"GO-ON Suizidprävention" startet in GU mit Expertenteam
Die "GO-ON Suizidprävention Steiermark" startet in Graz-Umgebung mit eigenem Expertenteam durch.
Im vergangenen Jahr verstarben in Österreich laut der Statistik Austria 1.068 Menschen durch Suizid oder in Folge von Selbstbeschädigung. In der Steiermark waren es 216 Menschen; viermal mehr als im Straßenverkehr gestorben sind. Damit ist die Grüne Mark trauriger Spitzenreiter im Bundesländervergleich.
Obwohl die Zahl der Selbsttötungen in den letzten fünf Jahren rückläufig ist, ist sie nach wie vor zu hoch – deshalb startete die "GO-ON Suizidprävention Steiermark" 2020 mit einem Expertenteam und entsprechenden Angeboten noch regionaler durch. Am Freitag, 24. September, erfolgt in der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung die offizielle Eröffnungsveranstaltung für den Bezirk (mehr Infos, Kontaktnummern und Beratungsstellen: siehe am Ende des Artikels).
Stadt-Land-Gefälle im Vergleich
27 Suizide verzeichnete Graz-Umgebung im Jahr 2020. Im steiermarkweiten Vergleich ist die Suizidrate hier niedriger – die jährliche Suizidraten befinden sich im Bezirk im unteren Viertel der Bundeslandstatistik. Das liegt mitunter daran, dass die psychologische und psychosoziale Versorgung durch die Nähe zur Landeshauptstadt Graz besser ausgebaut ist als in manch anderen Regionen. Die Hilfsangebote sind in Städten weiter verbreitet und somit einfacher erreichbar. Auch die Anonymität, mit der die Angebote in Anspruch genommen werden kann, spielt hierbei eine Rolle.
Krisen und Erkrankungen betreffen alle Altersgruppen, alle Berufssparten, jedes Geschlecht und jeden Bildungsstand. Quer durch die Steiermark sind allerdings mehr Männer betroffen, in ländlichen Bezirken Menschen mit fortschreitendem Alter, ab circa 50 bis 55 Jahren. Häufig sind Vereinsamung, schwere chronische Erkrankungen und das Gefühl, dadurch anderen zur Last zu fallen, sowie wirtschaftliche Existenzängste der Grund dafür. So werden etwa bei selbstständigen Landwirten, im Vergleich zu anderen Berufssparten, höhere Suizidraten vermerkt.
Tabus brechen – offen reden
Psychische Erkrankungen und ihre Folgen sind nach wie vor ein Tabuthema. "Die Gründe dafür sind vielfältig und teilweise in der Sozialisierung und in der Wahrnehmung, Teil einer Leistungsgesellschaft zu sein, in der psychische Schwäche keinen Platz hat, zu finden", heißt es vonseiten der Suizidprävention. Auch wenn sich viel geändert hat, offen darüber gesprochen wird kaum. Doch genau darum geht es "GO-ON". Darüber reden, Selbsttötung in den öffentlichen Diskurs bringen, um Menschen in suizidalen Krisen helfen zu können, um ihnen den Druck zu nehmen und sie darin zu bestärken, dass sie ihre Situation nicht alleine bewältigen müssen.
So haben zum Beispiel am Weltsuizidpräventionstag, am 10. September, in Graz und Graz-Umgebung etwa das Rote Kreuz, das Hilfswerk und Pro Mente Steiermark, der Männernotruf, die Achterbahn Graz oder "WEil – Weiter im Leben" gemeinsam ein starkes, lautes Zeichen der Zuversicht gesetzt und gemeinsam auf die Stärkung der psychischen Widerstandskraft aufmerksam gemacht.
Angebote schaffen, Resilienz aufbauen
Experten aus den Fachbereichen Psychologie, Psychotherapie, Psychiatrie, Pädagogik und Sozialarbeit bildet ein multidisziplinäres Kompetenzteam, das als "GO ON" Präventionsarbeit leistet. "Ziel ist es, die Bevölkerung, aber auch Fachpersonal, Lehrer, Einsatzkräfte etc., über das Thema Suizid aufzuklären und fortzubilden, Mythen abzubauen und zu sensibilisieren. 'Wie erkenne ich Suizidalität bei Mitmenschen?', 'Wie kann ich Suizidalität ansprechen?'." Die Angebote, die durch den Gesundheitsfonds Steiermark finanziert werden, sind für alle kostenlos.
Resilienz ist das Stichwort: "GO-ON" bietet Vorträge und Workshops zur Krisenbewältigung und psychischen Widerstandsfähigkeit. Wo gibt es Hilfe, was kann man tun, was kann vermieden werden und wie können Familien oder Freunde in herausfordernden Zeiten helfen, sind nur einige der Themen, wie gearbeitet wird.
Problematik durch Corona verschärft
Stress-, Angst- und Depressionssymptomatiken haben im Laufe der Corona-Pandemie zugenommen. Rat auf Draht verkündete, im Durchschnitt vier Mal pro Tag Gespräche über das Thema Suizid zu führen. Zeitgleich hat die Suizidrate im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 abgenommen. Grund dafür könnte der sogenannte Pulling-Together-Effekt sein, so "GO-ON". Das bedeutet, dass externe Bedrohungen, die alle Menschen gleichermaßen betreffen – etwa Kriege oder oben eine Pandemie –, eine Gesellschaft zusammenrücken lässt. Dadurch wird das Wir-Gefühl gestärkt, die Ohren für Hilfsbereitschaft allgemein mehr gespitzt. Wie es weitergeht, ist noch unklar. Man geht davon aus, dass sich erst in mehreren Jahren zeigen wird, wie sich die Pandemie allgemein ausgewirkt hat. Dazu wird unter anderem der Fokus auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes gelegt. Auch Existenzängste, Leistungsdruck und Zukunftsaussichten spielen eine Rolle.
Durch die Pandemie haben sich viele Angebote in den Online-Bereich verschoben. Das hat wiederum den Vorteil, dass Menschen Unterstützung noch anonymer nutzen können.
Die Krise könnte allerdings auch eine Chance sein. "Viele Menschen haben selbst herausfordernde Zeiten hinter sich und psychische Belastungen teilweise am eigenen Leib erfahren müssen. Themen rund um psychische Gesundheit und psychische Erkrankung gelangten in den Fokus des öffentlichen Interesses. Tabu und Stigma bröckeln in einer Geschwindigkeit, die ohne Krise höchstwahrscheinlich nicht realistisch gewesen wären. Bei GO-ON merkt man dies unter anderem an dem regen und weitere zunehmenden Interesse an Veranstaltungen", heißt es.
Professionelle Hilfe in Krisenfällen:
- Psychosoziale Beratungsstellen in der Region: www.plattformpsyche.at
- Psychosoziale Beratungsstelle Graz-Umgebung-Nord: Hauptplatz 27, 8130 Frohnleiten
- Psychosoziales Zentrum Graz-Umgebung-Süd: Kirchweg 7, 8071 Hausmannstätten
Telefonisch rund um die Uhr erreichbar:
- Telefonseelsorge: 142 (rund um die Uhr)
- Männernotruf: 0800 /246 247 (rund um die Uhr)
- Rat auf Draht: 147 (für Kinder und Jugendliche, rund um die Uhr)
- Ö3 Kummernummer: 116123 (täglich 16-24 Uhr)
- Berufsverband Österreicher PsychologInnen: 01/ 504 8000 (Mo-Fr 9-16 Uhr)
- Kriseninterventionsteam Land Steiermark: 0800/500 154 (täglich von 9 bis 21 Uhr)
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