Wirtschaftsentwicklung
Mehr Insolvenzen, "Welle" droht jedoch nicht
Die Insolvenzzahlen in Graz und Graz-Umgebung steigen seit diesem Jahr wieder an, bewegen sich verglichen mit dem "Normaljahr" 2019 aber nicht in außergewöhnlichen Größenordnungen. Eine regelrechte "Insolvenzwelle" droht dem Experten zufolge nicht, wohl aber eine weitere Zunahme der Insolvenzverfahren.
GRAZ/GRAZ-UMGEBUNG. Geht es rein um eine subjektive Wahrnehmung, scheinen die eröffneten Insolvenzverfahren aktuell ungewöhnliche Ausmaße anzunehmen. Allein in den letzten Wochen meldeten etwa die Destillerie "Franz Bauer", der IT-Dienstleister "Bike Citizens" sowie der Anlagen- und Maschinenbauer "Christof Industries Global" Insolvenz an. Dieser Überblick legt nahe, dass Unternehmen aller Größen betroffen sind und sich die wirtschaftlichen Herausforderungen auch nicht auf eine einzige Branche beschränken - was die Situation aber nicht unbedingt positiver wirken lässt.
Subjektive Wahrnehmung trügt
Wie René Jonke, Leiter des KSV1870-Standortes Graz und der Region Süd, relativiert, täuscht dieser subjektive Eindruck allerdings ein wenig. Zwar sei es zutreffend, dass im Vergleich zu den letzten beiden Jahren weit mehr Betriebe insolvent gehen. Verglichen mit dem "Normaljahr" 2019 liegt man aktuell allerdings knapp unter diesen Werten: So meldeten etwa im Zeitraum Jänner bis November 2019 insgesamt 192 Grazer Betriebe Insolvenz an, wohingegen im gleichen Zeitraum 2022 insgesamt 173 Fälle zu verzeichnen sind.
Ähnlich gestaltet sich das Bild für den Bezirk Graz-Umgebung, wo man derzeit noch deutlicher unter den Werten aus 2019 liegt: Waren im "Normaljahr" 2019 genau 61 Unternehmen von einer Insolvenz betroffen, handelt es sich 2022 um 40 Betriebe.
Flächendeckende Hilfsprogramme
Diese Entwicklung ist Jonke zufolge darauf zurückzuführen, dass es in den letzten Jahren aufgrund der Covid-Unterstützungsmaßnahmen, zu denen unter anderem auch Stundungen der öffentlichen Hand zählten, zu weniger Insolvenzen gekommen ist. Dementsprechend wurden Firmen unterstützt, die schon vor Covid ohne Unterstützungen wirtschaftlich nicht überlebensfähig gewesen wären, dank der Hilfen aber keine Insolvenz anmelden mussten. Dennoch handelte es sich aus Sicht des KSV1870 bei dem flächendeckenden Hilfsprogramm um eine wichtige Maßnahme, wenngleich das Auslaufen dieses "Gießkannenprinzips" nun auch begrüßt wird. Dadurch entwickeln sich die Insolvenzen zwar wieder nach oben, was für einen "volkswirtschaftlich sauberen Prozess" jedoch auch richtig sei.
Neben diesem Wegfall an Unterstützungen sehen sich Unternehmen derzeit aber auch mit zahlreichen anderen Herausforderungen, wie den explodierenden Energie- und Rohstoffkosten, den unzuverlässigen Lieferketten, den steigenden Zinsen sowie dem Fachkräftemangel konfrontiert.
All diesen Faktoren zum Trotz geht Jonke allerdings nicht von einer regelrechten "Insolvenzwelle" aus, obschon zu erwarten sei, dass sich die Zahlen wieder auf das hohe Niveau von 2019 hinbewegen bzw. dieses leicht übertreffen werden. Angesichts der vielen Krisensituationen sei eine Prognose zwar schwieriger, der vielzitierte Katastrophenfall drohe jedoch nicht.
Zielführende Sanierungen?
Die Entwicklung, dass Betriebe vermehrt saniert und fortgeführt werden sollen, ist aus Sicht des Experten grundsätzlich sinnvoll, sofern eine zeitnahe Sanierung mit positiver Fortsetzungsprognose erreicht werden kann. Denn wenn es gelingt, mithilfe von Restrukturierungen oder Optimierungen das Unternehmen wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bringen, bleiben einerseits Arbeitsplätze erhalten. Andererseits haben auch Gläubigerinnen und Gläubiger bei einem Fortbestand des Betriebs die Möglichkeit, die Verluste aus der Sanierung zukünftig wieder auszugleichen. Wenn kein wirtschaftliches Fundament mehr vorhanden ist, ist eine Weiterführung hingegen nicht zielführend.
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