Strafen für Klimakleber statt Tempo-100?
So stehen Österreichs Parteien zum Klimaschutz

100 km/h statt wie bisher 130 würde einiges an Treibstoff und Emissionen einsparen – dennoch sind Österreichs Parteien mehrheitlich gegen eine Temporeduktion.  | Foto:  Michael Weber / imageBROKER / picturedesk.com
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  • 100 km/h statt wie bisher 130 würde einiges an Treibstoff und Emissionen einsparen – dennoch sind Österreichs Parteien mehrheitlich gegen eine Temporeduktion.
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  • hochgeladen von Sabine Hubner

Härtere Strafen für "Klimakleber", niedrigere Tempolimits, autofreie Tage? Karl Nehammer (ÖVP), Andreas Babler (SPÖ), Herbert Kickl (FPÖ), Werner Kogler (Grüne) und Beate Meinl-Reisinger (NEOS) beantworten die "Politischen Sommerfragen 2023" zum Thema "Umwelt und Klimaschutz".

Sollen "Klimakleber" künftig mit Strafverschärfungen belegt werden?

Karl Nehammer: Ich bin für "anpacken statt anpicken". Die Sabotage-Aktionen der Klimakleber sind die völlig falsche Form des Protests. Niemand darf ich sich über die Regeln stellen. Verkehrsstau und Chaos haben noch nie der Umwelt geholfen. Ganz im Gegenteil: Damit zieht man lediglich Ärger auf sich und erntet bloßes Unverständnis. Die vom Innenminister vorgegebene Null-Toleranz-Politik, durch die es nun auch zu Festnahmen kommt, ist deshalb wichtig und richtig – an ihr werden wir konsequent festhalten.

Andreas Babler: Nein. Dass die Klimabewegung zu der Protestform greift, ist ein Zeichen großer Verzweiflung. Die Regierung muss den Klimaschutz und den Kampf gegen die Erderhitzung endlich ernst nehmen.

Herbert Kickl: Die Strafbestimmung der Unterlassung der Hilfeleistung soll ausgeweitet werden. Konkret bedeutet das: Wer Einsatzkräfte behindert, soll mit bis zu sechs Monaten und bei Todesfolge mit bis zu einem Jahr Haft verurteilt werden. Außerdem soll die "Letzte Generation" in den Verfassungsschutzbericht aufgenommen werden.

Werner Kogler: Die jetzigen Regeln im Verwaltungs- und im Strafrecht reichen im Anwendungsfall völlig aus. Was wir aber sicher brauchen, ist weiterhin rascher und entschlossener Klimaschutz, damit Österreich die internationalen Ziele und Verträge einhält. Sonst drohen hohe Strafzahlungen. Wir haben Österreich von der Bremsspur auf die Beschleunigungsspur gebracht. In drei Jahren ist für den Klimaschutz mehr geschehen als in den dreißig Jahren davor unter Rot-Schwarz und Türkis-Blau. Aber ja, wir sollten noch mehr Menschen zum Mitmachen bringen und Mehrheiten gewinnen. Auf lange Sicht sind diese Aktionen, die die Mehrheit der Menschen vergraulen und nerven, nicht hilfreich.

Beate Meinl-Reisinger: Die Aktionen der "Klimakleber" sind ärgerlich und schädlich, weil sie vor den Kopf stoßen. Um die Klimafrage zu lösen, brauchen wir Mehrheiten und die bekommen wir nur, wenn wir die Menschen auf diesem Weg mitnehmen. Allerdings halten wir Strafverschärfungen für "Klimakleber" als reine Anlassgesetzgebung auch nicht für sinnvoll.

Soll Österreich mehr in neue Klimaschutz-Technologien, etwa CO2-Speicheranlagen, investieren?

Karl Nehammer: Den besten Beitrag zum globalen Klimaschutz kann Österreich als vergleichsweise kleines Land dann leisten, wenn wir klimaschonende Technologien entwickeln und in die Welt exportieren. Wenn die Chinesen oder Inder, die mehr CO2 produzieren als alle anderen, beginnen, Müll zu trennen oder unsere Technologien zu nutzen, dann hilft das wirklich. Deshalb ist es wichtig, die Wissenschaft und Forschung in Österreich so gut wie möglich zu unterstützen. Wir werden alle Lösungsansätze brauchen, um die Herkulesaufgabe zu meistern, die der Klimawandel darstellt.

