Polaschek
Was Österreich von der Berliner Bildungspolitik lernen will

- Da sich Österreich und Deutschland im Bildungsbereich mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sehen, reiste Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) mit einer Delegation in die deutsche Hauptstadt Berlin, um sich mit deutschen Vertreterinnen und Vertretern der Bildungspolitik genauer auszutauschen.
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Da sich Österreich und Deutschland im Bildungsbereich mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sehen, reiste Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) mit einer Delegation in die deutsche Hauptstadt Berlin, um sich mit deutschen Vertreterinnen und Vertretern der Bildungspolitik genauer auszutauschen. Dabei ging es etwa um das Thema "Lehrkräfteoffensive", wo sich Polaschek über die Berliner Quereinsteiger-Strategie oder die multifunktionalen Teams an den Schulen informierte. Bei der Thematik "Digitalisierung an den Schulen" zeigte sich hingegen, dass sich die österreichische Bildungspolitik keineswegs verstecken muss.
ÖSTERREICH/DEUTSCHLAND. "Österreich und Deutschland sehen sich im Bildungsbereich mit sehr ähnlichen Herausforderungen konfrontiert. Im Sinne einer verantwortungsbewussten und vorausschauenden Bildungspolitik zugunsten unserer Schülerinnen und Schüler ist es notwendig, voneinander zu lernen", erklärte Polaschek den Grund seiner Reise. Gerade vom Austausch mit der verhältnismäßig frischen Berliner Regierung erhoffte sich der Minister neue Strategien und Herangehensweisen an Probleme in der Bildungspolitik kennenzulernen.
700 Quereinsteiger starteten im heurigen Schuljahr
Im Gegensatz zu Österreich ist die Bildungspolitik in Deutschland nicht in der Kompetenz des Bundes, sondern Angelegenheit der Länder. Die Berliner Regierung konnte daher rasch auf einen sich bereits frühzeitig abzeichnenden Lehrkräftemangel reagieren und setzte lange vor den restlichen deutschen Bundesländern auf ein Quereinstiegsmodell. So wurde etwa vom Studienzentrum für Erziehung, Pädagogik und Schule (StEPS) die Ausbildungsmöglichkeit "Querber – Quereinstieg in Berlin" ins Leben gerufen.

- Polaschek ließ sich das Programm "QuerBer" in einem Vortrag im Detail erklären.
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Da auch in Österreich ein Fachkräftemangel in den Schulen vorherrscht – so werden über die kommenden fünf Jahren 20.000 neue Lehrerinnen und Lehrer benötigt – rief Polaschek im vergangenen Jahr die Initiative "Klasse Job" ins Leben, um vermehrt auch Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger für die heimischen Schulen zu gewinnen. Dabei handle es sich um ein "Erfolgsmodell auf allen Ebenen", wie der Bundesminister gegenüber der Staatssekretärin für Bildung des Landes Berlin, Christina Henke, betonte. So hätten alleine seit Beginn des aktuellen Schuljahres rund 700 Quereinsteigerinnen und -einsteiger in den heimischen Schulen begonnen.
"Quereinsteiger bereichern die Schulen"
Die immer wieder aufkommende Kritik am System Quereinstieg kann der Bildungsminister nicht nachvollziehen. So betonte er in Berlin, dass nur kompetente Personen an den heimischen Schulen landen würden, da Österreich "ein sehr strenges Auswahlverfahren mit einer Drop-Out-Quote von 30 Prozent" besitze. Auch dass es vermehrt zu Problemen zwischen traditionell ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer und den Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern kommen würde, wollte Polaschek nicht unterschreiben. Dabei handle es sich um seltene Fälle. Insgesamt würden Quereinsteigende die Schulen bereichern, da sie "andere Sichtweisen und Lebensgeschichten haben, die sie damit auch den jungen Menschen nahebringen", so der Minister.
Ein Berliner Konzept, das sich Polaschek auch für die heimischen Quereinsteigerinnen und -einsteiger vorstellen könnte, ist die Unterstützung von sogenannten Patinnen und Paten. Dabei werden pensionierte Lehrkräfte den Quereinsteigenden für Fragen und Hilfeleistungen zur Seite gestellt, um diese kollegial zu beraten und zu unterstützen. "Dabei geht es in erster Linie um achtsame und zugewandte Reflexion des beobachteten Verhaltens, um einen gemeinsamen Austausch auf Augenhöhe und um die kollegiale und beistehende Beratung bei auftretenden Problemen", wie es vonseiten der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie heißt. Dieses System könne man sich auch für Österreich überlegen, so Polaschek, der dazu auch Gespräche mit der heimischen Standesvertretung führen möchte.

