Offener Brief der SPÖ
Erneut Diskussion um Anspruch auf Kinderbetreuung

Das heiße Eisen Kinderbetreuung wartet in vielerlei Hinsicht auf Lösungen. | Foto: Panthermedia
3Bilder
  • Das heiße Eisen Kinderbetreuung wartet in vielerlei Hinsicht auf Lösungen.
  • Foto: Panthermedia
  • hochgeladen von Andrea Sittinger

Immer wider entbrennt in Österreich die Diskussion um den Rechtsanspruch auf eine flächendeckende Kinderbetreuung. In einem offenen Brief an die Bundesregierung hat die SPÖ wieder dazu aufgerufen, diesen Anspruch zu garantieren. Von der ÖVP, aber auch vom Österreichischen Gemeindebund, kam am Montag postwendend eine Absage.

ÖSTERREICH. Seit vielen Jahren wird über den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung diskutiert. Nun werde es Zeit, von der Diskussion in die Umsetzung zu kommen, heißt es in dem offenen Brief, den die SPÖ gemeinsam mit dem Verband Sozialdemokratischer Gemeindevertreter (GVV) und einzelnen Bürgemeisterinnen und Bürgermeistern an die Regierung geschickt hat. Es gebe dazu einen breiten gesellschaftlichen Konsens in Österreich. Industriellenvereinigung, Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund, in denen auch viele Abgeordnete der Regierungsparteien sitzen, würden sich dafür aussprechen, heißt es in dem Brief. 

Kinderbetreuungseinrichtungen seien die erste Bildungseinrichtung für unsere Kinder, die ein Recht auf Bildung haben, heißt es weiter. Es gehe um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

5-Stufen-Plan für Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Kinderbetreuung

Der GVV hat einen 5-Stufen-Plan entwickelt, wie die Umsetzung des Rechtsanspruches auf Kinderbetreuung genau aussehen könnte:

1. Schritt: Evaluierung der fehlenden Kindergartenplätze in den Gemeinden durch die Bundesregierung, bis Sommer 2022.
2. Schritt: Für die Budgetjahre 2023 und 2024 sollen finanzielle Mittel in Höhe von mindestens je 1 Milliarde Euro zur Verfügung gestellt werden, damit die Einrichtungen für fehlende Kinderbetreuungsplätze in den Städten und Gemeinden gebaut werden können. Das kurble das regionale Bau- und Baunebengewerbe an. 
3. Schritt: Ausbildungsoffensive im Bereich der Elementarpädagogik ab September 2022. Die Corona-Pandemie habe noch einmal verdeutlicht, wie schwierig der Arbeitsalltag für Elementarpädagogen ist. Viele seien ausgebrannt und wechseln den Job. Das führe dazu, dass es zu einem Mangel beim Personal kommt. Mit dem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung und der Schaffung zusätzlicher Plätze brauche es auch zusätzliche Elementarpädagoginnen und -pädagogen, von denen es derzeit rund 42.000 gibt. 
4. Schritt: In einwohnerschwachen und strukturschwachen Gemeinden werde bereits jetzt in Gemeindekooperationen gearbeitet. Diese sollen beibehalten und ausgebaut werden.
5. Schritt: Ab 2025 sollen im Bundesbudget jährlich fix verankert die budgetären Mittel zur Verfügung stehen, damit der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung in den Städten und Gemeinden umgesetzt werden könne. Die Industriellenvereinigung plädiere für eine Aufstockung der finanziellen Mittel für Kinderbetreuung um 1,7 Milliarden Euro pro Jahr. Auch eine aktuelle Studie vom Institut für Wirtschaftsforschung habe ergeben, dass der Ausbau der Kinderbetreuung nach den VIF-Kriterien rund 1,6 Milliarden Euro kosten würde. 

ÖVP-Gemeindesprecher warnt vor Rechtsanspruch

 
„Wenn es um das Wohl der Kinder und um eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht, braucht es praktikable und bedarfsgerechte Lösungen mit Hausverstand statt einengender Vorschriften“, warnt ÖVP-Gemeindesprecher Manfred Hofinger erneut vor einem gesetzlich fixierten Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung. Seitens des Bundes und der Länder werde sehr viel Geld in den Ausbau von Kinderbetreuungsausbau investiert. „Und es wird auch zügig gebaut und erneuert“, sieht Hofinger die Notwendigkeit, dass je nach Bedarf und Nachfrage der Eltern auch das Angebot in den Gemeinden erweitert werde. „Aber ein Rechtsanspruch würde unsere Gemeinden überfordern, da sie dann ein Angebot schaffen müssten, egal, ob der Bedarf da ist oder nicht.“

Erfahrungen aus Deutschland würden zudem zeigen, dass ein Rechtsanspruch neben hohen finanziellen Belastungen auch mögliche Androhungen von Schadenersatzklagen für Kommunen zur Folge haben könnte. 

