Krieg in der Ukraine
Expertin: Gaspreis könnte massiv steigen

"Im Interesse der Gazprom ist es ganz sicher, die Lieferverträge mit Österreich einzuhalten. Ob es auch im Interesse von Herrn Putin ist, weiß ich nicht", sagt Gas-Expertin Carola Millgramm. | Foto: E-Control,Wilke
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  • "Im Interesse der Gazprom ist es ganz sicher, die Lieferverträge mit Österreich einzuhalten. Ob es auch im Interesse von Herrn Putin ist, weiß ich nicht", sagt Gas-Expertin Carola Millgramm.
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Den Krieg in der Ukraine  hat kein Gas-Händler vorhergesehen, sagt Carola Millgramm, Leiterin der Abteilung Gas in der Regulierungsbehörde E-Control im Interview mit den RegionalMedien Austria. Sie erklärt im Gespräch, welche Auswirkungen der Krieg in der Ukraine für Österreich hat, das stark von russischem Gas abhängig ist. Für den nächsten Winter könnten die Folgen massiv sein. 

RegionalMedien Austria: Frau Millgramm, was bedeutet die Invasion Russlands in der Ukraine für uns in Österreich – wie abhängig sind wir von russischem Gas? 

Carola Millgramm: Wir importieren derzeit circa 80 Prozent unseres Gases aus Russland, circa 10 Prozent kommen aus Eigenproduktion. Die ist in den letzten Jahren aber stark gesunken. Weitere zehn Prozent werden von norwegischen Produzenten bezogen, auch aus Deutschland beziehen wir Gas. Eskaliert der Konflikt in der Ukraine weiter, ist nicht davon auszugehen, dass die Gazprom ihre In- und Exporte einstellen wird. Es gibt langfristige Verträge der OMVTrading mit der Gazprom Export, die auch verlängert wurden (2018 bis 2040). Man kann jetzt aber nicht wissen, ob Transportleitungen bei einer Ausweitung der kriegerischen Handlungen beschädigt werden.

Ungefähr 80 Prozent des in Österreich verbrauchten Erdgases stammen vom russischen Gasmonopolisten Gazprom. Ist auf die Gazprom jetzt wirklich Verlass?


Wir hatten bereits 2009 einen Konflikt zwischen der Ukraine und Russland. Auch da sind über diese Route Gaslieferungen eingeschränkt bzw. komplett eingestellt worden. In diesem Fall hat die Gazprom ihre Lieferverbindlichkeiten über andere Transportrouten erfüllt. Es gibt seit 1968 in Österreich Gaslieferverträge mit Russland, die auch immer wieder verlängert bzw. erneuert wurde. In dieser Zeit wurden die Lieferverbindlichkeiten von Gazprom immer eingehalten. Die EU ist nach wie vor der größte Exportmarkt für die Gazprom. Der Großteil der Erlöse der Gazprom kommt aus dem Verkauf an die EU – bedingt durch das Preisniveau, da die Preise bei uns natürlich viel höher sind, obwohl Russland einen sehr hohen Inlandsverbrauch hat. Im Interesse der Gazprom wird es ganz sicher sein, die Lieferverträge einzuhalten. Ob es auch im Interesse von Herrn Putin ist, weiß ich nicht. Rein wirtschaftlich und rational betrachtet dürfte es aber keine Liefereinschränkungen geben.

Wie lange reichen Österreichs Gas-Reserven aktuell aus? Und wie sieht es mittelfristig aus, wenn es zu Lieferschwierigkeiten kommt?

Wir haben sehr viele Speicherkapazitäten, die im letzten Sommer nicht so sehr gefüllt worden sind, wie in den Jahren zuvor. Normalerweise kaufen die Händler im Sommer das Gas, das eingespeichert wird. Da das Preisniveau an den Großhandelsmärkten allerdings so hoch war, wurde weniger gekauft und eingespeichert.

Die jetzige Situation war auch für Händler nicht vorhersehbar. Durch die milden Wintertemperaturen und die vermehrte Stromerzeugung durch Windkraft werden wir mit dem eingespeicherten Gas aber durch den Winter kommen. Aus unserer Sicht sind die eingespeicherten Mengen dafür ausreichend. Im Sommer müssen die Speicher aber wieder befüllt werden. Hätten wir dann tatsächlich eine Lieferunterbrechung aus Russland, müssten wir vermehrt Gas über Deutschland, Norwegen, LNG oder wo anders einkaufen. Das ist natürlich teuer. Mittelfristig könnten die Auswirkungen und Folgen wirklich massiv sein und man müsste vorbeugen.

Könnten zahlungskräftige Länder vermehrt Gas einkaufen und so ein Engpass entstehen?

Man steht dann natürlich im Wettbewerb mit anderen Ländern. Die EU-Länder werden vermutlich gemeinsam überlegen, damit alle Länder Gas bekommen. LNG (Anmerkung Red. Flüssigerdgas) geht nach Asien, Südamerika, und Europa – da stehen wir im Wettbewerb mit anderen Ländern. Das Preisniveau wird in den kommenden ein bis zwei Jahren sicher steigen und auch höher bleiben.

Im Sommer müssen die Gas-Speicher in Österreich wieder befüllt werden. Gebe es Lieferunterbrechung aus Russland, müssten man vermehrt Gas über Deutschland, Norwegen, LNG oder wo anders einkaufen, was teuer komme, so Millgramm. Im Bild: Ein OMV-Gasspeicher in Tallesbrunn.
  • Im Sommer müssen die Gas-Speicher in Österreich wieder befüllt werden. Gebe es Lieferunterbrechung aus Russland, müssten man vermehrt Gas über Deutschland, Norwegen, LNG oder wo anders einkaufen, was teuer komme, so Millgramm. Im Bild: Ein OMV-Gasspeicher in Tallesbrunn.
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Wann würden österreichische Haushalte eine solche Preiserhöhung spüren?

