Nahversorgung auf dem Rückzug
389 Gemeinden ohne Lebensmittelgeschäft

In 389 österreichischen Gemeinden gibt es keinen Lebensmitteleinzelhandel mehr – 95 Prozent davon liegen im ländlichen Raum. | Foto: Karl Neissl
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Die Nahversorgung in Österreichs ländlichen Gemeinden wird zunehmend zum Problem. Eine aktuelle Studie zeigt: 411.000 Menschen leben ohne lokalen Supermarkt – Tendenz steigend. Besonders das Burgenland ist betroffen.

ÖSTERREICH. 18 Prozent der österreichischen Gemeinden haben keinen Lebensmitteleinzelhandel (LEH) mehr im Gemeindegebiet. Das sind sieben Gemeinden mehr als noch im Vorjahr – ein Plus von zwei Prozent. Besonders dramatisch ist die Situation in kleinen Gemeinden: "69 Prozent der Gemeinden unter 500 Einwohnern und 43 Prozent der Gemeinden unter 1.000 Einwohnern haben keinen LEH-Standort im Gemeindegebiet", erklärt Wolfgang Ziniel, Senior Researcher der KMU Forschung Austria, bei der Präsentation der Studie am Freitag. Die Studie wurde im Auftrag des Bundesgremiums Lebensmittelhandel in der WKÖ erstellt.

Insgesamt leben aktuell 411.000 Personen – das entspricht 4,5 Prozent der Bevölkerung – in Gemeinden ohne lokalen Lebensmitteleinzelhandel. Von den 389 betroffenen Gemeinden liegen 370 im ländlichen Raum, was einem Anteil von 95 Prozent entspricht.

Vergleich der Bundesländer

Im Burgenland haben 30 Prozent der Gemeinden keinen Nahversorger, gefolgt von Tirol mit 22 Prozent und Oberösterreich ebenfalls mit 22 Prozent. "Im Burgenland leben 14 Prozent der Bevölkerung in Gemeinden ohne LEH-Nahversorger, in Niederösterreich 7,8 Prozent und in Oberösterreich 7,3 Prozent", so Ziniel.

30 Prozent der burgenländischen Gemeinden und 14 Prozent der Bevölkerung sind ohne lokalen Nahversorger. | Foto: Stefan Schneider
  • 30 Prozent der burgenländischen Gemeinden und 14 Prozent der Bevölkerung sind ohne lokalen Nahversorger.
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Besonders besorgniserregend ist die Entwicklung in kleinen Vororten und Gemeinden mit mittlerer Bevölkerungsdichte. Hier stieg die Zahl der Gemeinden ohne Nahversorger von 23 auf 31 – ein Anstieg um mehr als ein Drittel innerhalb nur eines Jahres. Seit 2011 ist die Zahl der Gemeinden ohne LEH-Standort insgesamt um 6,2 Prozent gestiegen, in ländlichen Gebieten sogar um 6,9 Prozent. In ländlichen Regionen sank die Zahl der Nahversorgerstandorte von 2022 auf 2023 um 6,2 Prozent.

Christian Prauchner, Obmann des Lebensmittelhandels in der Wirtschaftskammer, macht vor allem die wirtschaftliche Situation verantwortlich: "Die Auslöser sind aus meiner Sicht die extreme Personalkosten-Explosion." Dazu kämen die hohen Energiekosten, die den Handel besonders belasten würden. Ein weiteres Problem seien die hohen Modernisierungskosten: "Viele Lebensmitteleinzelhandel-Standorte in diesen Größen wurden in der Vergangenheit in Privathäusern betrieben, jetzt stehen Modernisierungsschritte an und aufgrund dieser enormen Kosten stellt sich die Frage: Können wir uns das überhaupt noch leisten?"

Neue Geschäftsmodelle und politische Forderungen

Als Gegenmaßnahmen schlägt Prauchner eine Erweiterung des Betätigungsfeldes für Nahversorger vor: "Ich glaube es wäre jetzt an der Zeit darüber nachzudenken, bestimmte Betriebsgrößen besser wirtschaftlich absichern zu können, indem man ihnen ihr Feld der Betätigung aufmacht." Konkret nennt er den Verkauf von medizinischen Produkten, rezeptpflichtigen Medikamenten und Tabak sowie die Möglichkeit, als Taxiunternehmer zu fungieren. Auch eine Liberalisierung der Öffnungszeiten in gefährdeten Gemeinden hält der Obmann für sinnvoll: 

Zu neuen Geschäftsmodellen wie Hybrid-Läden oder Container-Shops zeigt sich Prauchner grundsätzlich offen, fordert aber: "Wenn ich ein neues Konzept mache, dann muss man schon überlegen, dass es auch innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen abgebildet wird."

Wirtschaftskammer-Obmann Christian Prauchner (Mitte) fordert eine Erweiterung des Betätigungsfeldes für Nahversorger und eine Liberalisierung der Öffnungszeiten in gefährdeten Gemeinden. | Foto: Andreas Poelzl/MeinBezirk
  • Wirtschaftskammer-Obmann Christian Prauchner (Mitte) fordert eine Erweiterung des Betätigungsfeldes für Nahversorger und eine Liberalisierung der Öffnungszeiten in gefährdeten Gemeinden.
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Unimarkt-Rückzug könnte Situation verschärfen

Mit Sorge blickt die Branche auf die aktuelle Situation von Unimarkt. Prauchner warnt: "Wenn Standorte darunter sind, die für Filialisten nicht betrieben werden können, aber von Franchisenehmern betrieben werden, dann könnte es zu einem Abschmelzprozess weiterhin kommen, der sich durch die Unimarkt-Geschichte jetzt verstärkt."

Die Studie zeigt: Ab 2.000 Einwohnern sind Gemeinden ohne LEH-Nahversorger die Ausnahme, ab 5.000 Einwohnern gilt Österreich als flächendeckend versorgt. Doch darunter wird die Luft dünn: "Ich glaube das wird uns in Zukunft stationär mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus wirtschaftlichen Gründen nicht gelingen", gibt sich Prauchner realistisch bezüglich Gemeinden unter 500 Einwohnern.


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In 389 österreichischen Gemeinden gibt es keinen Lebensmitteleinzelhandel mehr – 95 Prozent davon liegen im ländlichen Raum. | Foto: Karl Neissl
Wirtschaftskammer-Obmann Christian Prauchner (Mitte) fordert eine Erweiterung des Betätigungsfeldes für Nahversorger und eine Liberalisierung der Öffnungszeiten in gefährdeten Gemeinden. | Foto: Andreas Poelzl/MeinBezirk
Anhaltend hohe Energie-, Lohn- und Rohstoffkosten, steigende Gebühren und immer mehr Bürokratie belasten viele Nahversorgungsbetriebe massiv. | Foto:  Pexels/Clark
30 Prozent der burgenländischen Gemeinden und 14 Prozent der Bevölkerung sind ohne lokalen Nahversorger. | Foto: Stefan Schneider

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