Internationaler Weltfrauentag
So benachteiligt sind Frauen in Österreich

30 Prozent der Frauen hatten 2021 ein Haushaltseinkommen unter der Armutsgrenze, doppelt so viele wie Männer. | Foto: Shutterstock
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  • 30 Prozent der Frauen hatten 2021 ein Haushaltseinkommen unter der Armutsgrenze, doppelt so viele wie Männer.
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  • hochgeladen von Mag. Maria Jelenko-Benedikt

Der internationale Weltfrauentag wurde ins Leben gerufen, um Fort – oder Rückschritte bei der Gleichstellung zwischen Frauen und Männern zu bewerten. Frauen sind häufig Mehrfachbelastungen ausgesetzt, sie sind öfter von Gewalterfahrungen betroffen, sie verdienen schlechter als Männer. Das wirkt sich auch auf die psychische Gesundheit von Frauen aus. 

ÖSTERREICH. Die Benachteiligung von Frauen in Österreich ist in vielen Bereichen evident und statistisch belegt. Der Gender Pay Gap liegt bei 18,8 Prozent, der Gender Pension Gap bei 41,6 Prozent und die Armutsgefährdung von alleinlebenden Pensionistinnen liegt mit 26 Prozent deutlich höher als bei ihrem männlichen Pendant mit 15 Prozent. Österreich zählt damit zu den Ländern mit den größten Lohnunterschieden in der EU.

Unbezahlte Pflege als Armutsrisiko

30 Prozent der Frauen hatten 2021 ein Haushaltseinkommen unter der Armutsgrenze, doppelt so viele wie Männer. Das liegt auch an den geringeren Pensionen. Pro Jahr bekommen Frauen im Durchschnitt 10.000 Euro weniger Pension als Männer. Wichtigster Grund für das Armutsrisiko von Frauen ist die unbezahlte Betreuungsarbeit, die nach wie vor überwiegend von Frauen ausgeführt wird. Sie leisten weltweit pro Tag circa 16,4 Milliarden Stunden an unentgeltlicher Care-Arbeit. 

Angestellte bekam weniger als männlicher Nachfolger 

Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen und Gleichbehandlung in der Arbeitswelt sind vielfach nur formal und nicht in der Praxis gegeben. Alleine im Jahr 2022 hat die AK Oberösterreich für diskriminierte AK-Mitglieder mehr als 211.000 Euro an Nach- und Schadenersatzzahlungen erstritten. Einer leitenden Angestellten konnte die AK zu 7.000 Euro verhelfen. Durch Zufall kam bei ihrer Pensionierung auf, dass ihr weniger erfahrener Nachfolger für den gleichen Job monatlich um 300 Euro mehr verdienen sollte. 

Ein großes Problem beim Thema Entgeltdiskriminierung ist laut AK die hohe Dunkelziffer, weil Betroffene oft – wie auch im vorliegenden Fall – nur durch Zufall erfahren, dass männliche Kollegen bei gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit mehr verdienen als sie. 

Frauen sollen sich an Volksanwalt wenden

Die Volksanwaltschaft muss den österreichweiten Frauenanteil bei den Beschwerdeführenden heben und ruft alle Frauen dazu auf, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, ihre Rechte durchzusetzen: „Ich möchte die Frauen ermutigen sich mehr zu trauen. Nach wie vor sind es vor allem die Männer, die sich an uns wenden“, so Volksanwältin Gaby Schwarz.  Volksanwalt Achitz: „Wir als Volksanwaltschaft stehen allen Menschen, die ein Problem mit einer Behörde haben, selbstverständlich kostenlos zur Seite. Es gibt keine finanziellen Hürden, wenn man sich an uns wenden möchte.“ Die Volksanwaltschaft ist telefonisch unter der kostenlosen Servicenummer 0800 / 223 223 oder per E-Mail unter post@volksanwaltschaft.gv.at zu erreichen. 

„Halbe Halbe – weil’s gerecht ist“

„Halbe Halbe – weil’s gerecht ist“ – Das ist das Motto der Frauentagskampagne der SPÖ-Frauen 2023. Rund um den Frauentag liegen in Gastronomiebetrieben, Kinos und anderen Veranstaltungsorten in ganz Österreich rote Karten mit den Forderungen der Kampagne auf: 4-Tage-Woche, gesetzlich geregelte Väterkarenz jetzt, Lohntransparenz jetzt, Steuergerechtigkeit die auch Frauen nutzt.

Gender Budgeting in der Verfassung

Die Abschaffung der Kalten Progression habe laut Nationalrätin Petra Oberrauner, SPÖ Kärnten  unterschiedliche Wirkung auf Frauen und Männer, wie Berechnungen des Budgetdienstes des Parlaments ergeben haben. Demnach bekommen Männer rund 60 Prozent der Entlastung und Frauen nur rund 40 Prozent. Selbiges gelte für den Familienbonus, den überwiegend Männer beziehen und nur zu einem geringen Anteil Frauen. Das sogenannte Gender Budgeting, das in Österreich in der Verfassung verankert ist, bedeute, dass jede Maßnahme auf ihre unterschiedliche Wirkung auf Frauen und Männer überprüft werden muss.

