Interview
Christoph Zirngast verteidigt das AMA-Gütesiegel
Nach der jüngsten Anzeige des "Vereines gegen Tierfabriken" stand Christoph Zirngast, Obmann der Bezirksbauernkammer Leibnitz, MeinBezirk Rede und Antwort. Was er vom AMA-Gütesiegel und anderen Vorwürfen sagt, erfährst du hier.
Die Landwirtschaft hat derzeit mit vielen Herausforderungen (Teuerung der Futterpreise, immer strengere Auflagen, starke Konkurrenz aus dem Ausland, etc.) zu kämpfen. Nun wurde der nächste Missstand in der Südsteiermark beim einem AMA-Gütesiegel-Betrieb aufgedeckt. Wie sollen Konsumentinnen und Konsumenten hier noch Vertrauen zur heimischen Landwirtschaft haben?
Christoph ZIRNGAST: Ja, dieses Vertrauen ist weiterhin gerechtfertigt. In der Tierhaltung, unabhängig von den Haltungsbedingungen, kommt es immer wieder zu Krankheitsfällen, gesundheitlichen Problemen oder Verletzungen, das liegt in der Natur der Sache.
Alle Lebewesen reagieren auf z.B. Futterumstellung, Wetterlage, neuer Stall oder Umstallen in eine neue Gruppe an Tieren anders. Da ist es egal ob der Betrieb 2000 oder 50 Tiere hält, das kann vorkommen. Und glauben Sie mir, jede Tierhalterin bzw. jeder Tierhalter ist bemüht, seine Tiere gesund zu halten und im Krankheitsfall bestens zu versorgen. Nur gesunde Tiere bringen auch dementsprechend gute Leistungen und schlussendlich die vom Markt gewünschte Qualität an Lebensmittelprodukten.
Die Verunsicherung der Konsumentinnen und Konsumenten ist groß? Ist ein Gütesiegel nur noch ein Etikettenschwindel?
ZIRNGAST: Nein, auf keinem Fall. In der Steiermark und auch in Österreich gibt es zahlreiche Qualitätssiegel, wie beispielweise das AMA-Gütesiegel. Ein Gütesiegel, welches von der Produktion auf unseren Höfen, über die Schlachtbetriebe bis hin zum Handel mit einem Kontrollnetz versehen ist. Auch unsere Amtstierärztinnen und Amtstierärzte leisten hierzu einen wesentlichen Beitrag.
Ich habe selbst einige Zeit als AMA-Kontrollor und danach auch in der steirischen Fleischkontrolle gearbeitet und ich bin überzeugt, dass hier von allen gemeinsam eine sehr gute Arbeit geleistet wird. Wenn Missstände auftreten, werden diese sofort den zuständigen Behörden gemeldet und das Gütesiegel wird dem betroffenen Betrieb sofort entzogen.
Das Fleisch im Supermarkt ist im Vergleich zu anderen Produkten des täglichen Bedarfs noch leicht erschwinglich. Müssen diese Billig-Angebote tatsächlich sein?
ZIRNGAST: Den Preis im Regal entscheidet das Handelsunternehmen. Als Landwirtinnen und Landwirte haben wir darauf keinen Einfluss. Unsere gesellschaftliche Struktur erfordert auch, das günstige Produkte angeboten werden. Oftmals ist zu beobachten, dass Fleisch in Billig-Angeboten nicht aus Österreich stammt.
Die Landwirtinnen und Landwirte fühlen sich oft als Opfer mit einem minderen Einkommen. Doch die Außenwirkung ist in vielen Fällen eine andere: Der Fuhrpark wächst und die großen Betriebe werden immer größer und größer und schlucken die Kleinen. Muss das sein?
ZIRNGAST: Zwei Drittel unserer landwirtschaftlichen Betriebe sind Nebenerwerbsbetriebe. Das bedeutet, dass zumindest ein überwiegender Teil des Familieneinkommens außerhalb der Landwirtschaft unselbstständig erarbeitet wird. Persönlich finde ich das Wort „Opfer“ in diesem Kontext unangebracht. Insbesondere die Nebenerwerbslandwirtschaft ist im Zusammenspiel von Markt, Handel, Konsument und Produzent das schwächste Glied.
Vollerwerbsbetriebe müssen ausreichend Flächen bewirtschaften und haben in Bezug auf Ernteausfälle ein hohes Risiko zu tragen. Zur Bewirtschaftung ihrer Betriebe ist ein demenentsprechender Maschineneinsatz erforderlich. Hier geht es grundsätzlich um Effizienz bei Anbau-, Pflege- und Erntearbeiten. Auch gesetzliche Vorgaben und Maßnahmen, wie z.b. die Reduzierung des Einsatzes vom Pflug, führen unweigerlich zu einer Erweiterung des Fuhrparks.
Grundsätzlich sind Landwirte und Landwirtinnen Unternehmer. Das bedeutet, sie sind selbstständig tätig und tragen die gesamte Sozialversicherung, Pensionsversicherung und alle weiteren Abgaben selbst. Einen bezahlten Urlaub oder Krankenstand gibt es nicht.
Ist das derzeitige Fördermodell für die landwirtschaftlichen Flächen noch zeitgemäß? Sollte hier nicht eine Umverteilung stattfinden, damit auch kleine innovative Betriebe überleben können?
ZIRNGAST: Vielen Landwirtinnen und Landwirten wäre es wesentlich lieber, nicht auf Ausgleichszahlungen angewiesen zu sein, sondern würden sich schlicht und einfach einen angemessenen Preis für ihre Produkte wünschen. Aus meiner Sicht sollte die Wertschätzung gegenüber unseren heimisch produzierten Produkten schon längst in eine dementsprechende Wertschöpfung für unsere Betriebe übergehen.
Ich richte daher ganz klar den Appell an alle Konsumentinnen und Konsumenten, ausschließlich regional produzierte Produkte zu kaufen. So lange aber von der Gesellschaft Lebensmittel zu günstigen Preisen verlangt werden, ist auch eine Produktion ohne Ausgleichszahlungen an die Betriebe nicht möglich. Nebenbei wird unser Lebensraum ja auch von den Landwirtinnen und Landwirte gepflegt und bleibt als Kulturlandschaft für uns alle dadurch erhalten.
Was wird die Vertretung der Landwirtinnen und Landwirte unternehmen, um das Vertrauen der Bevölkerung wieder gewinnen zu können?
ZIRNGAST: Meiner Meinung gibt es dieses „verlorene Vertrauen“ in dieser Art nicht. Verlorengegangen ist vielmehr das Wissen um die Bedeutung der einheimischen Produktion von Lebensmitteln und der damit verbundenen Arbeitsweise. Die Konsumentinnen und Konsumenten können sich darauf verlassen, dass die Landwirtinnen und Landwirte qualitativ hochwertige Produkte regional produzieren. In Österreich gelten im Vergleich zu anderen Ländern wesentlich höhere Standards.
Dieses vermeintlich schwindende Vertrauen war in der Zeit der Lockdowns nicht sichtbar und für die Landwirtinnen und Landwirte auch nicht spürbar. Nachdem jetzt wieder alles so ist, wie vor der Pandemie und der Fokus des Konsums wieder vermehrt auf Luxusgüter gesetzt wird, kann das als verlorenes Vertrauen missdeutet werden.
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