Wieder verfassungswidrig?
Neuer Entwurf für Covid-19-Gesetz steht in Kritik

Die Gastronomie befürchtet eine Zettelwirtschaft, da die Listen 28 Tage lang aufbewahrt werden müssen.  | Foto: panthermedia/norenko a. v.
  • Die Gastronomie befürchtet eine Zettelwirtschaft, da die Listen 28 Tage lang aufbewahrt werden müssen.
  • Foto: panthermedia/norenko a. v.
  • hochgeladen von Ingo Till

Bereits vor dem Ende des Begutachtungsverfahrens der geplanten Novelle zum Covid-19-Gesetz am Freitag hagelte es wieder Kritik von Experten. Transparency International, Volksanwaltschaft und Co empfehlen dringende Änderungen an dem Text. 

ÖSTERREICH. Vor allem beim Betretungsverbot sowie der geplanten Gästeliste für die Gastrobetriebe äußerten zahlreiche Rechtsexperten ihre Bedenken. Sie warnen davor, dass der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die zweite Auflage des Covid-19-Maßnahmengesetzes erneut als verfassungswidrig qualifiziert, weil wieder sehr weitgehende Betretungsverbote im Raum stehen. 

„Beim Auftreten von Covid-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten oder öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit geregelt werden. (…) In der Verordnung kann entsprechend der epidemiologischen Situation festgelegt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit oder unter welchen Voraussetzungen und Auflagen diese Orte betreten werden dürfen (...). Weiters kann das Betreten gänzlich untersagt werden, sofern gelindere Maßnahmen nicht ausreichen“, heißt es in der Verordnung. 

Gründliche Überarbeitung

Transparency International und die Volksanwaltschaft üben daran heftige Kritik und empfehlen eine „gründliche Überarbeitung“ dieser Bestimmungen, denn Betretungsverbote und Verhaltensvorschriften weder im privaten noch im öffentlichen Raum würden im Einklang mit der Verfassung sein. Es sei zweifelhaft, "ob der einfache Gesetzgeber einen Bundesminister dazu ermächtigen kann, für nicht öffentliche Orte Abstandsregeln, Schutzmaßnahmen und Präventionskonzepte festzulegen“, merkt die Volksanwaltschaft in einer Aussendung an.

Der Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) bezweifelt, dass die Betretungsverbote vor dem VfGH halten würden, und warnt davor, dass das Gesetz Bezirksverwaltungsbehörden erlaubt, „die Einhaltung von Voraussetzungen und Auflagen auch durch Überprüfung vor Ort zu kontrollieren“. Hier sieht die Organisation einen „massiven Eingriff in das Vereins- und Versammlungsrecht“ und „lehnt diese Vorgehensweise ab“.

Die Gastronomie befürchtet eine Zettelwirtschaft, da die Listen 28 Tage lang aufbewahrt werden müssen.  | Foto: panthermedia/norenko a. v.
  • Die Gastronomie befürchtet eine Zettelwirtschaft, da die Listen 28 Tage lang aufbewahrt werden müssen.
  • Foto: panthermedia/norenko a. v.
  • hochgeladen von Ingo Till

Minister könnte Nutzung von Pkws verbieten

Juristen sehen auch die Verordnungsermächtigung problematisch: "Diese sollte sachgerecht auf öffentliche Verkehrsmittel eingeschränkt werden und private Verkehrsmittel ausnehmen". Übersetzt heißt das, dass der Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) damit sogar das Benutzen von Privatautos verbieten könnte, was ebenfalls von der Transparency International als verfassungswidrig eingestuft wird. Weiters lässt sich die Regierung offen, den "Aufenthalt (...) an allen Arbeitsorten zu untersagen". Dann müsste dennoch die Grundversorgung der betroffenen Bevölkerung "sichergestellt werden", so der Entwurf des Ministeriums.

Die geplante Datensammlung ist in den Augen der ÖRAK ebenfalls nicht "rechtfertigbar". Wenn es nach dem Entwurf geht, müssen Betriebe, Veranstalter und Vereine Daten ihrer Gästen 28 Tage speichern und den Gesundheitsbehörden im Anlassfall zur Verfügung stellen. Vertreter der Gastroszene befürchten ein Zettel-Chaos wegen der Listen, wie meinbezirk berichtete.

"Anschober ist überfordert"

Kein gutes Haar lässt die Opposition an dem Gesetzesentwurf. Der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried fordert eine Überarbeitung, weil "es greift auf höchst problematische Weise – etwa mit der Möglichkeit von Ausgangssperren ohne hinreichend formulierte gesetzliche Kriterien – massiv in die Grund- und Freiheitsrechte der Bevölkerung ein“, teilte er am Donnerstag in einer Aussendung mit. Zudem fehlen gesetzliche Kriterien für die Ampel und"es sei völlig unklar, wer eine Verordnung mit welchem Geltungsbereich erlassen könne, und es gebe völlig unklare Bestimmungen beim Datenschutz und der Weitergabe von Kontaktdaten, so Leichtfried. 

Die FPÖ sieht in der Novellierung des Maßnahmengesetztes ein Werkzeug  „mit dem die österreichische Bevölkerung de facto über Wochen eingesperrt werden könne“, so FPÖ-Chef Norbert Hofer in einer Aussendung. Er verlangte von Kurz zudem die „Abberufung“ von Anschober, denn dieser sei "überfordert".

Auch die NEOS sehen den Minister überfordert und forderten einige Anpassungen, denn „dieser Mann (Anschober) ist mit elementaren Führungsaufgaben überfordert“, so NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker bei einer Pressekonferenz. Der Gesundheitsminister würde durch das vorgesehene Gesetz viele Ermächtigungen erhalten, beispielsweise den gesamten öffentlichen Raum einem Lockdown zu unterziehen. 

Nächste Woche findet ein Treffen zwischen Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und den Klubobleuten zum Corona-Gesetz statt.  Er will dabei die in der Begutachtung vorgebrachte Kritik erörtern. „Es ist der Sinn eines Begutachtungsverfahrens, Gegenvorschläge und Kritik zu ermöglichen. Ich nehme diese – auch in den Teilbereichen, die eher parteipolitisch motiviert sind oder auf Missverständnissen aufbauen – sehr ernst“, sagte Anschober am Donnerstag in einer Aussendung.

Ministerin verspricht: Ab 1. September Corona-Tests in allen Gastronomiebetrieben
Coronavirus-Gästeliste sorgt für Unsicherheit

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN


Aktuelle Nachrichten aus Österreich auf MeinBezirk.at

Neuigkeiten aus deinem Bezirk als Push-Nachricht direkt aufs Handy

MeinBezirk auf Facebook: MeinBezirk.at/Österrreichweite Nachrichten

MeinBezirk auf Instagram: @meinbezirk.at


Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.