Andreas Babler: Um die Klimaziele einzuhalten, sind massive Investitionen in den Klimaschutz und die Energiewende notwendig. Dazu will ich einen eigenen Transformations- und Energiewendefonds schaffen. Mit 20 Mrd. Euro sollen konkrete Dekarbonisierungsprojekte ermöglicht werden – durch staatliche Interventionen, Förderungen und Beteiligungen. Im Vordergrund steht die Reduktion der Treibhausgase, CO2-Speicherung werden wir für jene Emissionen brauche, die nicht verringert werden können (z. B. prozessbedingte Emissionen, Methanausstoß in der Landwirtschaft).

Herbert Kickl: Ja, auf alle Fälle. Länder wie Norwegen sind hier Österreich schon meilenweit voraus. Durch die Speicherung von CO2 wird fossile Energie klimaneutral.

Werner Kogler: Die Vermeidung von Treibhausgasemissionen ist der wirkungsvollste Klimaschutz. Und dazu brauchen wir ganz viele moderne Klimaschutztechnologien: Etwa für die Energiewende immer effizientere PV-Anlagen, neue Batterie-Technologien, intelligente Stromnetze usw. Wir müssen die Chancen aus dem ökologischen Umbau der Wirtschaft nutzen. Dann entstehen damit Hunderttausende neue Arbeitsplätze. Wir Grüne haben diesen Transformationsprozess in Österreich eingeleitet.

Beate Meinl-Reisinger: Wir sind absolut der Überzeugung, dass uns innovative Klimaschutztechnologien weiterbringen und uns dabei helfen, Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft zu verbinden. So stellen wir für unsere Kinder sicher, dass unsere Lebensgrundlagen erhalten bleiben. Welche konkreten Anreize oder Förderinstrumente hier sinnvoll sind, hängt allerdings von der jeweiligen Technologie ab.

Sollen neue Tempolimits auf Österreichs Straßen gesetzt werden?

Karl Nehammer: Nein. Ich bin gegen Schikanen gegen Autofahrer und Pendler. Eigenverantwortung und Hausverstand sollen weiterhin im Vordergrund stehen. Es gibt deutlich bessere und wirksamere Hebel, dem Klimawandel zu begegnen. Ich bin für Klimaschutz durch Fortschritt anstatt durch Verbote.

Andreas Babler: Fest steht: Wir brauchen dringend Maßnahmen gegen den Klimawandel und die Regierung macht nichts. Temporeduktionen sind eine Maßnahme von vielen, die wir überall dort umsetzen wollen, wo es die Lebensqualität erhöht und die Bevölkerung dafür ist. Tempo 100 auf der Autobahn pauschal per Gesetz wollen wir nicht. Am wichtigsten wäre, dass sich viel Verkehr von der Straße zum öffentlichen Verkehr verlagert – dafür brauchen wir einen Ausbau der Öffis!

Herbert Kickl: Nein. Die Technologie der Motoren hat sich in den letzten Jahrzehnten extrem verbessert, der Schadstoff-Ausstoß sinkt. Die meisten Menschen fahren nicht zum Spaß mit dem Auto, sondern müssen dies tun, um zur Arbeit zu kommen. Wir sind gegen eine Schikane dieser Menschen.

Werner Kogler: Eine Reduktion der Höchstgeschwindigkeiten auf Österreichs Straßen reduziert die Anzahl der Verkehrstoten und Verletzten und könnte damit sehr viel Leid auf unseren Straßen verhindern. Und mit einfachsten Mitteln könnten wir giftige Emissionen einsparen. Aber noch gibt es keine parlamentarischen Mehrheiten für diesen Vorschlag.

Beate Meinl-Reisinger: Nein, nicht generell. Wenn wir die Klimafrage lösen wollen, müssen wir die Menschen mitnehmen und für Mehrheiten sorgen. Das werden wir nicht schaffen, wenn wir einzelne Gruppen bestrafen – vor allem nicht, wenn wir, wie in diesem Fall, von einem Sparpotenzial von einem Prozent gemessen an den Gesamtemissionen sprechen.

Sollen Klimaschutzzölle für energieintensive Produkte eingeführt werden?