Wir haben schon von einigen Gaskunden gehört, dass sie Nachzahlungen leisten mussten – der gestiegene Gaspreis ist also schon durchaus bei einigen angekommen. Das wird auch im nächsten Winter der Fall sein. Das könnte auch die geplante Umstellung, aus Gas auszusteigen, beschleunigen. Das ist für uns jetzt natürlich eine harte Situation. Es könnte jetzt alles sehr viel schneller gehen, als wir uns das vorgenommen hatten. Wenn die Gazprom Lieferschwierigkeiten hätte, wäre das natürlich auch ein massiver Vertrauensverlust. Dieses Vertrauen, auf dem diese Langzeitvereinbarung basiert, kann nur schwer repariert werden.

Rund 27 Prozent der Haushalte in Österreich verwenden Gas – es ist der häufigste Energieträger. Kann man das überhaupt so schnell ersetzen?

Den größten Anteil von Gasheizungen haben wir in Wien. Man muss aber auch bedenken, dass wir Gas in Österreich auch zu rund einem Drittel zu Fernwärmeerzeugung einsetzen. Hier muss man ansetzen und beides dekarbonisieren. Heizung umstellen ist schwieriger. Wir sehen bei vielen Häusern, die in Wien renoviert werden, dass immer noch Gasheizungen neu installiert werden. Bis jetzt war es auch einfach komfortabel, mit Gas zu heizen. Man muss sich um nichts kümmern, braucht keinen Tank und muss nicht wie beim Heizöl regelmäßig bestellen. Auch Pellets muss man selber einkaufen. Eigentlich ist im Vergleich zu Gas nur die Fernwärme genauso komfortabel. Das ist ein Vorteil, den Gas hatte. Aber jetzt gibt es diese Unsicherheit, die viele Gaskunden sehen. 

Welche Schritte muss die Politik für einen Ausstieg aus Gas setzen? 

Im Grunde muss jetzt alles schneller gehen. Die technische Umstellung muss schneller gehen. Auch der gesetzliche Rahmen dafür muss schnell kommen, damit wir das wirklich durchziehen können. Es braucht einen gesetzlichen Rahmen, um den Umstieg vom Gas zu schaffen. Der fehlt leider noch – weder gibt es das Energieeffizienzgesetz, und das Erneuerbaren Wärmegesetz ist noch in der Ausarbeitung. Den rechtlichen Rahmen brauchen wir natürlich für die Investitionssicherheit. Sonst bleibt wieder alles wie es ist, wenn der Winter vorbei ist. Sollte sich die Lage doch noch entspannen, heißt es vielleicht wieder: 'So schlimm wars ja gar nicht, bleiben wir doch dabei.'

2009 gab es eine Gaskrise, in der Russland der Ukraine den Gashahn zugedreht hat. Welche Lehren haben wir in Österreich daraus gezogen?

Innerhalb von Europa ist sehr viel passiert mit der Flexibilisierung der Gasflüsse, wenn man aus der Ukraine kein Gas beziehen kann. Das hat sich alles geändert, die Ukraine war früher auch einseitig komplett abhängig von russischen Gaslieferungen. Wir können in Österreich heute aus Deutschland und Italien zusätzliches Gas beziehen, oder aus Ungarn. Das sind zum Teil Märkte, deren Speicherkapazitäten noch gut gefüllt sind. Unser Vorteil ist, dass wir kein großer Verbrauchermarkt sind im Vergleich zu Italien und Deutschland. Da wir in Österreich am Ende der Heizsaison sind, brauchen wir nicht so viele zusätzliche Gas-Mengen beziehen. Wenn wir jetzt im Januar wären und es wäre kalt, hätten wir wirklich ein Problem in ganz Europa. Aber wir haben Anfang März mit teilweise frühlingshaften Temperaturen. Bei einer Liefereinschränkung werden wir die fehlenden Mengen wahrscheinlich ersetzen können.

"Sind für Krisensituation aufgestellt"

Wie sieht das mittelfristig aus- Könnte uns in Österreich im nächsten Winter das Gas ausgehen?

Wir werden für den nächsten Winter vorsorgen müssen und das auch EU-koordiniert machen. Das wird sicher vorbereitet werden. Wir müssen aus der jetzigen Situation Lehren ziehen und nicht mehr darauf vertrauen, dass Verträge eingehalten werden. Wir dürfen uns in den nächsten Jahren nicht wieder zum Spielball machen lassen. 

Wir sind aber für Krisensituationen aufgestellt. Man muss jetzt keine Angst haben. Wir haben Krisenteams, die die Situation laufend beobachten. Auf internationaler Ebene gibt es eine Gaskoordinierungsgruppe, die sich auf EU-Ebene regelmäßig trifft und Informationen austauscht. Ich glaube, die schlimmste Situation haben nicht wir, sondern die Ukrainer. Wir sind darauf vorbereitet, aber natürlich muss man aus der Situation jetzt lernen und Schritte für den nächsten Winter setzen.

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Im Sommer müssen die Gas-Speicher in Österreich wieder befüllt werden. Gebe es Lieferunterbrechung aus Russland, müssten man vermehrt Gas über Deutschland, Norwegen, LNG oder wo anders einkaufen, was teuer komme, so Millgramm. Im Bild: Ein OMV-Gasspeicher in Tallesbrunn.

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