LSF lüftet Mantel des Schweigens

Martin Kurz, Leiter des Zentrums für Suchtmedizin der Grazer LSF. | Foto: *geopho.com
  • Martin Kurz, Leiter des Zentrums für Suchtmedizin der Grazer LSF.
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Wird in der Landesnervenklinik Sigmund Freud (LSF) Suchtkranken der Missbrauch mit Ersatzdrogen gezeigt? Die Vorwürfe diesbezüglich wiegen schwer (die WOCHE berichtete exklusiv). Dennoch gab es vom ärztlichen Direktor der LSF, Michael Lehofer, bis dato nur Dementis. Eine Linie, von der man nun abzuweichen scheint. Denn dieser Tage stellte sich zum ersten Mal auch der Leiter des betroffenen Zentrums für Suchtmedizin, Martin Kurz, unseren Fragen – und seine Antworten klingen alles andere als nach einem Dementi ...

WOCHE: Herr Primar, gegen Ihre Einrichtung wurden schwere Vorwürfe erhoben. Wie erklären Sie diese?

Kurz: Zum einen will ich einmal festhalten, dass wir niemanden zum Missbrauch anstiften und wir nach strengen Kontrollmechanismen arbeiten. Allerdings ist es auch so, dass dieses Thema zu unserem Alltag gehört, alles andere wäre Realitätsverweigerung. Hier geht es um selbstschädigenden Konsum, den wir durch Beratung abzuwenden versuchen. Das heißt, wir sagen: „Pass auf dieses und jenes auf, wenn du schon unbedingt Missbrauch betreiben musst.“ Diese Beratung muss es geben.

WOCHE: Aber wenn man schon weiß, dass ein gewisser Teil den „Nadel-Kick“ braucht, wäre es da nicht sinnvoller, gleich Ersatzdrogen zu verschreiben, die zum Spritzen geeignet sind?

Kurz: Intravenöse Substitution würde auf jeden Fall Sinn machen.

WOCHE: Und wie sieht es mit Heroin auf Krankenschein aus?

Kurz: Aus medizinischer Sicht würde auch das für eine gewisse Gruppe Sinn machen.

WOCHE: Kritiker werfen der Substitution eine mangelnde Ausstiegsorientierung vor. Wie sehen Sie das?

Kurz: Da gibt es ein Missverständnis. Das Substitutionsprogramm hat nicht das primäre Ziel, Leute rauszubekommen. Wir versuchen, die Suchtkranken zu stabilisieren und auf den richtigen Weg zu bringen, an dessen Ende die Abstinenz stehen kann. Unser oberstes Ziel ist es aber, ihnen bei der Bewältigung des Alltags zu helfen. 50 Prozent unserer Klientel sind in einem Ausbildungs- oder Beschäftigungsverhältnis.

WOCHE: Können Sie sagen, wie viele Süchtige durch das Programm in den vergangenen Jahren konkret den Ausstieg aus der Drogenszene geschafft haben?

Kurz: Eine genaue Zahl kann ich nicht nennen, das müssten wir erst untersuchen. Davor wäre aber die Frage zu klären, wie man Ausstieg definiert.

WOCHE: Ein anderes Thema: Dieser Tage haben sich Mitarbeiter Ihres Hauses gemeldet. Sie klagen über offenes Dealen, herumliegende Spritzen und Patienten, die von Hunden Suchtkranker angefallen wurden. Ist die Psychiatrie der richtige Standort für die Drogenausgabe?

Kurz: Ja, es ist der geeignete Ort. Im Rahmen des Substitutionsprogramms erfolgen nämlich nicht nur die Einstellung und die Abgabe der Ersatzdrogen, sondern auch die Begleitbehandlungen. Und zu den Vorwürfen: Ja, in Einzelfällen wird es das schon geben. Es ist für eine Gesellschaft hart anzuerkennen, dass es eine solche Gruppe gibt.

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