Interview Agnes Totter (ÖVP)
"Ich bin für Maßnahmen wie das Reißverschlusssystem"
Agens Totter ist ÖVP-Nationalratabgeordnete – mit Themenschwerpunkt in der Bildung. Die NMS-Direktorin möchte Frauen Mut machen, in die Politik zu gehen.
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Da Sie nun neu in den Nationalrat eingezogen sind, haben Sie sicherlich neue Erfahrungen gesammelt – möchten Sie uns darüber etwas erzählen?
Schon viele, das ist ganz klar! Mein Programm ist sehr dicht seit dem 23. Oktober. Das war der Tag der Angelobung im Nationalrat, ein sehr schöner Tag, ein erhabener Moment, ein ergreifender Moment, wo man sich wirklich irgendwie auch demütig fühlt, weil es doch etwas Großartiges ist und es einfach eine große Bedeutung hat, Teil des Parlaments zu sein, also Teil der Volksvertretung zu sein. Insofern war das ein schöner Moment, ein schönes Gefühl. Aber natürlich ist das Mandat mit viel Verantwortung verbunden, das ist mir natürlich auch äußerst bewusst. Und diese Verantwortung will ich natürlich auch wahrnehmen – für die Region und speziell für den Bildungsbereich. Ich komme ja aus dem Bildungsbereich, das ist meine Kernkompetenz.
Was halten Sie von der Geschlechterverteilung, 72 Frauen und 111 Männer, im Nationalrat?
Eine Volksvertretung vertritt ja das Volk, das Volk besteht aus Männern und Frauen – und das muss sich anteilsmäßig im Nationalrat widerspiegeln. Das ist zurzeit noch nicht der Fall, wir haben ja etwas mehr als 50 Prozent Frauen in der Bevölkerung, also müsste das auch in der Volksvertretung in etwa so sein. Dort sind wir noch nicht, aber grundsätzlich muss ich sagen, also ich kann ja nur für meine Partei sprechen, dass dort viel gemacht wird. Gerade in letzter Zeit wurde viel unternommen, damit Frauen eben in diese Volksvertretungen kommen. Das halte ich für sehr, sehr wichtig.
Denken Sie, dass Männer und Frauen in der Politik gleichbehandelt und auch gleich ernst genommen werden?
Gleichbehandelt fühl ich mich schon. Ich glaubr, der Unterschied ist einfach der, dass Frauen andere Zugänge zu bestimmten Themen haben, auch vielleicht andere Schwerpunkte – und das ist der Grund, weshalb dieses Verhältnis ausgewogen sein sollte. Aber mit Vorurteilen bin ich zurzeit bzw. bis dato noch nicht konfrontiert worden und ich hoffe natürlich, dass das auch so bleibt.
Gibt es Unterschiede zwischen Frauen- und Männerpolitik? Setzen sich Frauen genauer für gewisse Themen ein?
Ja schon, hängt auch vielleicht mit der Biografie, mit der Ausbildung zusammen. Ich komme aus dem Bildungsbereich, bin ausgebildete Lehrerin für Pflichtschulen und für die AHS und zurzeit Direktorin einer Neuen Mittelschule. Ich habe natürlich in diesemBereich meine Erfahrungen sammeln können und es ist mir auch extrem wichtig, meine Schwerpunkte einbringen zu können.
Sie sind hauptberuflich Lehrerin. Haben Sie mit all den Verantwortungen Stress?
Stress habe ich schon, das ist ganz klar. Aber für mich ist das positiver Stress, weil ich etwas tun darf, das ich gerne mache. Allerdings muss ich sagen, zu meinem Beruf, ich übe den nicht mehr zu 100 Prozent aus. Das schaffe ich zeitlich nicht. Deswegen habe ich auf 50 Prozent reduziert, aber es ist mir enorm wichtig, dass ich auch an der Basis bleibe. In der Schule arbeiten Menschen und man kann spüren, wie es den Menschen geht, und das ist mir natürlich wichtig.
Denken Sie, dass sich eine gesetzlich geregelte Frauenquote durchsetzen wird und es somit künftig mehr Frauen in der Politik geben wird?
Ich bin auf jeden Fall für Maßnahmen wie das Reißverschlusssystem, die das fördern und beschleunigen. Das heißt, dass man bei der Wahl wirklich darauf achtet, dass nicht nur Männer auf der Liste an wählbarer Stelle stehen. So kommen mehr Frauen ins Parlament, werden sichtbarer und haben Chancen.
Was halten sie von einem finanziellen Anreiz für jene Parteien, die mehr Frauen in ihren Reihen haben?
Halte ich für sehr gut und das gibt es bei uns auch! Diese Clubförderung gilt ab 40 Prozent, das ist einmal ein Anfang. Also wenn man diese 40 Prozent erreicht, bekommt man dafür eine Belohnung. Zurzeit gibt es ein Bonussystem. Man könnte auch darüber nachdenken, dass man bei Nichterreichung dieser 40 Prozent weniger Förderung bekommt. Man sagt ja auch, Rom wurde nicht an einem Tag gebaut, aber es ist wichtig, dass wir immer wieder sensibilisieren und daran arbeiten, dass man Frauen Mut macht. Eine niedrige Frauenquote hängt auch ein bisschen damit zusammen, dass wir Frauen uns in manchen Bereichen nicht so viel zutrauen. Und deswegen freut es mich auch, dass ihr euch mit Politik befasst, und ich versuche, auch euch Mut zu machen. Bleibt dran und wenn ihr wirklich der Meinung seid, ich habe meine Talente in diesem Bereich und ich kann gut gestalten und ich möchte auch gut gestalten, dass ihr dann sagt, ja das mach ich, das ist eine Chance, eine Möglichkeit – und das mache ich!
Das Interview führten Selina Bachmann, Johannes Graf, Hannah Hödl, Julia Lorenzer und Nadine Koch.
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