Qualität versus Preis
Milchbauern kämpfen weiter ums Überleben

Milchwirtschaft bleibt herausfordernde Sparte. Andrea und Bernhard Luckner, Bauernfamilie aus Krautbath an der Mur: „Eigenmarken ruinieren den Preis und mindern den Wert unserer Arbeit stark.“ | Foto: LK Steiermark/Danner
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  • Milchwirtschaft bleibt herausfordernde Sparte. Andrea und Bernhard Luckner, Bauernfamilie aus Krautbath an der Mur: „Eigenmarken ruinieren den Preis und mindern den Wert unserer Arbeit stark.“
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Die Milchwirtschaft bleibt eine herausfordernde Sparte in der Landwirtschaft. Die Erzeugermilchpreise sinken, gleichzeitig steigen die Kosten für Energie und Co. bei den Milchbäuerinnen und -bauern. Von einem Liter Milch im Geschäft kommt in der Landwirtschaft mit 32,3 Prozent nicht einmal ein Drittel an.

STEIERMARK. Nach einer Verschnaufpause im vergangenen Jahr sind die Sorgenfalten der heimischen Milchbäuerinnen und Milchbauern wieder sehr groß. Die Ursachen: Seit Jahresbeginn sinken die Erzeugermilchpreise von Monat zu Monat rasant. Gleichzeitig bleiben die Kosten, die die Milchbauern für Energie, Futter und Technik zu bestreiten haben, so hoch wie nie zuvor. Weiters verändert sich das Einkaufsverhalten des Handels und der Bevölkerung stark in Richtung preisgünstigere Eigenmarken.

Zum Weltmilchtag am 1. Juni wurde auf das Problem der Milchwirtschaft aufmerksam gemacht: Im Bild v.l.n.r. Bernhard Zechner (Vorstand Steirermilch und Aufsichtsrat der Berglandmilch), Jakob Karner (Obmann Obersteirische Molkerei), Präsident Franz Titschenbacher, Gertrude Freudenberger (LK Milchwirtschaftsexpertin), Peter Neuper (Stv. Aufsichtsratsvorsitzender Landgenossenschaft Ennstal) | Foto: LK Steiermark/Danner
  • Zum Weltmilchtag am 1. Juni wurde auf das Problem der Milchwirtschaft aufmerksam gemacht: Im Bild v.l.n.r. Bernhard Zechner (Vorstand Steirermilch und Aufsichtsrat der Berglandmilch), Jakob Karner (Obmann Obersteirische Molkerei), Präsident Franz Titschenbacher, Gertrude Freudenberger (LK Milchwirtschaftsexpertin), Peter Neuper (Stv. Aufsichtsratsvorsitzender Landgenossenschaft Ennstal)
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„Die derzeitige Situation bringt die heimischen Milchbauern mit ihren hohen Qualitätsstandards, die auch von den kleinen Betrieben im steilen Berggebiet gewährleistet werden, enorm unter Druck.“
Franz Titschenbacher, Landwirtschaftskammer-Präsident

Nicht einmal ein Drittel bekommt Landwirtschaft

„Die Milchbauern brauchen Fairness in der Lebensmittelkette und einen dauerhaft größeren, kostengerechten Wertschöpfungsanteil, um die Herstellung des wertvollen Lebensmittels Milch abzusichern. Nur mit Rindern kann unsere einzigartige und für den Tourismus so attraktive Landschaft gepflegt werden“, betont Titschenbacher und fordert das „System der Preisbildung genau zu durchleuchten und aufbauend darauf Schritte zu setzen.“

Derzeit bekommen die Bäuerinnen und Bauern wieder weniger für ihre Leistung. Von einem Liter Milch im Geschäft kommt in der Landwirtschaft mit 32,3 Prozent nicht einmal ein Drittel an. Das ist für den hohen Arbeitseinsatz eindeutig zu wenig – der Stundenlohn für eine Familienarbeitskraft in einem Milchviehbetrieb liegt laut Grünem Bericht nach Abzug der Sozialversicherung bei nur acht Euro. „Die Milchviehhaltung zählt zu den arbeitsintensivsten und produktionstechnisch besonders fordernden Sparten, die 365 Tage im Jahr den Einsatz der Bäuerinnen und Bauern beansprucht“, rechnet Titschenbacher vor.

Das Problem der Eigenmarken

Toxisch ist für den Kammerpräsidenten Titschenbacher der stark wachsende Anteil der auffallend kostengünstigen Eigenmarken in den Geschäften. „Diese schwächen die heimischen Milchbauern und Molkereien und geben dem Handel eine noch stärkere Verhandlungs-, Markt- und Produktmacht“, kritisiert Titschenbacher und gibt zu bedenken, dass nur mehr der Preis und nicht mehr die gleichzeitig vom Handel ständig hinaufgeschraubten Standards im Fokus der Debatte stehen. „Weiters kann die heimische Milch bei Eigenmarken-Produkten vom Handel von heute auf morgen durch kostengünstigere ausländische ausgetauscht werden, die teils geringere gesetzliche Arbeits-, Tierhaltungs- oder Qualitätsanforderungen aufweisen.“ Schließlich kann das brisanterweise sogar dazu führen, dass durch Austausch von Marke und Inhalt am Ende des Tages die Preise steigen – zulasten der Konsumentinnen und Konsumenten sowie der Produktion.

