Dr Streit
Schamgefühle sind die "Hüter der Würde"
Dr. Philip Streit erklärt, warum Schamgefühle für Beziehungen wichtig sind.
Untersuchungen mit Babys zeigen: Scham ist angeboren. Sie tritt auf, wenn wir etwas tun, denken oder fühlen, was vermeintlich nicht der Norm entspricht. Deshalb wird die Scham in der Literatur oft auch als "die Hüterin der Würde" bezeichnet. Das Schamgefühl sollte allerdings auch das richtige Niveau haben. Ist es zu hoch, verlieren wir unsere Sprache. Ist es zu niedrig, sind wir respektlos.
Hier einige Tipps, wie man Schamgefühle im Alltag erkennen und diese für sich und gelingende Beziehungen nutzen kann:
1. Wenn es hoch hergeht und belastend ist, sich Sprach- und Beziehungslosigkeit einstellen, dann denken Sie daran, dass Scham im Spiel sein könnte.
2. Wischen Sie Ihre Schamgefühle, auch wenn sie unangenehm sind, nicht einfach ärgerlich weg.
3. Gehen Sie mit sich und anderen respektvoll und achtsam um. Sagen Sie sich: "So ist das jetzt eben, ich bin okay."
4. Setzen Sie Zeichen der Begegnung. Versetzen Sie sich in die Schuhe des anderen und sagen Sie sich: "Dich mag ich – ich unterstelle dir positive Absichten."
5. Verwenden Sie Entschuldigungen freigiebig. Sagen Sie: "Entschuldige, du hast Recht." Das schafft Begegnungsmöglichkeiten und macht ein konstruktives Umgehen wieder möglich.
6. Wenn Scham- und Respektlosigkeit vorherrschen, leisten Sie Widerstand, machen Sie das Verhalten öffentlich. Nutzen Sie dazu folgende Formel: feststellen, bewerten, entschämen.
7. In Erziehungssituationen ist Streit das Kennzeichen für Scham. Respektieren Sie sich gegenseitig, unterstellen Sie sich gute Absichten und stellen Sie das Gemeinsame in den Vordergrund.
Auf diese Art und Weise können Schamgefühle, die sich am liebsten verstecken, eingesetzt werden für ein friedliches Miteinander – gerade auch vor Weihnachten.
Der Experte:
Dr. Philip Streit
Philip Streit ist klinischer Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut, Lebens- und Sozialberater.
In seinem neuen Buch "Coolness, Scham und Wut bei Jugendlichen" zeigt er Eltern und Interessierten, welche Kraft in "Neuer Autorität" und "Positiver Psychologie" steckt.
Telefon: 0316/77 43 44
Web: www.ikjf.at
Leser-Fragen: redaktion.graz@woche.at oder an „WOCHE Graz“, Gadollaplatz 1/6. Stock, 8010 Graz
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