Gemeindebund: Ja zu Ausbau der Kinderbetreuung, nein zu Anspruch

Nachdem der Österreichische Gemeindebund die Forderung für einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung bereits am 9. Dezember 2021 parteiübergreifend abgelehnt habe, habe man ein Positionspapier beschlossen, das als Diskussionsgrundlage für die Bund-Länder-Verhandlungen für die neue 15a-Vereinbarung zur Kinderbetreuung dienen soll:

„Klar ist allen Akteuren, dass es in Zukunft mehr Geld für die Kinderbetreuung braucht. Dabei geht es um den weiteren Ausbau von Betreuungsmöglichkeiten für unter 2,5-Jährige sowie auch um mehr finanzielle Mittel für den laufenden Betrieb der Kindergärten. Die 2.093 Gemeinden erwarten sich endlich einen großen finanziellen Wurf, damit sie vor Ort gemeinsam mit den Familien bedarfsgerechte Angebote schaffen können. Bund und Länder sollen nun rasch die Gemeinden in die Verhandlungen einbinden, denn am Ende sind es wir, die Kindergärten bauen und zehntausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kinderbetreuung beschäftigen“

, erläutert Gemeindebund-Präsident Bürgermeister Alfred Riedl.

Auszug aus dem Positionspapier des Gemeindebundes zur Kinderbetreuung

  • Die österreichischen Gemeinden bekennen sich klar zu einer flächendeckenden und qualitätsvollen pädagogischen Kinderbetreuung
  • Die österreichischen Gemeinden erfüllen gerne ihre Pflichten im Bereich der Kinderbetreuung
  • Der Österreichische Gemeindebund lehnt aus finanziellen, juristischen und organisatorischen Gründen einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab
  • Ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung birgt die Gefahr, auch anderen Rechtsansprüchen Vorschub zu leisten
  • Der Österreichische Gemeindebund fordert von Bund und Ländern Maßnahmen, um dem Personalmangel im Bereich der Kinderbetreuung entgegen wirken zu können
  • Der Österreichische Gemeindebund fordert von Bund und Ländern ordentliche Rahmenbedingungen und ein klares – auch finanzielles – Bekenntnis zum Ausbau im Bereich der Kinderbetreuung 
Bist du für einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung?

Hintergrund zu den Kinderbetreuungseinrichtungen in den Gemeinden

Im Kindergartenjahr 2020/21 waren die 2.093 Gemeinden direkte Erhalter von insgesamt 5.447 öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen in ganz Österreich, davon 3.321 Kindergärten, 1.151 Krippen und Kleinkinderbetreuungseinrichtungen, 526 Horten und 429 altersgemischten Betreuungseinrichtungen.

Die Gemeinden (ohne Wien) gaben im Jahr 2019 laut Statistik Austria etwa 1,6 Milliarden Euro für die Kinderbetreuung aus. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 wendeten die Gemeinden dafür etwa ein Drittel auf, nämlich gesamt 560 Millionen Euro. Dabei stiegen alleine die Investitionen, also die Ausgaben für Neubauten und Ausbaumaßnahmen, von 73 Millionen auf 212 Millionen Euro im Jahr 2019 an.

Ein Blick in die Statistik zeigt auch, dass sich bei Öffnungszeiten und Betreuungsquoten in den letzten Jahren viel getan hat. So haben laut Statistik Austria bereits mehr als 85 Prozent der Krippen und Kleinkindbetreuungseinrichtungen bzw. Kindergärten vor 7:30 Uhr geöffnet und jeder dritte Kindergarten hat bereits bis mindestens 17 Uhr geöffnet.

Die Betreuungsquoten der Kindergartenkinder (3-5-Jährige) zeigen beträchtliche Anstiege in den letzten zehn Jahren. So stieg etwa die Betreuungsquote der 3-Jährigen von 77,6 Prozent im Jahr 2009 auf mittlerweile 86,6 Prozent. Der Anteil der unter Dreijährigen in der Kinderbetreuung stieg in zehn Jahren um 77 Prozent. 
 
Mehr zum Thema:

Kopftuchverbot in Kindergärten soll aufgehoben werden

Hat Kurz aus Machtgier Ausbau der Kinderbetreuung verhindert?
Forderung nach Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung
Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Geburtstag

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN


Aktuelle Nachrichten aus Österreich auf MeinBezirk.at

Neuigkeiten aus deinem Bezirk als Push-Nachricht direkt aufs Handy

MeinBezirk auf Facebook: MeinBezirk.at/Österrreichweite Nachrichten

MeinBezirk auf Instagram: @meinbezirk.at


Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.