Armutsbekämpfung
Amnesty-Bericht kritisiert Hürden bei Sozialhilfe

Pünktlich zum Welttag der sozialen Gerechtigkeit kritisiert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International das Sozialhilfe-System in Österreich. In einem aktuellen Report heißt es dazu, dass rechtliche, praktische, aber auch gesellschaftliche Hürden den Weg von Armutsbetroffenen pflastern und regelmäßig verhindern, dass sie Sozialhilfe auch tatsächlich in Anspruch nehmen können.  | Foto: Pixabay / cocoparisienne
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  • Pünktlich zum Welttag der sozialen Gerechtigkeit kritisiert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International das Sozialhilfe-System in Österreich. In einem aktuellen Report heißt es dazu, dass rechtliche, praktische, aber auch gesellschaftliche Hürden den Weg von Armutsbetroffenen pflastern und regelmäßig verhindern, dass sie Sozialhilfe auch tatsächlich in Anspruch nehmen können.
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Pünktlich zum Welttag der sozialen Gerechtigkeit kritisiert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International das Sozialhilfe-System in Österreich. In einem aktuellen Report heißt es dazu, dass rechtliche, praktische, aber auch gesellschaftliche Hürden den Weg von Armutsbetroffenen pflastern und regelmäßig verhindern, dass sie Sozialhilfe auch tatsächlich in Anspruch nehmen können. Vor allem Frauen, insbesondere mit Betreuungspflichten, und Menschen mit Behinderungen seien überproportional häufig von diesen Problemen betroffen.

ÖSTERREICH. Im Zuge der Präsentation des rund 60-seitigen Berichts, für den Experten sowie Bezieher der Sozialhilfe befragt wurden, kritisiert Ronya Alev, Researcherin bei Amnesty International und Verfasserin des Reports, dass das Recht auf soziale Sicherheit, zudem sich Österreich völkerrechtlich verpflichtet hat, nicht ausreichen umgesetzt werde: 

"Wir haben einen gut ausgebauten Sozialstaat. Aber das letzte soziale Auffangnetz, die Sozialhilfe, ist löchrig und schließt manche Menschen aus. Das trifft besonders jene, die ohnehin zu vulnerablen Gruppen gehören."

Antragstellung als Schikane

Als eine der ersten Hürden, mit denen betroffene Menschen konfrontiert sind, nennt die Menschenrechtsorganisation die Antragstellung selbst. So werde in dem Bericht aufgezeigt, "mit welchen teils fast als Schikanen anmutenden Zugangsvoraussetzungen Armutsbetroffene konfrontiert sind", heißt es dazu in einer Pressemitteilung. So müsste für den Antrag "eine Flut" an Dokumenten und Nachweisen vorgelegt werden.

Als problematisch stelle sich dabei heraus, dass diese nicht nur sprachlich kompliziert seien und teils sogar Sozialarbeiterinnen und -arbeiter beim Ausfüllen überfordern würden, sondern die Beschaffung gewisser Dokumente auch Kosten verursache, die gerade Armutsbetroffene nur schwer aufbringen könnten. 

Als eine der ersten Hürden, mit denen betroffene Menschen konfrontiert sind, nennt die Menschenrechtsorganisation die Antragstellung selbst. | Foto: Shutterstock / Songsak C
  • Als eine der ersten Hürden, mit denen betroffene Menschen konfrontiert sind, nennt die Menschenrechtsorganisation die Antragstellung selbst.
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Im Extremfall müssen Angehörige verklagt werden

Als weiteres Problem sieht Amnesty International die "überbordenden Anspruchskriterien", etwa beim Nachweis der Einkommens- und Vermögenssituation. Dieser beziehe sich nämlich nicht nur auf die antragstellende Person selbst, sondern auf das gesamte Haushaltseinkommen. Entsprechend müssten auch Familienmitglieder im gleichen Haushalt ihre Finanzen offenlegen – "was zu Abhängigkeiten und Spannungen in einer ohnehin belasteten Situation führen kann", so die NGO. 

Auch dass Betroffene zunächst alle offenen Unterhaltsansprüche einfordern müssen, stelle für manche Personengruppen eine immense Hürde dar. "Für Frauen, die sich aus gewaltvollen Beziehungen gelöst haben, ist es zum Teil unmöglich, mit ihrem Ex-Partner in Verbindung zu treten und Geld einzufordern, selbst wenn es ihnen rechtlich zusteht. Dadurch können sie aber auch ihren Anspruch auf Sozialhilfe nicht geltend machen", erklärt Alev das Dilemma. Auch auf Menschen mit Behinderungen wirke sich diese Regelung "überdurchschnittlich negativ" aus. So seien sie gezwungen, Unterhaltsansprüche gegenüber ihren Eltern oder gegebenenfalls auch ihren Kindern zu verfolgen, sofern sie als nicht selbsterhaltungsfähig eingestuft sind. 

Betreuungspflichten können sich negativ auswirken

Wie die Menschenrechtsorganisation weiter ausführt, würden Menschen mit Kinderbetreuungspflichten – meist Frauen – zum Teil an den sogenannten Mitwirkungspflichten scheitern. So müssten sie nachweisen, dass sie arbeitswillig sind und entsprechend Bewerbungen ausschicken bzw. Jobangebote annehmen. Können sie das nicht – etwa aufgrund fehlender Versorgung für ihre Kinder – werde ihnen unter Umständen die Sozialhilfe gekürzt.

Wie die Menschenrechtsorganisation erklärt, würden Menschen mit Kinderbetreuungspflichten – meist Frauen – zum Teil an den sogenannten Mitwirkungspflichten scheitern. | Foto: Monkeybusiness/Panthermedia
  • Wie die Menschenrechtsorganisation erklärt, würden Menschen mit Kinderbetreuungspflichten – meist Frauen – zum Teil an den sogenannten Mitwirkungspflichten scheitern.
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Ähnlich verhalte es sich bei Migrantinnen und Migranten, die den Besuch von Deutschkursen nachweisen müssen, was aber zum Teil aufgrund ihrer Betreuungspflichten "schwierig bis unmöglich" sei, so Amnesty International. 

"Als würde sie zum Feind gehen"

"Das Recht auf soziale Sicherheit heißt, dass alle Menschen einen tatsächlichen, effektiven Zugang zur Sozialhilfe haben müssen. Das bedeutet auch, dass das Antragsverfahren für alle zu bewältigen sein muss", betont Alev. Dazu gehöre unter anderem, entsprechende Zugangsmöglichkeiten zu den Ämtern zu schaffen und die Menschen bei der Beantragung zu unterstützen. "Derzeit ist es vom Zufall abhängig, ob ich am Amt jemanden antreffe, der mich in meinem Antrag unterstützt oder mich als Bittstellerin bzw. Bittsteller behandelt", kritisiert sie und berichtet, dass eine Frau die Antragstellung am Amt so beschrieben habe, "als würde sie zum Feind gehen".

Die Menschenrechtsorganisation betont, dass es sich bei der Sozialhilfe um eine staatliche Unterstützung handle, auf die die Betroffenen ein Recht haben. Amnesty International fordert aufgrund der Ergebnisse des Berichts, dass das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz überarbeitet und bestehende Zugangsbeschränkungen beseitigt werden. Alev wiederholt außerdem ihre Forderung, bei der Sozialhilfe wieder Mindestsätze vorzusehen, "da die vor einigen Jahren eingeführten Höchstsätze eine Verschlechterung für die Betroffenen waren und kein Leben in Würde ermöglichen".

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