AMS-Chef Johannes Kopf
„Ich glaube nicht, dass uns die Arbeit ausgeht“

AMS-Vorstand Johannes Kopf erwartet eine Stabilisierung am Arbeitsmarkt. | Foto: AMS/Petra Spiola
  • AMS-Vorstand Johannes Kopf erwartet eine Stabilisierung am Arbeitsmarkt.
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AMS-Vorstand Johannes Kopf über die größten Herausforderungen am Arbeitsmarkt.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Arbeitsmarktlage?
JOHANNES KOPF: Wir haben erfreulicherweise noch immer rückläufige Arbeitslosigkeit – aber nicht mehr so stark wie 2017 und 2018. Ich rechne aber damit, dass es in den nächsten Monaten in einzelnen Bundesländern bzw. bei verschiedenen von Ausgrenzung bedrohten Personengruppen wieder zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit kommen wird.

Und die Prognose für 2020?
Wir sind erfreulicherweise – und das ist spannend – in einer besseren Situation als Deutschland. Wir haben uns da ein bisschen losgekoppelt. Das hat mit der stärkeren Verflechtung der österreichischen Wirtschaft mit Osteuropa zu tun. Dort gibt es noch immer Wachstumsraten von 3 bis 4 Prozent. Ich glaube, dass es 2020 insofern zu einer Stabilisierung am Arbeitsmarkt kommen wird, als wir zwar mit einem leichten Anstieg der Arbeitslosigkeit rechnen müssen, aber bei sinkender Quote.

In welchen Bereichen sehen Sie die größten Herausforderungen?
Ein Problem bleibt die Langzeitarbeitslosigkeit – und zwar deshalb, weil bislang niemand ein Patentrezept dagegen gefunden hat. Weitere Herausforderungen sind sicher Trends wie Digitalisierung, Internationalisierung oder Ökologisierung. Alle diese Trends brauchen höhere Qualifikationen von Beschäftigten – und führen dazu, dass die Unqualifizierten schlechtere Chancen haben.

Glauben Sie, dass uns durch die Digitalisierung die Arbeit ausgeht?
Das glaube ich nicht. Diese Diskussion gibt es bereits seit 200 Jahren – mit Beginn der Industrialisierung, dann bei der Verbreitung der Eisenbahn oder der Elektrizität. Richtig ist zwar, dass immer sehr viele Menschen bei so großen Veränderungen den Job verloren haben. Aber bisher sind immer – sogar noch mehr – andere Jobs entstanden. Wenn es aber diesmal anders ist, dann frage ich mich, wann die Digitalisierung beginnt? Weil momentan haben wir steigende Beschäftigung.

Das heißt, es wird sich nichts ändern?
Natürlich wird es große Veränderungen geben, möglicherweise auch weltweite Verschiebungen. Es gibt bereits Rückverlagerungen von Produktionen. Firmen, die aufgrund der Lohnkosten etwa in den asiatischen Raum gegangen sind, produzieren wieder in Europa – weil durch die Automatisierung der Personalkostenanteil geringer geworden ist.

Wie beurteilen Sie den „Verdrängungswettbewerb“ am Arbeitsmarkt durch Zuwanderung?
Den gibt es – und zwar vor allem im Osten Österreichs. Die Möglichkeit, niedrigere Lebenshaltungskosten im Osten mit einem höheren Einkommen im Westen zu kombinieren, hat zu Verdrängung geführt. Anders als bisher wurde aber nicht der Teurere durch den Billigeren, sondern der niedrig Qualifizierte durch den besser Qualifizierten ersetzt.

Wie stehen Sie zum Thema ,Asylwerber und Lehre'?
Es geht hier um zwei Fragen: Erstens, ob Asylwerber eine Lehre machen dürfen und um die Frage, was mit jenen geschieht, die aktuell eine Lehre machen, aber von Abschiebung bedroht sind. Sebastian Kurz hat nun gemeint, dass er sich vorstellen kann, dass die Asylwerber ihre Lehre fertig machen dürfen. Das finde ich gut und habe ich auch zuvor unterstützt. Generell bin ich für eine Klärung des Asylstatus vor Arbeitsmarktzugang. Aber weil Asylverfahren bei uns so lange dauern und es noch falscher ist, junge Menschen lange herumsitzen zu lassen, habe ich bereits 2014 den Vorschlag gemacht, dass man jene Asylwerber, die eine hohe Anerkennungswahrscheinlichkeit haben – wie etwa Syrer – generell nach vier Monaten zum Arbeitsmarkt zulässt.

Gibt es von Ihnen spezielle Wünsche an die nächste Bundesregierung?
Die Bekämpfung des Klimawandels wird zu politischen Initiativen mit massiven Auswirkungen auf die Wirtschaft führen – auch mit Verlierern am Arbeitsmarkt. Deshalb wird es mehr finanzielle Mittel brauchen, um betroffene Personen umzuqualifizieren. Qualifizierung ist aber auch im Zusammenhang mit der Digitalisierung notwendig. Und wenn wir erkennen, dass trotz aller Bemühungen die Arbeitslosenquote von Personen mit nur Pflichtschulbesuch in Relation zu anderen Gruppen deutlich steigt, dann braucht es hier auch mehr Anstrengungen – und zwar nicht beim AMS, sondern im Bildungssystem. Wir müssen verstärkt in die Frühförderung der Kinder im Kindergarten und in der Volksschule investieren.

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