Besonderes Dorfleben – Sabine Steinacher vom VinziDorf in "Gefragte Frauen"

Echte Bereitschaft und klare Kommunikation: Sabine Steinacher steht im VinziDorf ihren Mann und ist gemeinsam mit ihrem Team die erste Ansprechperson für die Bewohner. | Foto: Jorj Konstantinov
  • Echte Bereitschaft und klare Kommunikation: Sabine Steinacher steht im VinziDorf ihren Mann und ist gemeinsam mit ihrem Team die erste Ansprechperson für die Bewohner.
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  • hochgeladen von Martina Maros-Goller

Sabine Steinacher leitet seit 2015 das VinziDorf, das alkoholkranken Männern ein Zuhause gibt.

Das VinziDorf am Leonhardplatz 900 feiert heuer sein 25-jähriges Jubiläum. 1993 gründete Vinzipfarrer Wolfgang Pucher das Containerdorf für obdachlose alkoholkranke Männer. Seit drei Jahren wird es von Sabine Steinacher geleitet, die sich mit der WOCHE über die Bewohner, Herausforderungen und Weihnachten im VinziDorf unterhält.

WOCHE: In fünf Tagen ist Heiliger Abend. Wie ist die Stimmung im VinziDorf?
Sabine Steinacher: Advent und Weihnachten sind immer ein schwieriger Zeitraum für unsere Bewohner. Es ist dunkel, kalt, regnerisch und das drückt auf die Stimmung. Die Männer sind sensibler und deprimierter, was sich auch auf ihr Trinkverhalten auswirkt.

Es wird also mehr getrunken?
Ja, bei uns ist Alkoholkonsum ja erlaubt. Die Idee des VinziDorfs ist es, jeden so anzunehmen, wie er ist, und ihn so auch leben zu lassen. Alkohol muss aber selbst finanziert werden. Um die Feiertage herum wird daher mehr getrunken und die Männer sind auch betreuungsintensiver.

Wie sieht Weihnachten im VinziDorf aus?
Wir haben jedes Jahr eine gemeinsame Feier, zu der auch Pfarrer Wolfgang Pucher kommt. Es ist ein wirklich schönes Fest, das um 17 Uhr mit gemeinsamen Geschichten und Liedern beginnt. Nach dem Abendessen ruft das VinziBett aus Wien an, und wir singen gemeinsam, über Lautsprecher am Handy, "Stille Nacht, heilige Nacht". Zum Teil sehr falsch, aber mit viel Hingabe und Liebe.

Also ganz anders als das "klassische" Weihnachten?
Ja, und für mich war es im ersten Jahr enorm schwierig, Weihnachten ohne meine Familie zu verbringen. Immerhin habe ich 46 Jahre lang nichts anderes gekannt. Aber Weihnachten im VinziDorf hat eine enorme Emo­ti­o­na­li­tät. Und ich möchte dieses Erlebnis nicht missen.

Wie kamen Sie zu Ihrem Job im VinziDorf?
Mein Werdegang war alles andere als klassisch. Zuerst war ich – 23 Jahre und sieben Monate, um genau zu sein – in einer Grazer Versicherung im Personalbereich tätig. Es war eine gute Zeit, in der ich viel gelernt habe. Und dafür bin ich auch dankbar. Mit 40 wollte ich aber eine Veränderung: Unser Haus war fertig, die Kinder waren nicht mehr so klein, und daher entschloss ich mich, mich für das FH-Studium "Soziale Arbeit" einzuschreiben. Das war aber ein langer Prozess und keine einfache Entscheidung, aber ich bereue sie keineswegs. In dieser Zeit habe ich nicht nur fachlich, sondern auch über mich selbst enorm viel gelernt, wollte aber nie mit Jugendlichen oder Alkoholkranken arbeiten.

Da passt das VinziDorf gar nicht.
Korrekt (lacht). Nach meinem Studium hatte ich mit Projektkoordination zu tun, aber ich wollte direkt mit Menschen arbeiten, daher landete ich hier. Die erste Woche war eine der schlimmsten meines Lebens. Ich war mit allem heillos überfordert. Und es herrschte Chaos pur. Jetzt lache ich darüber und bin unglaublich froh, wie es sich entwickelt hat.

Mit 39 Männern ist das VinziDorf komplett voll. Wie behauptet man sich hier als Frau?

Die Männer sind ehrlich und sie merken auch, wenn das Interesse an ihnen ehrlich oder gespielt ist. Man kann von ihnen unglaublich viel lernen, wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen. So weiß ich jetzt, wie man Schnaps aus Orangensaft brennt (lacht). Manchmal muss man hart durchgreifen, aber die Gemeinschaft im VinziDorf ist wirklich eine besondere. Die Männer wirken rau, sind aber sehr sensibel. Und wir haben viel Spaß, denn ohne Lachen wäre es noch dramatischer.

Ihr Wunsch ans Christkind ...?
Am Schönsten wäre es, wenn es uns nicht geben müsste, aber das ist leider nicht realistisch. Immer mehr Menschen fallen aus dem System, erkranken psychisch und werden alkoholkrank. Da sind wir als Gesellschaft gefordert, ein Auffangnetz zu bieten. Daher sind wir auch allen Spendern und unseren rund 75 Ehrenamtlichen sehr dankbar, die Großartiges leisten.

WOCHE-WORDRAP

Das VinziDorf ist ... ein bunter und vielfältiger Ort voller Liebe und Chaos.
Zum Lachen bringt mich ... jeden Tag etwas anderes.
Ich schätze ... Offenheit und Ehrlichkeit.

STECKBRIEF

Geboren am 26. Juli 1965
Verheiratet, 2 Kinder, 3 Enkel (12, 3 und 2,5 Jahre)
1983 bis 2005: Versicherungsangestellte in Graz
2005 bis 2009: FH 'Soziale Arbeit'
Seit 2010 im VinziDorf-Leitungsteam
Hobbys: Natur, Familie, Hunde

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