Familienflüsterer Dr. Streit
Gelingende Erziehung in herausfordernden Zeiten

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Es ist herausfordernd: Mit den Kindern muss zuhause lernen und nebenbei im Homeoffice die Arbeit erledigen. Keiner kann so richtig raus, wenn nur für kurze Zeit. Wie kann da ein geordnetes und liebevolles Familienleben funktionieren?

Es sind zwei Dinge, auf die es ankommt, sagen Philip Streit und Haim Omer: Resonanz und Kontinuität. Resonanz bedeutet, dass Sie mit den anderen, Ihren Kindern, Ihrem Partner ins Schwingen kommen, indem Sie sie wertschätzen und ihre Außergewöhnlichkeit und Einzigartigkeit bemerken.
Kontinuität meint drei Dinge. Erstens, funktionale Kontinuität: Trotz Schwierigkeiten planen und führen Sie weiterhin einen geordneten Tagesablauf für sich und Ihre Lieben. Zweitens, zwischenmenschliche Kontinuität: Sie halten gute Beziehungen zu Ihren Freunden, Ihren Nachbarn und Co aufrecht und pflegen sie virtuell. Drittens, persönliche Integrität und Kontinuität: Sie verstehen die Situation als Ganzes wie sie ist und können sie einordnen. Sie verfügen über Möglichkeiten, innere Stärken und Ressourcen, um sie handzuhaben und haben sinnvolle, positive Ziele, für die es sich lohnt, sich zu engagieren.
Gerade Kinder brauchen Resonanz und Kontinuität. Sie brauchen funktionierende Abläufe, gute Kontakte, die online weitergepflegt werden, und das Gefühl, dass sie wer sind und dass sie etwas zustande bringen. So bilden sich Sätze wie „ich bin ein guter Schüler“, „ich liebe meinen Sport“, „ich habe eine Menge Freunde“ oder „meine Eltern lieben mich und ich liebe sie“.

Tipps

Hier nun einige Tipps, die sich aus dem Resonanz- und Kontinuitätsprinzip in der Erziehung ergeben.

1. Tun Sie alles in Schwingung mit sich selbst und auch mit anderen. Das geht am besten indem Sie liebevoll zu sich selbst und zu anderen sind und sie wertschätzen.

2. Entwickeln Sie eine klare Struktur Ihres Tagesablaufes zu Hause. Haben Sie einen festen Zeitpunkt und Plan am besten gleich morgens, wenn gelernt wird. Haben Sie eine fixe Struktur, wann und wo ihr Homeoffice ist. Sie können ja dann noch flexibel damit umgehen. Führen Sie ein, dass Sie wieder miteinander essen und kochen Sie auch gemeinsam. Das festigt und stärkt.

3. Lassen Sie nicht zu, dass sich Ihre Kinder stundenlang auf Ihr Zimmer zurückziehen oder sich dort verbarrikadieren. Privatheit ist okay, der Missbrauch von Privatheit nicht, denn er schadet der dringend notwendigen Gemeinschaft.

4. Nutzen Sie die neuen Medien. Geben Sie ihre Zurückhaltung auf. Schreiben Sie Emails, telefonieren Sie, nutzen Sie Whatsapp und andere Dienste. Verwenden Sie Skype oder Zoom, um Familienkonferenzen regelmäßig einmal in der Woche zu machen. Sie machen das ja wahrscheinlich auch für Ihre beruflichen Tätigkeiten.

5. Vernetzen Sie sich. Nutzen Sie die Zeit, um gerade jetzt über neue Medien beziehungsweise online mehr mit Lehrern oder Fußballtrainern zu sprechen. Holen Sie gute Freunde und Verwandte zur Unterstützung an Bord und unterstützen Sie sie.

6. Zeigen Sie her, was Sie zu Hause geschafft haben. Präsentieren Sie die Leistungen von Ihnen aber vor allem auch die von Ihren Kindern. Zum Beispiel wenn ihre Kinder etwas zum Haushalt beitragen oder fleißig schulische Leistungen erarbeitet haben. Das macht Sie, Ihren Partner aber ganz besonders auch Ihre Kinder stolz.

7. Atmen Sie tief ein und aus und verzögern Sie so Ihre erste Reaktion auf brenzlige Situationen, wenn Ihnen trotz allem einmal die Nerven durchgehen. Emotionen, auch negativer Natur, haben die Eigenheit nach 40-60 Sekunden wieder zu vergehen. Machen Sie eine kleine Pause und gehen Sie, wenn möglich, in einen Nebenraum oder ins Freie.

So entstehen neue Möglichkeiten und neues Wachstum. Sie können innehalten, um sich selbst und die Anderen zu bemerken. Sie erkennen wie wichtig und bedeutsam die Anderen für Sie sind und was Zusammenhalt alles schafft. Soziale Distanz zu allen außerhalb der Familie ist äußerlich wichtig, doch innerlich braucht es eine Haltung der Zugewandtheit und Positivität.

Dr. Streit beantwortet jede Woche brisante Familienfragen. | Foto: Jorj Konstantinov
  • Dr. Streit beantwortet jede Woche brisante Familienfragen.
  • Foto: Jorj Konstantinov
  • hochgeladen von Anna-Maria Riemer

Der Experte

Philip Streit ist klinischer Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut, Lebens- und Sozialberater.
Seit 1994 leitet er das „Institut für Kind, Jugend und Familie“ in Graz, das unter anderem psychologische Lernbetreuung anbietet.
Telefon: 0316/77 43 44
Web: www.ikjf.at
Leser-Fragen bitte an: redaktion.graz@woche.at oder per Post an „WOCHE Graz“, Gadollaplatz 1/6. Stock, 8010 Graz

Dr. Streit beantwortet jede Woche brisante Familienfragen. | Foto: Jorj Konstantinov
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