Stadtschreiberin
Andrea Scrima wird neue Grazer Stadtschreiberin
Die neue Grazer Stadtschreiberin heißt Andrea Scrima. Die gebürtige New Yorkerin wird von September bis August kommenden Jahres in Graz an einem literarischen Projekt arbeiten.
GRAZ. 74 Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus 28 Ländern hatten sich als Stadtschreiberin oder Stadtschreiber beworben – die Wahl für das nächste Jahr fiel auf Andrea Scrima. „Sie hat einen mehrfachen Bezug zu unserer Stadt“, sagt Kulturstadtrat Günter Riegler (ÖVP). So sind Bücher von ihr im Grazer Droschl-Verlag erschienen und sie hat für die Literaturzeitschriften Manuskripte und Schreibkraft Kritiken geschrieben. „Ich wünsche ihr eine schriftstellerisch anregende Zeit in der Murmetropole“, so Riegler.
Nach – etwas abgewandelter – mittelalterlicher Tradition werden Jahr für Jahr internationale Schriftstellerinnen und Schriftsteller jeweils von September bis August im darauffolgenden Jahr nach Graz eingeladen. Mit ihrem Blick von außen erhalten sie hier durch ein Literaturstipendium die Möglichkeit, ohne finanziellen Druck ihrer literarischen Fähigkeit nachzugehen und sich mit der Atmosphäre sowie der Kulturszene der Stadt auseinanderzusetzen.
Die Stipendiumsvergabe ist mit der kostenlosen Bereitstellung einer Wohnung im Cerrini-Schlössl auf dem Schloßberg sowie mit einer monatlichen Zuwendung von 1300 Euro verbunden. Die Betreuung des Autors übernimmt die Kulturvermittlung Steiermark in Abstimmung mit dem Kulturamt.
Zur Person
Andrea Scrima, geboren 1960 in New York City, studierte Kunst an der School of Visual Arts in New York und an der Hochschule der Künste in Berlin, wo sie seit 1984 als Autorin und bildende Künstlerin lebt. Ihre Arbeiten waren in internationalen Ausstellungen zu sehen.
Sie schreibt Essays für Times Literary Supplement, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Schreibheft, Music & Literature, The American Scholar, LitHub und The Brooklyn Rail.
Die Jury, bestehend aus Silvana Cimenti, Drin Alexandra Millner, Paul Pechmann, Andrea Stift-Laube und Christoph Szalay, hat Scrima unter anderem wegen ihrer Authentizität ausgewählt. Das Schreiben sei immer ganz nah mit der Person Andrea Scrima verbunden gewesen: zum einen über Kritiken und Essays, die sie selbst verfasste, zum anderen über großflächige Textinstallationen – Kurzgeschichten, die an Wänden angebracht waren –, die ihr künstlerisches Schaffen ab dem Jahr 2000 bestimmten und die auch ein besonderes Augenmerk auf die Rezipienten- und Rezipientinnenseite legten, indem sie Diktat und Choreografie ineinander übergehen ließen.
Mit dem Erscheinen von "A Lesser Day" 2010 gab Scrima ihr gefeiertes Debüt als literarische Autorin. "Ein Buch, das die eigene Vergangenheit zum Ausgangspunkt für das Entwerfen einer Künstlerinnenbiographie nimmt, den Wegen nachspürt, den Erinnerungen, dem Sprunghaften Raum gibt, die Lücken zulässt – stets getragen von poetischer Zartheit und einem Blick, der es vermag Atmosphäre über das beschreibende Beobachten zu erzeugen" heißt es von der Fachjury. Der fragmentierte Roman sei aber auch als Frage nach der Substanz einer jeden Identität, eines jeden Lebens zu lesen. Die Übersetzung des im renommierten Grazer Droschl-Verlag erschienenen Titels "Wie viele Tage" erschien acht Jahre darauf.
Essays zu migratischer Geschichte geplant
Im Grazer Droschl-Verlag veröffentlichte Scrima 2021 mit "Kreisläufe" (engl.: Like Lips, Like Skins/Übersetzung aus dem Amerikanischen von Christian von der Goltz und der Autorin selbst) abermals ein Erinnerungsbuch, in dem sie ihre Erzählerinnenqualitäten erneut eindrucksvoll unter Beweis stellte. Anhand einer Familiengeschichte verhandelt sie einerseits Traumata, die Jugendliche in Disziplinareinrichtungen der DDR erleiden mussten ebenso wie jene, die aus selbst gewählten Bindungen erwachsen. Andererseits gelingt es ihr, Mosaiksteine – Erinnerungen, Tatsächliches und Erdachtes – zu einem einprägsamen Bild einer Existenz werden zu lassen.
Das von Scrima, die auch Chefredakteurin der englischsprachigen Literaturzeitschrift StatORec ist, eingereichte Projekt geht wiederum vom Eigenen aus, den Nachforschungen zu den Arbëresh-Ursprüngen ihrer Familie, verlagert den Blick aber auf Themenkreise, die Einwanderungsgruppen überall betreffen. So soll in Graz eine Essaysammlung unter dem Titel Displaced entstehen. Darin soll es maßgeblich um Probleme wie das Entwurzelt-Sein, Repressalien, psychische Erkrankungen oder der allmähliche Verlust der Muttersprache unter Migrantinnen und Migranten der zweiten und dritten Generation gehen.
Die feierliche Begrüßung der neuen Stadtschreiberin durch Stadtrat Riegler wird am 2. Oktober im Literaturhaus Graz stattfinden.
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