Karl Nehammer: Das ist eine Frage, die wir in Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern beantworten müssen. Für mich steht jedenfalls fest, dass unsere heimischen Betriebe keinesfalls einen Nachteil erleiden dürfen.

Andreas Babler: Diese Zölle sind auf europäischer Ebene bereits beschlossen worden. Das ist ein wichtiger Schritt dafür, dass Klimaschutz kein globaler Wettbewerbsnachteil mehr sein soll. Prinzipiell ist die Forderung, dass Produkte, die unter schweren Verstößen gegen Umwelt- und Arbeitsrechte hergestellt werden, nicht zollbefreit auf den EU-Binnenmarkt kommen sollen, weiterhin aufrecht. Das betrifft die EU-Handelspolitik genauso wie das gerade in Verhandlungen befindliche EU-Lieferkettengesetz.

Herbert Kickl: Es sollten Anstrengungen gesetzt werden, um mehr Produkte in Österreich zu produzieren, wo die Umweltschutzstandards extrem hoch sind.

Werner Kogler: Ja. Damit unsere europäischen Klimaschutzaktionen nicht unterlaufen werden, werden wir unsere Wirtschaft und damit die Arbeitsplätze durch Klimaschutzzölle absichern. Das heißt, dass besonders klimaschädliche Waren oder Rohstoffe, die unsere europäische Wirtschaft auf unfaire Weise schädigen, unseren Wirtschaftsbetrieben nicht schaden können. Die Europäische Union geht hier federführend voran und hat die notwendigen Maßnahmen bereits eingeleitet. Die Regulatorien werden stufenweise eingeführt und der erste Schutz greift bereits im Oktober dieses Jahres.

Beate Meinl-Reisinger: Klimaschutzzölle sind auf europäischer Ebene sehr sinnvoll. Das ist auch für unsere Industrie und unsere Standortpolitik von Vorteil.

Soll ein autofreier Tag eingeführt werden? – wenn ja, in welcher Form?

Karl Nehammer: Autofreie Tage waren noch nie von Erfolg gekrönt. Damit beschneidet man jene, die tagtäglich auf ihr Auto angewiesen sind, um beispielsweise in die Arbeit zu fahren oder ihr Kind in die Schule zu bringen. Einer solchen Schikane werde ich als Kanzler niemals zustimmen. Nochmal: Ich bin für Klimaschutz durch Fortschritt und nicht für Verbote.

Andreas Babler: Nein. Wichtiger ist, den öffentlichen Verkehr auszubauen und für alle leistbar zu machen. Wir müssen den Umstieg auf klimafreundliche Verkehrsmittel fördern.

Herbert Kickl: Nein. Die FPÖ verwehrt sich gegen derartige Ideen im Zeichen des grünen Klima-Kommunismus.

Werner Kogler: Es gibt einen freiwilligen "Autofreien Tag", den 22. September, als Höhepunkt der jährlichen Europäischen Mobilitätswoche.

Beate Meinl-Reisinger: Unser Ziel muss es sein, die öffentliche Verkehrsinfrastruktur auszubauen, Fahrradwege besser und sicher zu machen und gute Takte bei verlässlichen Öffis sicherzustellen. Denn immer mehr Menschen verzichten nur dann auf das Auto, wenn es Alternativen gibt.

Politische Sommerfragen 2023

In der Reihe "Politische Sommerfragen 2023" wurden die Parteichefs und die Parteichefin der österreichischen Parlamentsparteien – Karl Nehammer (ÖVP), Andreas Babler (SPÖ), Herbert Kickl (FPÖ), Werner Kogler (Grüne) und Beate Meinl-Reisinger (NEOS) – zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen befragt. 

Insgesamt wurden mithilfe eines Fragenkatalogs zehn Themenfelder abgefragt. Die angeführten Fragen beantworteten die fünf Vorsitzenden Anfang Juli. Hier geht's zu allen bisherigen "Sommerfragen 2023" – die Seite wird laufend um neue "Fragerunden" ergänzt.

Fragerunde an die Leserinnen und Leser

Bist du für niedrigere Tempolimits?
Wie fändest du einen autofreien Tag?
Wer hatte die besten Antworten zum Thema "Umwelt- und Klimaschutz" parat?
Wem würdest du bei Nationalratswahlen am ehesten deine Stimme geben?

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