Insolvenz nicht mehr zu stoppen
Katastrophe: Corona-Hilfsmaßnahmen kommen bei Unternehmen nicht an

Kurz vor dem Konkurs? Ein Drittel der befragten Unternehmen gibt an, dass die Maßnahmen der Regierung nicht helfen. Ein Viertel sagt, sie würden nur helfen, wenn das Geld endlich kommen würde.  | Foto: Pixabay
3Bilder
  • Kurz vor dem Konkurs? Ein Drittel der befragten Unternehmen gibt an, dass die Maßnahmen der Regierung nicht helfen. Ein Viertel sagt, sie würden nur helfen, wenn das Geld endlich kommen würde.
  • Foto: Pixabay
  • hochgeladen von Mag. Anna Trummer

Für knapp Dreiviertel aller heimischen Unternehmen ist die Corona-Krise eine wirtschaftliche Katastrophe: Denn die Hilfsgelder kommen bei ihnen nicht an. Das ergab nun eine Umfrage. Laut Experten ist eine Insolvenzwelle nicht mehr zu stoppen.

ÖSTERREICH.  Freie Wirtschaftsverbände, darunter die Hoteliervereinigung, der Handelsverband, der Gewerbeverein, der Senat der Wirtschaft sowie das Forum EPU, üben jetzt harsche Kritik an den Hilfsmaßnahmen der Regierung. Eine Befragung unter 650 Betrieben habe Erschreckendes ergeben: Die Maßnahmen der Regierung sei bei den Unternehmen nicht ankommen. Umsätze und Investitionen würden aber einbrechen. Die Verbände fordern das Vorziehen der Steuerreform  und die Zufuhr von Eigenkapital.

Dreiviertel der Unternehmen haben keine Hilfe bekommen

An der Befragung nahmen 650 Unternehmen aus ganz Österreich teil, darunter 45 Prozent EPU (Ein Personen-Unternehmen). Die anderen teilnehmenden Betriebe beschäftigen im Durchschnitt 48 Mitarbeiter, sind also typische KMU (Klein-und Mittelständische Unternehmen). Die Bewertung sei damit fast konträr zur Bewertung durch die Regierung und die Wirtschaftskammer ausgefallen, sagte Stephan Blahut, Generalsekretär des Gewerbevereins, am Mittwoch. 

Knapp 70 Prozent verzweifeln an Regierungsmaßnahmen

67% aller befragten Unternehmen verzweifeln an den Maßnahmen der Regierung, die weit an der Praxis vorbeigehen:
· 33% sagen, die Maßnahmen der Bundesregierung „helfen nicht“
· 26% geben an, dass die Maßnahmen nur „helfen, wenn endlich Geld kommt“
· 8% finden die Maßnahmen für die jeweilige Branche nicht passend
· 26% meinen, dass die Maßnahmen „etwas helfen“
· 4% bewerten die Maßnahmen als „sehr hilfreich“
· 3% brauchen keine Hilfe

"Insolvenzwelle nicht mehr zu stoppen"

"Wenn jetzt nicht rasch und richtig gehandelt wird, ist die Insolvenzwelle nicht mehr zu stoppen", so Unternehmensberaterin Sonja Lauterbach, die eine Initiative von 4.500 EPU gegründet hat und via Facebook-Gruppe "EPU Österreich – Gemeinsam durch die Corona-Krise" den verzweifelten Unternehmen eine Möglichkeit geben will, sich untereinander auszutauschen. Vor allem Einpersonen- und Kleinstunternehmen müssen ihre Rücklagen auflösen oder sich verschulden, um Löhne, Mieten und Lebenserhaltungskosten bezahlen zu können.

„Die Situation ist fatal“, sagt die Unternehmensberaterin  gegenüber dem Standard. Sie hat auch  dem Transparenzportal den 'COVID-19 Härtefallfonds' bewertet: "Die Richtlinien sind weltfremd und gehen meilenweit an der Praxis vorbei. Sie berücksichtigen die Besonderheiten und Grenzen der E/A-R nicht. Gerade bei Alleinunternehmern kann die Privat- und Wirtschaftssphäre nicht getrennt betrachtet werden. Diese Maßnahme degradiert Unternehmer zu Bittstellern, denen ein Almosen vor die Füße geworfen wird."

(Achtung: Man muss auf "Infos waren hilfreich" klicken, dann kann man die Bewertung abschicken.) Hier geht's zum Transparenzportal zwecks Bewertung

EPU: Umsatzrückgang minus 80 Prozent

Besonders trifft die Krise EPU: Der bisherige Umsatzrückgang wird mit 80% besonders hoch angesetzt, für das gesamte Jahr 2020 rechnen die Kleinstunternehmen mit einem Rückgang um 50%. Die Hilfsmaßnahmen werden besonders kritisch gesehen: Kritisiert quer über alle Branchen ein Drittel die Maßnahmen pauschal als nicht hilfreich, sind es hier 52%: „Auch wenn jedes EPU und Kleinstunternehmen für sich genommen unbedeutend erscheint, hat die Gruppe dieser Unternehmen durch die hohe Beschäftigungswirkung und der Wertschöpfung einen relevanten gesamtwirtschaftlichen Impact“, so Sonja Lauterbach, Sprecherin von EPU Forum.

Schulden gegen Corona-bedingten Umsatzeinbrüche:

Wie die Umfrage zeigt, haben die meisten Betriebe den betrieblichen Aufwand reduziert, um wirtschaftlich zu überleben. Mehr als die Hälfte musste um Zahlungsaufschübe ansuchen. Ebenso die Hälfte musste um Steuerstundungen und Eigenkapital-Zuschüsse  ansuchen.

