Das Vergaberecht wird für die Gemeinden immer komplizierter
Seit 1. März gilt bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand nicht mehr das Billigst-, sondern das Bestbieterprinzip: Dabei werden nicht nur der Preis, sondern auch Qualitätskriterien und soziale Aspekte berücksichtigt, um Lohn- und Sozialdumping zu bekämpfen.
ÖSTERREICH. Ungefähr 15 bis 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts werden durch öffentliche Aufträge erwirtschaftet. Die Aufträge reichen vom Autobahnbau bis zur Anschaffung von Büromaterial. Vergebende Stellen sind zum Beispiel Ministerien oder Gemeinden.
Neue EU-Richtlinie kommt
Für Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer ist das Bestbieterprinzip in Ordnung: "Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der billigste Anbieter am Ende manchmal gar nicht so billig war, weil oft Nachforderungen kamen oder die Qualität nicht den Anforderungen entsprach."
Allerdings steht aufgrund einer neuen EU-Richtlinie bald eine noch strengere Regelung des Vergaberechts ins Haus. Mödlhammer: "Die Ausschreibung wird dann sehr komplex und steht in keinem Verhältnis zur durchschnittlichen Auftragshöhe." Die macht laut Mödlhammer bei den Gemeinden zwischen 50.000 Euro und 250.000 Euro aus.
Nachteil für kleine und mittlere Unternehmen
Zudem kritisiert der Gemeindebund an der EU-Richtlinie, dass regionale Anbieter benachteiligt werden. So müssen laut EU-Richtlinie alle Unternehmen, die bei einem öffentlichen Auftrag mitbieten wollen, eine elektronische Rechnungslegung vorweisen. Viele regionale Klein- und Mittelbetriebe haben die aber noch nicht.
"Für die Gemeinden jedenfalls bedeuten die zunehmend komplexen Vergaberegeln einen zusätzlichen Prüf- und finanziellen Mehraufwand, der ohne Expertenwissen kaum noch durchschaubar ist", sagt Vergaberechtsexperte und Anwalt Martin Schiefer.
Die Nationalratsabgeordnete Gabriela Moser von den Grünen sieht das im Gespräch mit uns auch so. "Heute schon sind die zahlreichen rechtlichen Grundlagen kaum zu überblicken. Neben dem Bundesvergabegesetz sind auch noch unterschiedliche Regelungen der einzelnen Bundesländer zu beachten. Und nach erfolgter Ausschreibung müssen noch die gesetzlich geregelten Einspruchsmöglichkeiten vor Gericht berücksichtigt werden"
Anfrage an Minister Ostermayer
Deshalb hat Moser dieser Tage auch eine Anfrage an Minister Josef Ostermayer gestellt, der unter anderem für "Verfassung und Öffentlichen Dienst" zuständig ist. Moser will wissen, ob eine zentrale Servicestelle geplant sei, bei der sich etwa die Gemeinden bei Ausschreibungen Rat holen können.
"Wenn eine kleine Gemeinde alle fünf Jahre einmal eine große Ausschreibung tätigt, wird sie kaum das Wissen um die korrekte Abwicklung des rund 400 Paragraphen langen Vergaberechts in petto haben", so Moser.
Kleine Verschnaufpause
Experte Schiefer glaubt allerdings nicht, dass es eine zentrale Beratungsstelle geben wird. "Gemeinden werden weiterhin auf ihren Anwalt oder auf die Unterstützung von Gemeindevertretungen setzen müssen." Kleiner Trost: Die EU-Richtlinie sollte schon im April abgesegnet werden. Laut Schiefer geschieht das aber erst im Herbst oder Anfang 2017.
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