- Der Bildungsminister betonte bei einem Pressegespräch, dass er Quereinsteigende für eine große Bereicherung an den heimischen Schulen halte.
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Reform der Freizeitpädagogik muss weiter warten
Ein weiteres Konzept, auf das die Berliner Bildungspolitik setzt, ist das der multiprofessionellen Teams. Wie Henke im Gespräch mit dem Bildungsminister erklärte, arbeiten an den Berliner Schulen etwa Psychologinnen und Psychologen, Logopädinnen und Logopäden, Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter oder Erzieherinnen und Erzieher. "Ich finde das persönlich eine große Bereicherung, weil ich glaube, dass es Professionen gibt, wie zum Beispiel den Lerntherapeuten, Logopäden oder auch den Schulbegleiter, die andere Kompetenzen mitbringen und zusammen mit der Fachlehrkraft durchaus eine sehr gute Ergänzung darstellten", so die Staatssekretärin für Bildung des Landes Berlin.
Dass sich auch Polaschek multifunktionale Teams an den heimischen Schulen wünscht, ist kein großes Geheimnis. Wie der Bildungsminister in der deutschen Hauptstadt betonte, sollte das jetzige System, bei dem in der ersten Tageshälfte Lehrende den Unterricht übernehmen und ab dem Nachmittag Freizeitpädagoginnen und -pädagogen mit den Schülerinnen und Schülern arbeiten, nicht der Standard sein. "Für eine verschränkte Ganztagsschule, in der auch Menschen mit anderen Kompetenzen unterrichten, brauchen wir pädagogisches Unterstützungspersonal", so Polaschek. Die Einführung von multifunktionalen Teams in Österreichs Schulen scheiterte jedoch bisher bekanntlich am Widerstand der Freizeitpädagoginnen und -pädagogen, die laut Entwürfen des Bildungsministeriums künftig als sogenannte "Assistenzpädagogen" auch Lernzeit übernehmen und im Unterricht mithelfen sollen. Wie Polaschek betonte, halte er dies weiterhin für den richtigen Weg, weshalb er diesbezüglich nach wie vor Gespräche mit der Standesvertretung führe. Eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode sei jedoch "sehr unwahrscheinlich".

- "Österreich und Deutschland sehen sich im Bildungsbereich mit sehr ähnlichen Herausforderungen konfrontiert", erklärte Polaschek.
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Österreich bei Digitalisierung "sehr weit" voraus
Vor ähnlichen Herausforderungen stehen die beiden Nachbarländer auch im Zusammenhang mit der Digitalisierung in der Bildung. Wie Polaschek den Berliner Vertreterinnen und Vertretern erklärte, habe Österreich mit dem Acht-Punkte-Plan "Digitale Schule" in den letzten Jahren "wirksame Maßnahmen im Digitalbereich erarbeitet und implementiert". Dazu zählen etwa die Geräteinitiative "Digitales Lernen", die Einführung des Pflichtgegenstands "Digitale Grundbildung" oder der Start der 100 österreichischen KI-Pilotschulen.
Wie bei Polascheks Teilnahme am Abschlusspanel der "Konferenz Bildung Digitalisierung" erkennbar wurde, hat Österreich dem deutschen Nachbarn damit einiges voraus. Als der Bildungsminister dem Publikum die österreichischen Maßnahmen im Digitalbereich erklärte, zeigte sich das Publikum mehr als begeistert. Ein Besucher der Konferenz flehte Polaschek etwa an, den deutschen Politikerinnen und Politikern hilfreiche Tipps im Zusammenhang mit der Digitalisierung zur Verfügung zu stellen. Auch zwei Schüler und eine Schülerin der Berliner Schülerunion lobten in einem persönlichen Gespräch mit Polaschek dessen Maßnahmen und attestierten, dass Deutschland in diesem Bereich "definitiv sehr weit zurückliegt".
Offenlegung:
Der Autor dieses Beitrags nahm auf Einladung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) am Arbeitsbesuch des Bundesministers Martin Polaschek in Berlin teil. Die Teilnahme wurde vom BMBWF organisiert und finanziert.
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