„Milch ist ein wertvolles, hochwertiges Lebensmittel, die wir unter enormen Arbeitseinsatz und strengen Qualitätskriterien herstellen. Als Milchbäuerin tut es mir sehr, sehr weh, dass der wahre Wert der Milch zunehmend abgewertet wird.“
Andrea Luckner, Milchbäuerin aus Kraubath an der Mur

Milchbauer Bernhard Luckner fügt hinzu: „Ein Riesenproblem sind die Eigenmarken der Handelsketten. Sie ruinieren den Preis und mindern den Wert unserer Arbeit stark.“ 

Der Eigenmarken-Anteil ist in den Geschäften im Vorjahr auf unglaubliche 63 Prozent geklettert, 2012 waren es etwa 50 Prozent. Bei der weißen Palette (Trinkmilch, Joghurt, Obers, Topfen) lag der Eigenmarkenanteil 2022 in den Geschäften sogar bei 68 Prozent. Dazu kommen noch die Lockangebote durch Schleuderaktionen: Jeder dritte Euro geht für rabattierten Käse über den Ladentisch und bei Butter ist der Aktionsanteil mit 42,5 Prozent ähnlich hoch wie bei Fleisch.

Kammerpräsident Titschenbacher: „Eigenmarken haben toxische Wirkung für Milchbauern und letztlich auch für die Verbraucher.“ | Foto: LK Steiermark/Danner
  • Kammerpräsident Titschenbacher: „Eigenmarken haben toxische Wirkung für Milchbauern und letztlich auch für die Verbraucher.“
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Eigenmarken-Regionalitäts-Check für Butter und Käse

Bei 963 Butter- und Käseprodukten haben die Jungbauern kürzlich die Herkunft der Milch überprüft und ein trauriges Ergebnis zutage gefördert: 40 Prozent der Produkte sind nicht nachweislich mit österreichischer Milch hergestellt, bei 60 Prozent besteht kein Zweifel. Bei Eigenmarken-Käse sind bei 41 Prozent die Milchherkunft entweder nicht erkennbar (27 Prozent) oder aus dem Ausland (14 Prozent). Bei Eigenmarken-Butter ist die Milchherkunft bei 28 Prozent entweder nicht erkennbar (21 Prozent) oder aus dem Ausland (7 Prozent). 

„Hochwertige heimische Lebensmittel dürfen nicht unter dem Deckmantel der Anonymität durch kostengünstigere ausländische austauschbar sein. Wir fordern – wie im Regierungsprogramm verankert – eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung von verarbeiteten Lebensmitteln.“
Franz Titschenbacher, Landwirtschaftskammer-Präsident

Appell an Konsumentinnen und Konsumenten

Auch die Molkerei-Chefs appellieren an die Bevölkerung: Hohe Qualität und niedrigster Preis wird es auf Dauer nicht geben. „Die Berglandmilch verarbeitet als bäuerliche Genossenschaft in diesem Spannungsfeld die von den Bäuerinnen und Bauern in hoher Qualität mit hohen Tierwohl-Standards erzeugte Milch zu unseren Markenprodukten. Dass diese von uns geforderten höheren Standards zu Mehrbelastungen bei unseren bäuerlichen Familien führt ist selbstredend. Daher hoffen wir auch, dass unsere Konsumenten dies bei ihrer Entscheidung vor dem Milchregal im Supermarkt bedenken. Denn hohe Standards zum Billigpreis schließt sich aus", berichtet Bernhard Zechner, Vorstand Steirermilch und Aufsichtsrat der Berglandmilch.

Der gleichen Meinung ist auch Jakob Karner, Obmann Obersteirische Molkerei: „Die Obersteirische Molkerei steht zu 100 Prozent im Eigentum der obersteirischen Bäuerinnen und Bauern. Unsere Aufgabe ist es, eine möglichst hohe Wertschöpfung für unsere Milchlieferanten zu erzielen. Unsere Milch entspricht den höchsten Qualitätsanforderungen und wird mit hohen Tierwohlstandards produziert. Zum Beispiel ist die dauernde Anbindehaltung seit vielen Jahren auf unseren Höfen verboten. Daher ist es schwierig unseren Produzenten zu erklären, dass die Milchpreise rückläufig sind. Sollte diese derzeitige Entwicklung länger andauern, wird das viele Betriebe dazu zwingen, mit der Milchproduktion aufzuhören.“ 

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