39.000 Frauen nicht auf der Suche nach Job

Am Arbeitsmarkt werden die Karten neu gemischt

Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec sieht flexible Vollzeit und Anhebung des Frauenpensionsalters als Chancen für Frauen: „Das schrittweise Anheben des Frauenpensionsalters mischt die Karten am Arbeitsmarkt neu und gibt den Frauen die Chance, mit zusätzlichen Beitragsjahren höheres Einkommen und höhere Pension zu bekommen“, betont Korosec mit Blick auf die mit 41 Prozent weiterhin große Pensionsschere in Österreich. Die Rahmenbedingungen für „Arbeit im Alter“ müssten sich diesen neuen Bedingungen aber auch anpassen. Korosec: „Damit Chancengleichheit für Frauen nicht nur Theorie bleibt, muss ihnen der Arbeitsmarkt die Chancen auch geben!“ 

Armutsrisiko für Mädchen höher

In der Kinderarmutsdebatte geraten die Mädchen sowohl in der Forschung als auch in der Politik allzu oft aus dem Blickfeld. Ein Forschungsprojekt der FH Joanneum, beauftragt von der Volkshilfe Steiermark, untersuchte diesen Aspekt nun genauer. „Unser vorrangiges Interesse lag darin, herauszufinden, wie mögliche Diskriminierungen von Mädchen im Bereich Kinderarmut verhindert werden können“, so Volkshilfe Steiermark Präsidentin und Vizepräsidentin der Volkshilfe Österreich, Barbara Gross.

„Aus der Sozialen Arbeit wissen wir, dass Mädchen oft erst dann in den Fokus geraten, wenn ihre Brüder bereits sozialarbeiterische Unterstützung erhalten. Diese unbewusste Benachteiligung spiegelt sich in vielen Feldern wider und ist kein individuelles Problem“

, betont Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich.

Mädchen aus armutsgefährdeten Familien übernehmen in den Familien eher Sorgearbeiten. Dies kann dazu führen, dass weniger Zeit für Hausübungen, Lernen und Lesen bleibt. Von Armut betroffene Mädchen werden auch eher der Neuen Mittelschule als einem Gymnasium zugewiesen. Dies betrifft insbesondere Mädchen aus Familien mit Flucht- oder Migrationsbiografie. Im späteren Berufsleben richten Mädchen ihre Berufswünsche nach Rollenzuschreibungen aus und gehen oft in Niedriglohnbereiche. Die Volkshilfe fordert nun eine allgemeine Kindergrundsicherung.

Psychische Gesundheit als feministisches Thema 

Die unterschiedlichen Arbeits- und Lebensrealitäten von Frauen haben auch Auswirkungen auf die Gesundheit: Frauen leben länger als Männer – die durchschnittliche Lebenserwartung von Frauen beträgt 84 Jahre, die von Männern 78,9 Jahre. Nach eigener Einschätzung verbringen Frauen aber knapp 20 Jahre in mittelmäßiger bis schlechter Gesundheit, Männer knapp 15 Jahre. Sozial- und Gesundheitsminister Rauch plädiert für einen Perspektivenwechsel:

„Die Situation für Frauen in Österreich zu verbessern, ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Damit Frauen die gleichen Chancen bekommen, müssen wir an vielen Schrauben drehen, zum Beispiel dem Ausbau der Kinderbetreuungsplätze. Nur so können wir mehr Frauen ermöglichen, auch in Vollzeit zu arbeiten.”

Anlässlich Weltfrauentags appelliert der Österreichische Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) an die Öffentlichkeit, mehr Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass Frauen in unserer Gesellschaft ein erheblich größeres Risiko als Männer haben, psychisch zu erkranken. Risikofaktoren sind beispielsweise:

  • Armut/Armutsgefährdung: besonders ältere (Stichwort „Pensionsgap“) sowie alleinerziehende Frauen sind in Österreich armutsbetroffen oder armutsgefährdet, was wiederum mit einem erhöhten Risiko einhergeht, an einer Depression oder Angststörung zu erkranken
  • Mehrfachbelastung: Frauen müssen häufiger als Männer sowohl unbezahlt zuhause arbeiten als auch parallel bezahlter Erwerbsarbeit nachgehen
  • Frauen werden öfter Opfer von sexualisierter Gewalt und Gewalt in Partnerbeziehungen, was zu Posttraumatischen Belastungsstörungen, Angsterkrankungen und Depressionen führen kann
  • Schwer zu beziffernde Faktoren wie Schönheitsnormen erhöhen außerdem beispielsweise das Risiko für Essstörungen drastisch

Der kürzlich vom Gesundheitsministerium präsentierte Frauengesundheitsbericht 2022 zeichnete ein ähnlich alarmierendes Bild: 15 Prozent aller Erkrankungen von Frauen sind psychische Erkrankungen, bei Männern liegt diese Zahl etwas darunter bei 13,9 Prozent. Bei Mädchen und jungen Frauen unter 20 Jahren sind psychische Erkrankungen mit 27 Prozent die häufigste Ursache für in Krankheit verbrachte Lebensjahre. Die größere mentale Belastung der weiblichen Bevölkerung sei gesellschaftlich zu wenig am Radar, so Gesundheitsminister Rauch.

Viel mehr männliche Bürgermeister

Auch in der Politik sind Frauen eher seltener vertreten: Aktuell gibt es in Österreich 218 Bürgermeisterinnen, bei 2.093 Gemeinden entspricht das einem Anteil von nur 10,4 Prozent. Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der Ortschefinnen um 9 Prozent gestiegen.

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