Contact-Tracing-Apps
Darf man Privatsphäre einschränken, um andere zu schützen?

Die Stopp-Corona-App vom Roten Kreuz soll die Ausbreitung des Virus verlangsamen. Kritiker befürchten eine Verletzung des Datenschutzes.  | Foto: Österreichisches Rotes Kreuz
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  • Die Stopp-Corona-App vom Roten Kreuz soll die Ausbreitung des Virus verlangsamen. Kritiker befürchten eine Verletzung des Datenschutzes.
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In Österreich wird darüber diskutiert, ob eine verpflichtender Einsatz der "Stopp-Corona-App" rechtlich möglich wäre. Das sei unter gewissen Umständen legitim, erklärt Menschenrechtsexperte Michael Lysander Fremuth.  

ÖSTERREICH. Wie weit dürfen Staaten gehen, um das Recht auf Datenschutz und Privatsphäre zum Wohl der Allgemeinheit einzuschränken? Sogenannte "Contact-Tracing-Apps" werfen diesbezüglich einige Fragen auf. Das hängt von der Rechtslage im jeweiligen Land ab, beantwortet Rechtswissenschaftler Michael Lysander Fremuth, Leiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Menschenrechte und Professor an der Universität Wien im Gespräch mit Ö1 diese Frage. Denn Global gebe es kein einheitliches Datenschutzniveau. In Europa sei man im Gegensatz zu den USA und asiatischen Ländern sensibel, was den Schutz personenbezogener Daten angehe, so Fremuth. Der Staat dürfe jedoch unter bestimmten Voraussetzungen Daten erheben, auswerten und daraus Schlüsse ziehen, müsse sich dafür allerdings rechtfertigen, erläutert der Rechtswissenschaftler. 

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Rückblick: App als Pflicht?

Ein Rückblick: Die "Stopp Corona App" des Roten Kreuz soll mittels "Contact-Tracing" helfen, die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen. "Dazu dient als Kernstück ein Kontakt-Tagebuch, indem persönliche Begegnungen mittels 'digitalem Handshake' anonymisiert gespeichert werden",  heißt es auf der Webseite des Österreichischen Roten Kreuz. Treten bei einer Person Symptome einer Corona-Erkrankung auf, wird man als Kontakt automatisch benachrichtigt und gebeten, sich selbst zu isolieren. Anfang April sorgte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) für Aufregung: Er plädierte dafür, die "Stopp Corona App" verpflichtend zu machen, revidiert aber anschließend seine Meinung. Die Regierung beschwichtigt wenig später, die App solle freiwillig heruntergeladen werden können. Nutzer sollen keine Vorteile gegenüber Personen erhalten, die sich gegen die App entscheiden, hieß es.

Gerry Foijtik: Noch mehr sollen App nutzen

Die "Stopp Corona-App" des Roten Kreuzes sei "nicht praxistauglich", urteilte die Datenschutzorganisation ARGE Mitte April. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein aufgezeichneter "Match" auch ein tatsächlicher Kontakt innerhalb von zwei Metern sei, liege bei weniger als einem Promille. Die App wiege die Menschen daher in "falscher Sicherheit". Zuletzt erklärte Kanzlerberaterin Antonella Mei-Pochtler, die europäischen Länder müssten sich an Tools gewöhnen, die "am Rand des demokratischen Modells" seien. Sie gehe davon aus, dass etwa bei Reisen eine entsprechende App verpflichtend sein werde, sagte Mei-Pochtler gegenüber der britischen Wochenzeitung "Financial Times" am Montag. Die Regierung betonte daraufhin erneut die Freiwilligkeit der App. Noch mehr Menschen sollten die Stopp-Corona-App nutzen, damit sie erfolgreich sein könne, plädierte Bundesrettungskommandant Gerry Foitik bei einer ersten Bilanz des Österreichischen Roten Kreuz am Mittwoch. Die App sei ein "wichtiges Instrument", nur durch Freiwilligkeit könne es Akzeptanz dafür geben, so Foitik. Über 560.000 Downloads wurden bisher verzeichnet.

Menschenrechtsexperte: "Das Recht auf Datenschutz gilt nicht absolut"

Grundsätzlich entscheide jeder selbst, unter welchen Voraussetzungen man personenbezogenen Daten mitteile bzw. zur weiteren Verarbeitung freigebe, so Menschenrechtsexperte Fremuth zu Ö1. Ein freiwilliger Download ist also unproblematisch. Verordnet der Staat jedoch das Herunterladen der App ändere sich das: „Erhebe ich individualisierbare Daten und erstelle Bewegungsprofile, betrifft dies das Grundrecht auf Datenschutz, wie es in Österreich auch im Verfassungsrecht steht. Allerdings muss man beachten, dass auch das Recht auf Datenschutz nicht absolut gilt“, erklärt er.

Denn es sei legitim, den Datenschutz und die Privatsphäre erheblich einzuschränken, um die Gesundheit anderer zu schützen. Es gibt aber Regeln. „Wenn ich eine App verpflichtend einführen wollte, müsste ich zuallererst sicherstellen, dass die erhobenen Daten auch nur zu dem Zweck der Einhegung der Verbreitung des Coronavirus eingesetzt werden können und dass sie, nachdem die Krise bewältigt ist, automatisch gelöscht werden müssen“, erklärt Fremuth. Eine Totalüberwachung in Europa sei aber unzulässig, so der Menschenrechtsexperte.

Mei-Pochtler: "Jeder wird eine App haben"
So funktioniert die Stopp Corona App
"Nutzung des Rotkreuz-Apps ist eine Vertrauensfrage"

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