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Wien neu entdeckt: Vom Stock im Eisen nach Währing
Gut versteckt hinter Rathaus und der Baustelle der U2/U5 im kleinsten Wiener Bezirk - in Josefstadt. Auch ich verirre mich hierher eher zufällig. Auf einem Bankerl in Frühlingssonne genieße ich 15 Minuten Quality Time. Es ist schön ruhig hier. Eine Mama stillt ihr Baby, zwei Damen im Pensionsalter sind auf einen mitgebrachten Kaffee aus Thermoskanne verabredet.
Wo ich hier bin? Nur eine Quergasse ist es von der Landesgerichtsstraße entfernt bis man in der Wickenburggasse steht. Ein kleines Platzerl, der dem "Stock im Eisen" gewidmet ist. Dieser Stock ist in einem grünen Rondell aus Rosen gefasst. Es ist dieser Stock, den man als sagenumwobene Sehenswürdigkeit vom Stephansplatz kennt. Ist es also ein fake? Eine Tafel gibt Auskunft - es ist ein Symbol und Andenken an das Jubiläum der Gründung der Schlosserinnung in Wien. Warum gerade hier, bleibt freilich offen. Trotzdem erinnere ich mich belustigt an die Sage vom Schlosserlehrling, der einen Pakt mit dem Teufel schloss. Jedenfalls ein Geheimtipp für Wiener:innen, die ihren Stock im Eisen ohne Tourist:innen bewundern möchten.
Ich geniesse die Sonnenstrahlen noch eine Weile und breche dann weiter Richtung Altes AKH auf. Dank Baustelle ist hier weniger Verkehr als sonst. Auf der rechten Seite der Universitätsstraße nehme ich mir Zeit das Holocaust-Denkmal der Wiener Jüd:innen zu besichtigen. Es ist ein mit großen Betonblöcken umstellter Platz. Alphabetisch sind auf den Blöcken die Namen der in Holocaust ermordeten Wiener aufgeschrieben. Hier und da liegen Steinchen, selten ein Blumenkranz vor den Blöcken. Auch das ist Wien. Eine Erinnerung an eine hässliche Fratze aus Stolpersteinen.
Von hier nehme ich den Weg durch das Alte AKH. Studierende auf den Bänken jausen und quatschen zwischen den Vorlesungen. Sommersemester hat gestartet. Krähen spazieren selbstbewusst kreuz und quer über meinen Weg und suchen nach Ästen für ihr Nestbau. Lokale werben mit verlockenden Angeboten.
Anders als sonst nehme ich keine Straßenbahn, sondern nehme auch noch das AKH ins Visier. An Altbau-Gebäuden vorbei stehe ich bald wieder vor einer Baustelle. Von einer Richtung kommen Menschen - dort muss es also einen Durchgang geben. Wie Ameise in einem gigantischen Ameisennest orientiere ich mich intuitiv durch die Wege und komme irgendwann um die Ecke zur U6 Michelbeuern.
Von da ist es nur noch ein Katzensprung nach Währing. Begleitet von Gezwitscher nehme ich hier Schienenersatz bis Vinzenzgasse und spaziere an einer weiteren Baustelle vorbei. Ich könnte jammern, dass ich eine oder zwei Stationen jetzt zu Fuß gehen muss. Doch das würde nichts bringen, also freue ich mich, dass mich auch diese Baustelle nicht in Stress bringen wird. Es ist hier, in der Kreuzgasse, ruhiger als sonst. Man hört plötzlich, was im Vorbeidonnern einer Straßenbahn untergehen würde. Ein pfeifender Bauarbeiter konzentriert auf seine Arbeit, weitere zwei besprechen gerade, was weiter zu tun ist, oberhalb eine ganze Sippe zufriedener Tauben, schließlich ein penibler Specht vertieft in Futtersuche.
Am Ende ist es diese Koexistenz von Mensch, Natur und Kultur, die Wien so lebens- und liebenswert machen. Den Baustellen zum Trotz 😊.
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