WOCHE-Familienflüsterer
Vegane Ernährung bei Kindern

Auch vegane Ernährung ist bei Kindern möglich, allerdings bedingt dies laut Familienflüsterer Philip Streit besondere Achtsamkeit. | Foto: pixabay.com
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  • Auch vegane Ernährung ist bei Kindern möglich, allerdings bedingt dies laut Familienflüsterer Philip Streit besondere Achtsamkeit.
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Der WOCHE-Familienflüsterer und Psychologe Philip Streit verschafft einen Überblick über das Thema  "gesunde Ernährung" und hat Tipps, wie sie im Alltag gelingt.

Tipps zur gesunden und richtigen Ernährung begegnet man überall. Uns wird mitgeteilt was und wie viel wir wann essen dürfen. Unsere Ernährungsmuster und unsere Einstellungen teilen wir dann mit unseren Kindern. Ganz vorne mit dabei ist hier die vegane Ernährung, das bedeutet kein Fleisch, kein Fisch und keine Produkte von Tieren, also keine Eier, keine Milch, kein Honig und dergleichen.
 

Achtung vor Mangelerscheinungen

So toll und umweltbewusst eine vegane Ernährung ist, so problematisch kann sie auch sein. Vor allem bei Neugeborenen, schwangeren und stillenden Frauen ist es extrem wichtig Wert darauf zu legen, dass alle essentiellen Vitamine und Zusatzstoffe in der Ernährung enthalten sind. Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen ist es grundsätzlich gut möglich Kinder vegan zu ernähren. Eltern müssen jedoch, im Vergleich zu anderen Ernährungsrichtungen, weitaus genauer darauf achten, dass ihre Kinder keine Mangelerscheinungen zeigen. Gefährlich wird es dann, wenn Kinder nicht alle essenziellen Vitamine, zum Beispiel B12, mit der Nahrung bekommen und in Folge Entwicklungs- oder Wachstumsverzögerungen drohen.

Wie Widerstand wächst

Zweifelsohne ist jedoch auch fettreiche, fleischreiche Ernährung ohne Gemüse und Ballaststoffe nicht sonderlich gesund. Doch leider fällt uns auf, dass wenn wir unseren Kindern "vordozieren" was gesund ist und was sie zu essen haben, es in ihnen nur Widerstand weckt und sie essen genau das Gegenteil. Dies liegt weniger an der grundsätzlichen Ablehnung von gesundem Essen sondern an einem simplen psychologischen Phänomen: Widerstand gegen gut gemeint Ratschläge der Eltern bringt dem Kind Aufmerksamkeit, Bedeutung und stellt es in den Mittelpunkt.

Evolutionsbiologische Regelwerk

Grundsätzlich können wir uns darauf verlassen, dass unsere Kinder auf Dauer von selbst das Richtige zu sich nehmen werden, da unsere Ernährung evolutionsbiologischen Grundsätzen folgt. „Iss nie etwas Giftiges“ ist der erste Grundsatz, was für uns bedeutet „Iss nur das was dir bekannt ist“. Der zweite Grundsatz lautet: „Iss nie zu viel nur von einer Sache, denn dies sättigt dich einsam“. Über kurz oder lang hören daher gewisse Vorlieben auf und neue Bedürfnisse entstehen. Der letzte evolutionsbiologische Grundsatz lautet, dass Süßes uns mehr anzieht als Saures.

Dieses evolutionsbiologische Regelwerk kann ins Wanken geraten, wenn Eltern alles besser wissen, Druck machen und nicht achtsam sind. Wir haben es nämlich selbst in der Hand, dass Kinder, ausgehend von diesen Grundlagen, für sich selbst die richtige Dosis und die richtige Ernährung entdecken. Wie Tobias Esch schon sagte: „Nichts ist giftig an sich, es kommt immer auf die Dosis an.“

Tipps

Hier nun einige Tipps dazu, wie Sie mit Umsicht ihre Kinder zu einer ausgewogenen Ernährung leiten können:

1. Checken Sie selbst Ihre Ernährungsgewohnheiten. Seien Sie dabei Vorbild in dem was Sie wann, wo und wie essen. Auf die Ausgewogenheit, Leichtigkeit und Dosis kommt es an.
2. Essen Sie gemeinsam mit Ihren Kindern. Essen ist ein kommunikativer Akt der sozialen Begegnung. Das gemeinsame Reden trägt maßgeblich zum Wohlbefinden bei. Vermeiden Sie Streits beim Essen und versuchen Sie diese auf später zu verlagern.
3. Führen Sie eine Regel zu Hause ein: Probieren ist Pflicht! Bevor man ein Urteil abgibt, ob man etwas mag oder nicht, soll das Essen probiert werden.
4. Kochen Sie mit Ihren Kindern. Entdecken Sie gemeinsam Nuancen, Genüsse und Gerüche und kosten Sie regionales und saisonales.
5. Vertrauen Sie darauf, dass Ihre Kinder das Richtige für sich finden. Wenn sie einmal zu lange etwas einseitig essen, dann lassen Sie sie. Ihre Kinder werden sich bald für etwas Neues interessieren. Druck und Regeln schaffen nur Widerstand und unerwünschte Aufmerksamkeit.
6. Zelebrieren Sie den Genuss von Essen.
7. Sie können durchaus vegan oder vegetarisch essen, aber seien Sie dabei achtsam. Dies hat auch den Vorteil, dass Sie so Ihre Sinne und Ihre Genauigkeit schärfen können.

So wird es Ihnen gelingen aus der Diktatur der gesunden Ernährung, für sich und Ihre Kinder eine Chance zu mehr Wohlbefinden und Begegnung zu machen.

Der Experte

Philip Streit ist klinischer Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut, Lebens- und Sozialberater.
Seit 1994 leitet er das „Institut für Kind, Jugend und Familie“ in Graz, das auch jetzt für Sie unter 0316/77 43 44 da ist.
Web: www.ikjf.at
Leser-Fragen bitte an: redaktion.graz@woche.at

Auch vegane Ernährung ist bei Kindern möglich, allerdings bedingt dies laut Familienflüsterer Philip Streit besondere Achtsamkeit. | Foto: pixabay.com
Der Experte: Dr. Philip Streit | Foto: Konstantinov
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