Menschsein als Botschaft – Radka Denemarková in "Gefragte Frauen"

Literatur als Le­bens­eli­xier: Radka Denemarková hat unter anderem acht Romane publiziert. Der zweifachen Mutter sind Mut, Empathie und Sensibilität wichtig – das erwartet sie auch von ihren Lesern. | Foto: Jorj Konstantinov
  • Literatur als Le­bens­eli­xier: Radka Denemarková hat unter anderem acht Romane publiziert. Der zweifachen Mutter sind Mut, Empathie und Sensibilität wichtig – das erwartet sie auch von ihren Lesern.
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Eine Kosmopolitin, die ihr Zuhause derzeit am Grazer Schloßberg hat: Die tschechische Schriftstellerin Radka Denemarková ist mehrfach ausgezeichnete Autorin und wirkt noch bis August durch das von der Stadt Graz vergebene Literaturstipendium als Stadtschreiberin in Graz. Die WOCHE durfte sie im Cerrini-Schlössl am Schloßberg besuchen.

WOCHE: Ihr Jahr in Graz neigt sich langsam dem Ende zu. Wie blicken Sie darauf zurück?
Radka Denemarková: Es war ein fantastisches und sehr intensives Jahr. Ich bin unfassbar glücklich, dass mein 1.000-seitiger Roman fertig geworden ist. Weiters habe ich an der Universität unterrichtet, Lesungen veranstaltet und Texte für Literaturzeitschriften geschrieben. Es wird nicht einfach, Abschied von Graz zu nehmen.

Ihre Romane werden in 22 Sprachen übersetzt. Ehrt Sie das?
Natürlich ist es sehr schön, dass die eigene Literatur so viele Menschen begeistert. Es war auch schwer, so weit zu kommen. Ich musste sehr für meinen Erfolg kämpfen – vor allem als alleinerziehende Mutter in einer männerdominierten Welt.

Sie arbeiten gerne mit Frauen zusammen. Warum?
Frauen sind professionell, hochintelligent und klug. Sie besitzen aber auch Empathie und soziale Intelligenz und das fehlt Männern oft. Mir ist es wichtig, dass die Menschen in meinem professionellen und privaten Umfeld offen und menschlich sind und nie den Charakter aus dem Blick verlieren. Ich habe ein Problem mit dem Wort Feminismus, es betrügt sich selbst und hilft Männern. Für mich sind Frauenrechte Menschenrechte. Es muss aber deutlich gezeigt werden, dass es starke Frauen gibt und dass sie nicht immer in der zweiten Reihe stehen müssen.

Wer ist für Sie eine starke Frau?
An Angela Merkel schätze ich, wie lange und wie konstant sie in der Weltpolitik den Ton angibt. Die Frauen rund um die #metoo-Bewegung bewundere ich – es braucht viel Kraft und Stärke diese Probleme aufzuzeigen. In der Literatur mag ich Virgina Woolf, weil sie kompromisslos ihre Literatur verteidigt hat.

Seit wann schreiben Sie?
Meine besten Texte habe ich mit 14 Jahren verfasst. Diese noch unpublizierten Texte hat mein Vater ohne mein Wissen aufbewahrt und ich habe sie erst nach seinem Tod entdeckt. Für mich ist Literatur mit dem Leben verbunden, daher ist das Leben meine Inspiration. Meine persönlichen Umstände, aber auch die Weltereignisse beeinflussen mein Wirken.

Was ist ein gutes Buch?
Ein gutes Buch lügt innerlich nicht. Die Seele des Lesers merkt, wenn der Autor für die Sprache gekämpft hat oder seine innere Stimme nicht aufrichtig ist. Daher lese ich auch nie etwas, wenn ich schreibe, weil es meine Sprache verdirbt. Wenn ich aber nicht schreibe, lese ich wie besessen.

Sie kommen aus Tschechien, haben die Welt bereist, wohnen in Graz. Wo sind Sie zuhause?
Ich bin Kosmopolitin und überall dort zuhause, wo ich gute Freunde finde. Auch Schwalben brauchen ihr Nest, wohin sie immer zurückkehren. Ich hasse das Wort Heimat, denn dieses Denken führt zu vielen Problemen. Muttersprache ist wichtig, denn diese hat jeder Mensch unter der Haut. Mit dieser Sprache sind die ersten Gefühle verbunden, mit denen die Welt entdeckt wird.

Was wird Ihnen von Ihrem Jahr in Graz in Erinnerung bleiben?
Es ist eine wunderbare Stadt und ich bin Grazerin im Herzen. Am Schloßberg bietet die herrliche Ruhe eine ideale Arbeitsatmosphäre. Mein Spitzname ist die Schwalbe vom Schloßberg und ich habe mich mit meinen vier Eichhörnchen, die mich besuchen, angefreundet. Graz hat eine vielfältige Kulturlandschaft und ich werde die Menschen, die ich kennengelernt und Freundschaften, die ich geschlossen habe, vermissen und für immer tief im Herzen tragen.

WOCHE-WORDRAP


Ich schreibe ... weil ich lebe.
An Graz mag ich ... alles.
Meine liebste Romanheldin ... Pippi Langstrumpf, weil sie mutig ist und das Leben absolut liebt.

STECKBRIEF

Geboren 1968 in Tschechien
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Viele Preise als Autorin, Drehbuchautorin, Dramatikerin, Übersetzerin und Essayistin
Bücher (Auszug): Ein herrlicher Flecken Erde, Beitrag zur Geschichte der Freude

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