste und wir da drinnen, die wir hier viel Zeit unseres Lebens verbringen. Deshalb immer die Frage: Wie können wir es für uns hier schön und fein machen. Man sollte nicht ausblenden, dass die Arbeit auch Leben ist.
Und wie setzt man diese Philosophie in 37 Filialen durch?
Man muss sich mehr Gedanken darüber machen, wie man Multiplikatorinnen und Multiplikatoren schafft. Also Filialleiterinnen, Backstubenleiter etc. mit der gleichen Geisteshaltung. Wir stellen uns ständig die Frage – wofür stehen wir und wie kommen wir zu der Kultur, die wir gerne hätten? Ich glaube Kultur entsteht durch gelebte Werte und Verhaltensweisen. Wir haben uns deshalb in den vergangenen elf Monaten intensiv mit diesen Fragen auseinandergesetzt und klare Werte für unser Unternehmen definiert. Man muss natürlich aufpassen, dass man nicht pathetisch wird – es wäre komplett verfehlt zu sagen, Geld ist nicht wichtig, aber es ist nicht das einzige.
"Eigentlich wollte ich Philosoph werden. Ein bisschen bin ich es vielleicht auch."
Seit 1688 wurde im Stammhaus am Dietrichsteinplatz gebacken. War das neue Atelier in St. Peter ein wichtiger Schritt?
Die Tradition ist oft eine schönere Erzählung als sie faktisch wirklich Gewicht hat. Es war klar, dass es am Dietrichsteinplatz zu klein wird. Büro, Café, Shop, Rösterei, Backstube – das geht hier alles ineinander über. Wir haben dann ganz stolz gesagt "Atelier", der Arbeitsplatz für Kreative. Mit Kreativität ist gemeint, darüber nachzudenken, wie man es besser machen kann. So, dass die Zeit hier etwas Sinnstiftendes hat. Ich denke, ein Stück weit ist es uns schon gelungen.
Gast und Wirtschaft
Martin Auer – in persona:
- Geboren in Graz als sechster "Martin" in ununterbrochener Reihenfolge.
- Verheiratet mit Barbara Auer, mit der er gemeinsam das Unternehmen führt.
- Drei Söhne (darunter kein Martin)
- Gelernter Bäckermeister (trotz Roggenallergie)
- Eigentlich wollte er Architekt oder Philosoph werden.
- Er liebt Brot und Kaffee.
- Die Bäckerei hat er 2011 seinem Vater abgekauft.
- Hält sich selbst für "weniger diszipliniert und fleißig als die meisten Menschen", ist aber kreativ.
Martin Auer – Café im Atelier:
- Maggstraße 2, 8042 Graz
- martinauer.at, 0316/8040100
- Montag bis Freitag 6 bis 19 Uhr, Samstag, Sonntag und Feiertag 7 bis 18 Uhr
- Beschreibung: Der neue Flagshipstore von Martin Auer mit Café im Atelier hat am 20. August 2021 eröffnet und ist eine von 37 Filialen. Neben dem Kaffeehaus ist hier auch die Backzentrale, eine eigene Getreidemühle, eine Kaffeerösterei, Büro und eine Mitarbeiterakademie. Neben frischen Backwaren bekommt man hier Frühstück (auch für Langschläfer), Snacks und Mittagessen aus der Brotküche sowie Kaffee und Kuchen.
- Das sagt MeinBezirk.at: Mehr Brunch als Lunch gab es beim Business-Interview. Ideal, denn frisches Brot und guten Kaffee kann Martin Auer.
Mehr zu dem Thema:
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.