Kultur kurios: Wahlen #5
Muß man es in Großbuchstaben schreiben, herausbrüllen? REGIONALENTWICKLUNG! Was könnte die Stadt denn werden, wenn es da keine intensive Beziehung zu ihrer Peripherie, zur Region gäbe?
In der Vergangenheit hieß das oft, ein Ort wird zum Zentrum, indem es seine Peripherie zur Provinz macht und sich dort alles nimmt, was er benötigt.
Wer halbwegs bei Trost ist, weiß natürlich, daß das heute eine totale Sackgasse wäre. Das gilt nicht nur für eine Region, das gilt für ganz Europa.
Wie bemerkenswert, daß ausgerechnet die FPÖ in einem aktuellen Heft „Wir Steirer“ dem Thema Landflucht eine ganze Seite widmet: „Fast zwei Drittel der steirischen Kommunen verloren in den letzten zehn Jahren Einwohner“.
Allerdings zieht man daraus keine Schlüsse, außer der politischen Konkurrenz dafür Schuld zuschreiben. Auch die Gleisdorfer FPÖ hat zum Thema Landfluch/Region nichts zu sagen, Neos desgleichen. Das Papier der SPÖ bringt mich nicht einmal mit viel Phantasie auf solche Zusammenhänge.
Bei ÖVP und Grünen finde ich einige Teilthemen, die auch im Betrachten und Beachten der regionalen Situation Relevanz haben. Das heißt, die Parteien halten ihre Themen überschaubar, zeigen mir aber darin auch Bezüge über die Ortsgrenzen hinaus.
Darf ich dem werten Publikum mit ein paar Denkanstößen zur Hand gehen? Gleisdorf ist eine der beiden dominanten Städte der Energieregion Weiz-Gleisdorf, außerdem in eine oststeirische Städtekooperation („8 Städte“) eingebunden.
Die Hauptthemen der Energieregion sind a) Mobilität und b) Energieautarkie. Die äußerst vorteilhafte Verkehrslage der Stadt gibt all diesen Zusammenhängen zusätzliches Gewicht.
Besonders interessant finde ich den Umstand, daß Gleisdorf (zeitgeschichtlich betrachtet) schon lange ein Ort steter Innovation ist. Innovation kann man nicht verordnen. Die muß durch inspirierte Menschen erfolgen, welche auf günstige Bedingungen stoßen. Sowas endet niemals an Ortsgrenzen.
Wenn das in der Vergangenheit Wirkung gezeigt hat, solle es uns auch für die Zukunft ein Anliegen sein. Falls das so ist, warum erzählen uns die meisten wahlwerbenden Parteien davon nichts bis fast nichts?
Anders gefragt: Sind wir uns einig, daß Gleisdorf keine Insel ist, weshalb sich das Gedeihen der Stadt nur in einer fruchtbaren Beziehung zum engeren und weiteren Umfeld ereignen kann?
Das schließt auch europäische Dimensionen ein. Mindestes aus finanziellen Gründen. Die Steiermark arbeitet gerade ihr zweites maastrichtkonfomes Doppelbudget ab. Das ist eher ein Tal der Tränen als eine nette Landpartie.
Deshalb sind EU-Gelder als zusätzliche Budgets höchst willkommen. Schlüsselwort: Kofinanzierung. Die gibt es aber nur, wenn inspirierte Leute respektable Projekte entwerfen und professionell umsetzen. Das bezieht sich in vielen Fällen auf die Region und ist nicht bloß auf die Oststeiermark gemünzt, sondern muß teilweise auch nach Europa hinausreichen.
Die „Vergangenheitsthemen“ kann man kennen. Kennen wir aber die „Zukunftsthemen“? In den Wahlwerbe-Broschüren erfahre ich davon freilich bei allen nichts, bei ÖVP und Grünen aber wenigstens implizit einiges durch ihre Themenstellungen.
Säße ich JETZT mit je einer Person aus allen wahlwerbenden Fraktionen an einem Tisch, mit wem könnte ich mich über diese Zusammenhänge angeregt austauschen?
Was die Zukunft angeht, finde ich bei den Grünen Überlegungen zum „Wirtschaftsraum Gleisdorf“, was ja nicht bloß Betriebe innerhalb der Gemeindegrenzen meint. Die ÖVP bezieht sich auch ausdrücklich auf die Landwirtschaft. Verkehrsfragen vom Fahrrad bis zur E-Mobilität sind angetippt. Umwelt- und Klimafragen kommen zur Sprache.
Denke ich über Gleisdorf nach, zeigt mir das 20. Jahrhundert: Da waren nach dem Zweiten Weltkrieg wirtschaftliche Innovation (vom Agrarischen zum Industriellen zu Handel und Dienstleistung), technische Innovation (z.B.: Arge Erneuerbare Energie), soziale Innovation (z.B.: Chance B) und kulturelle Innovation (z.B.: LEADER-Kultur).
Davor war die ganze Region ein Armenhaus der Monarchie. Kleine Selbstversorgerwirtschaften, viele davon gerade zwischen sechs und elf Hektar groß, haben nicht für den Markt produziert. Zwei Weltkriege zerschlugen diese Strukturen. Aus der agrarischen Welt konnte trotz erfolgreicher Sonderkulturen (Obst, Wein, Hopfen) kein Wohlstand entstehen.
Der kam dann erst mit der Industrialisierung und neuen Verkehrskonzepten. So entstanden Bedarf und Kaufkraft, daß Kaufleute und Dienstleistungsbetriebe erfolgreich werden konnten.
Gleisdorf verbindet die agrarische Welt mit dem Industriellen und mit dem Urbanen. Das heißt, ein großer Teil der Kommunalsteuer kommt von der Industrie. Die Stadt ist durch ansässige Betriebe ein wichtiger Agrarstandort. Sie bietet aber auch komfortables urbanes Leben und ist eine Kulturstadt.
Was also kann die Politik, was können und wollen die einzelnen Fraktionen konkret beitragen, damit das möglichst weiter eine Erfolgsgeschichte bliebe?
+) Die Serie "Kultur kurios" [link]
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