  • · 73% reduzierten den betrieblichen Aufwand
  • · 55% reagierten mit Zahlungsaufschüben
  • · 55% nahmen Steuerstundungen in Anspruch
  • · 53% beantragten Eigenkapital-Zuschüsse
Im Mittel wurde der bisherige Umsatzrückgang, der auf das Coronavirus zurückzuführen ist, mit 498.000 Euro beziffert, das ist ein Rückgang um 73 Prozent gegenüber dem Vorjahr.  | Foto: Pixabay
  • Im Mittel wurde der bisherige Umsatzrückgang, der auf das Coronavirus zurückzuführen ist, mit 498.000 Euro beziffert, das ist ein Rückgang um 73 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
  • Foto: Pixabay
  • hochgeladen von Mag. Anna Trummer

Umsatzrückgang von 73 Prozent

Der auf die flankierenden Maßnahmen zur Bekämpfung von Covid-19 zurückzuführende bisherige Umsatzrückgang wurde im Mittel mit 498.000 Euro beziffert, das ist ein Rückgang um 73% gegenüber dem Vorjahr. Für das Gesamtjahr 2020 wird ein Umsatzrückgang von 44% erwartet. Und auch die Investitionsrückgänge werden 2021 noch höher als 2020. Denn die ursprünglich für 2020 geplante Investitionen – die infolge von Covid-19 und der damit einhergehenden Planungsunsicherheit aufgrund ausbleibender Krisenhilfen verschoben oder gestrichen werden – beziffern die Unternehmen mit durchschnittlich 354.000 Euro oder 77 Prozent des ursprünglich geplanten Investitionsvolumens.

„Besonders alarmierend: 2021 fällt der Investitionsrückgang noch schlimmer aus und liegt bei 467.000 Euro oder 64% des ursprünglich geplanten Investitionsvolumens“, so Blahut.

Tourismus: Umsatzrückgang von knapp 1 Mio.

Für die Hotellerie ist das erst der Beginn eines langen Weges durch ein finsteres Tal. „An seinem Ende werden weniger regionale Leitbetriebe, Investitionen und Beschäftigte stehen“, warnt Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung: „Nach Lehman hat es 10 Jahre gedauert, bis wir die Umsatzrückgänge aufgeholt haben – und das war nichts gegen Corona.“ Hotels verzeichneten bisher einen Umsatzrückgang um 929.000 Euro, fahren die Investitionen heuer um durchschnittlich 784.000 Euro zurück und nächstes Jahr um 950.000 Euro: „Unsere Ausgabenrückgänge sind die Einnahmenrückgänge des Gewerbes. Fehlen uns Gäste, fehlen dem Handel Kunden. Wollen wir da wie dort Arbeitsplätze retten, und das muss die Politik wohl, braucht es effektivere Maßnahmen als bisher“, zieht Michaela Reitterer aus den vorliegenden Daten Schlüsse über die Branchengrenzen hinweg.

Handel: Umsatzminus von 32 Prozent

Alle Bereiche im Einzel- und Großhandel stehen vor massiven Herausforderungen, die Händler rechnen heuer mit Umsatzeinbußen von durchschnittlich 32 Prozent. „2020 werden im Handel wohl ein Drittel der Umsätze wegbrechen. Die Investitionen werden ebenfalls zurückgefahren, wovon alle Branchen betroffen sind. Wir haben mittlerweile mehr als 550.000 Arbeitslose und 1,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit. Nachdem die Kriseninstrumente die Firmen nur langsam erreichen, muss die Kaufkraft der Bevölkerung gestärkt werden, damit Selbsthilfe möglich ist. Ein Vorziehen der bereits paktierten Steuerreform sowie die Ausgabe von 500 Euro-Schecks an alle Personen mit Hauptwohnsitz Österreich und einem Jahreseinkommen unter 11.000 Euro sind dafür entscheidend", sagt Handelsverband-Präsident Stephan Mayer-Heinisch.

"Müssen Negativspirale verhindern"

Hans Harrer, Vorstandsvorsitzender des Senats der Wirtschaft – einem freiwilligen Verband mit 600 Mitgliedern aus Industrie, Handel, Gewerbe und Dienstleistung – appelliert an die Bundesregierung, das Feedback aus den Unternehmen ernst zu nehmen um rasch gegenzusteuern und Schlimmeres zu verhindern: „Die Kollateralschäden von Covid-19 treffen den Standort und die Wirtschaft deutlich härter, als die Bewertung der Hilfsmaßnahmen durch die Bundesregierung und die Funktionäre der Wirtschaftskammer annehmen lässt, quer durch alle Branchen, Bundesländer und Unternehmensgrößen. Wir müssen alles daran setzen, eine Negativspirale aus Arbeitslosigkeit, Investitions- und Konsumrückgang bis hin zum Zulauf zu den politischen Rändern zu verhindern.“ Die staatlichen Hilfsmaßnahmen sind gut gemeint, die Anstrengungen in Ministerien, Banken, AMS  und Co. fruchten aber nicht ausreichend.

Heimischer Pestizidverbrauch mehr als verdoppelt

1 Kommentar

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN


Aktuelle Nachrichten aus Österreich auf MeinBezirk.at

Neuigkeiten aus deinem Bezirk als Push-Nachricht direkt aufs Handy

MeinBezirk auf Facebook: MeinBezirk.at/Österrreichweite Nachrichten

MeinBezirk auf Instagram: @meinbezirk.at


Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.