WK-Bilanz
Tiroler Konjunktur - Trotz Wirtschaftsflaute geringe Arbeitslosigkeit

Beim 1. Konjunkturgipfel von Land Tirol und Tiroler Wirtschaftskammer wurden branchenübergreifende Herausforderungen diskutiert. | Foto: WK/Berger
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Die Tiroler Wirtschaft kämpft mit einer Stagflation. Aktuell ist der Dienstleistungssektor die Stütze der Konjunktur, der Produktionssektor schwächelt, die Bauwirtschaft erlebt eine Rezession.

INNSBRUCK. Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Walser und die Vertreter der sieben Sparten der WK Tirol besprachen mit Landeshauptmann Anton Mattle und Wirtschaftslandesrat Mario Gerber die Ergebnisse des aktuellen TOP Tirol-Konjunkturbarometers. Letztes Jahr um dieselbe Zeit lautete der Titel für diese Erhebung: „Die Ruhe vor dem Sturm“. Heuer entspricht die Konjunkturstimmung:

„Wir stecken in der Flaute fest.“ Das starke Comeback von 2023 mit +7,5 % Wachstum ist vorbei. Tirol erlebt derzeit eine Stagflation, also geringes Wachstum bei hoher Inflation. Es ist eine stark unterschiedliche Entwicklung der einzelnen Branchen feststellbar: Während sich in Zeiten der Pandemie der Produktionssektor als stabiler Anker erwies und der Dienstleistungsbereich massive Einbrüche zu verzeichnen hatte, ist es jetzt umgekehrt. Der Tiroler Tourismus sowie die Sparte Information & Consulting stellen die Stützen der Konjunktur dar, insbesondere die Bauwirtschaft erlebt jedoch gerade einen Abschwung.

Stabile Beschäftigung

„Durch unseren breiten Branchenmix ergibt sich eine hohe Resilienz der Tiroler Wirtschaft. Es gibt immer einen Sektor, der sich als Lokomotive erweist und somit insgesamt für Stabilität am Standort Tirol sorgt“, erklärte WK-Präsident Christoph Walser. Landesrat Mario Gerber unterstrich die positive Entwicklung des Tourismus in den vergangenen Monaten und die gute Buchungslage für den Sommer. Die breite Verankerung der Tiroler Wirtschaft sowie die demografischen Entwicklungen führen dazu, dass die Arbeitslosigkeit trotz schwachen Wirtschaftswachstums bei rund 4 % konstant niedrig bleibt. „Wir haben derzeit in Tirol 354.000 unselbstständig Beschäftigte, die Arbeitslosigkeit lag im Juni bei extrem niedrigen 3 %. Die Tiroler Betriebe sorgen auch in schwierigen Zeiten für stabile Beschäftigung“, betonte Anton Mattle. Der Landeshauptmann hob insbesondere hervor, dass die Langzeitarbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr auf die Hälfte reduziert werden konnte.

Sehen herausfordernde Zeiten auf die Tiroler Wirtschaft zukommen (v.r.): Präsentierten die Ergebnisse des 1. Tiroler Konjunkturgipfels (v.r.): Landeshautmann Anton Mattle, WK-Präsident Christoph Walser und Wirtschaftslandesrat Mario Gerber. | Foto: WK/Berger
  • Sehen herausfordernde Zeiten auf die Tiroler Wirtschaft zukommen (v.r.): Präsentierten die Ergebnisse des 1. Tiroler Konjunkturgipfels (v.r.): Landeshautmann Anton Mattle, WK-Präsident Christoph Walser und Wirtschaftslandesrat Mario Gerber.
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Auftragslage und Auslastung sind zu gering

Die Wirtschaftsflaute spiegelt sich auch in den einzelnen Kenngrößen wider. Der Geschäftsklimaindex (= Mittelwert der aktuellen Lage und der Erwartungen für die kommenden 6 Monate) liegt auf einem niedrigen Wert (+10 %), in der Bauwirtschaft sogar im negativen Bereich (-11 %). Auftragslage und Auftragserwartung sind quer über alle Branchen gebremst, besonders negativ in der Bauwirtschaft, wo 74 % der Betriebe Auftragsrückgänge erwarten. Die Verschärfung der Kreditvergaben stellt hier eine wesentliche Ursache dar. Sowohl Landeshauptmann Mattle als auch WK-Präsident Walser fordern Entschärfungen bei den Kreditregeln, um speziell der jüngeren Generation den Erwerb von Eigentum zu ermöglichen. 32 % der Betriebe kämpfen zudem mit zu geringer Auslastung (Vorjahr: 18 %). „Das dämpft die Bereitschaft zu Investitionen, was zu einem langfristigen Problem werden kann: Die Investitionen von heute sind das Wachstum von morgen“, so Christoph Walser. Bei den Beschaffungskosten ist kein Ende der Teuerungswelle in Sicht: Mit Ausnahme der Industrie gehen 31 % der Betriebe von weiter steigenden Preisen bei Material und Vorprodukten aus, nur 13 % erwarten einen Rückgang der Kosten.

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Rahmenbedingungen

Die fünf größten Herausforderungen für die Unternehmen ergeben ein umfassendes Bild der aktuellen Lage: Arbeitskräftemangel (81 %), Energie- und Rohstoffpreise (61 %), Arbeitskosten (61 %), Inflation (52 %), Finanzierungskonditionen (25 %). „Der Arbeitskräftemangel ist und bleibt die größte Herausforderung der heimischen Betriebe. Die Politik muss an sämtlichen Stellschrauben drehen, um diese Situation zu entschärfen“, fordert Christoph Walser. „Die Bundespolitik musss dringend Steuererleichterungen für Überstunden umsetzen und diese damit attraktiver machen“, betonte Mario Gerber. Der Wirtschaftslandesrat forderte zudem vom Bund ein, die angekündigte Verbesserung der Rahmenbedingungen für längeres Arbeiten für Pensionisten rasch umzusetzen.

Schlechte Lage

Die Tiroler Wirtschaftsprognose gibt sich somit vorsichtig optimistisch: Insgesamt wird mit einem realen Wachstum der Tiroler Wirtschaft um 1,0 % bis 1,5 % im heurigen Jahr gerechnet – das liegt über dem Österreichschnitt von 0,3 % bis 0,5 %. Die Arbeitslosenquote wird 2023 ähnlich wie im Vorjahr bei ca. 4 % liegen. Bei den Warenexporten wird es zwar nominell ein Wachstum von ca. 6 % geben (von ca. 16,5 Milliarden Euro auf rund 17,5 Milliarden Euro 2023), real dürfte es allerdings auf ein „0-Wachstum“ im Exportbereich für Tirol hinauslaufen. Eine spürbare Verbesserung der wirtschaftlichen Situation und das Ende der Stagnationsphase wird daher erst für das Jahr 2024 erwartet. Um wieder eine Inflation in der Nähe von 3 bis 4 % zu erreichen, ist für Christoph Walser auch Augenmaß bei den Lohnverhandlungen notwendig: „Die offensiven Forderungen der Gewerkschaften lassen die erfolgten Unterstützungen der öffentlichen Hand stets außer Acht. Diese müssen aber mitberücksichtigt werden, um die Lohn-Preis-Spirale zu durchbrechen und wieder zu moderaten Inflationsraten zu kommen“, erklärte Walser.

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Beim 1. Konjunkturgipfel von Land Tirol und Tiroler Wirtschaftskammer wurden branchenübergreifende Herausforderungen diskutiert. | Foto: WK/Berger
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