Verfahren an Außengrenzen
EU-Staaten einigen sich auf schärfere Asylregeln

Es soll „schnellere, schärfere Verfahren an den EU-Außengrenzen“ geben, sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP)im Vorfeld des Gipfels.

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Seit Jahren streiten die EU-Staaten über eine Neuaufstellung der EU-Asylregeln. Am Donnerstagabend beschlossen die EU-Innenminister in Luxemburg dazu schließlich ein umfassendes Paket. Zentraler Punkt: Asylanträge sollen künftig an der europäischen Außengrenze vorgeprüft werden. In Sachen Verteilung von Schutzsuchenden verständigten sich die EU-Staaten auf "verpflichtende Solidarität". Heftige Kritik üben Migrationsforscherinnen und -forschern sowie Hilfsorganisationen.   

ÖSTERREICH/LUXEMBURG. Nach zähen Verhandlungen stimmten die 27 EU-Innenministerinnen und -minister am Donnerstagabend in Luxemburg einem Kompromissvorschlag zu. Konkret ging es um die Verteilung von Asylsuchenden in der Europäischen Union sowie um Vorprüfungen von Asylanträgen für Menschen an der europäischen Außengrenze mit geringen Chancen auf Bleiberecht. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson freute sich über den "Geist der Solidarität und der Zusammenarbeit" zwischen den Mitgliedsstaaten. Der österreichische Innenminister bezeichnete das Ergebnis als einen "guten Schritt vorwärts".

Schnellverfahren an Außengrenzen

Der erzielte Kompromiss sieht vor allem einen deutlich strengeren Umgang mit Migrantinnen und Migranten ohne Bleibeperspektive vor. So sollen ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort soll im Normalfall binnen sechs Monaten geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden.

Die Mehrheit der Flüchtlinge – etwa aus Syrien, Afghanistan und dem Sudan – soll weiter Recht auf ein normales Verfahren haben. Nicht durchsetzen konnte sich Deutschland mit seiner Forderung nach humanitären Ausnahmen von den umstrittenen Grenzverfahren für Familien mit Kindern.

Freikauf von Flüchtlingsaufnahme

Beim jahrelangen Streitthema der Verteilung von Asylsuchenden soll künftig das Motto "verpflichtende Solidarität" gelten. Das heißt, jene Mitgliedsstaaten, die von einem Ansturm auf ihre Grenzen überfordert sind, sollen soldarisch Hilfe erhalten. Zugleich soll es jenen Staaten, die keine Menschen aufnehmen wollen, möglich sein, sich "freizukaufen". 20.000 Euro sind pro nicht aufgenommenem Asylwerber zu zahlen.

Karner verwies in der Debatte auf hohe Asylantragszahlen. Der Innenminister betonte am Donnerstag auch mehrfach, dass sich Österreich bisher solidarisch verhalten habe und sich nun zunehmend Solidarität von anderen erwarte. "Es ist uns heute nach intensiven, harten, zähen Verhandlungen ein weiterer wichtiger Schritt gelungen für ein strengeres, auch manchmal schärferes und gerechteres Asylsystem", sagte der Innenminister. Es werde aber "weitere Schritte geben müssen", fügte er hinzu. 

Für den finalen Gesetzestext müssen die EU-Staaten nun in Verhandlungen mit dem EU-Parlament treten.

Rat für Migration mit heftiger Kritik

Kritik an dem vorverhandelten Paktet kam von Migrationsforscherinnen und -forschern. Der Rat für Migration, dem knapp 200 Fachleute angehören, befürchtete eine Verschärfung der Lage. Forschungen zu bereits in Pilotprojekten umgesetzten Maßnahmen der EU-Asylreform zeigten, "dass diese nicht menschenrechtskonform umgesetzt werden können", teilte der Rat mit. Es sei zu erwarten, dass die Vorschläge weitere Anreize für Staaten an den Außengrenzen schafften, noch stärker illegale Zurückweisungen vorzunehmen und Schutzsuchende an den Grenzen zu inhaftieren.  

Grenzverfahren würden "meist zulasten des Asylwerbers" entschieden, kritisierte auch Migrationsforscherin Judith Kohlenberger auf Twitter. "Grenzverfahren haben eine fünfmal niedrigere Anerkennungsquote als reguläre Asylverfahren", so Kohlenberger weiter. 

NGOs um Kinder besorgt

Alarmiert zeigten sich auch mehrere NGOs. Sollten im Zuge der Grenzverfahren auch geflüchtete Kinder und Jugendliche von Inhaftierung oder haftähnlicher Unterbringung betroffen sein, verstoße das gegen das in der UNO-Kinderrechtskonvention verankerte Recht auf Schutz vor Folter und Freiheitsentzug, kritisierten Amnesty International Deutschland und das Deutsche Kinderhilfswerk.

"Wenn wir bereit sind, geflüchtete Kinder in Haftlagern unterzubringen, geben wir im Kern unsere europäischen Werte auf. Kinderrechte, Freiheit und Humanität dürfen nicht in einem politischen Kuhhandel eingetauscht werden", sagte Marvin Mc Neil von der Organisation Save the Children Deutschland.

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