"Einer Kanzlerpartei unwürdig"
Nehammer legt nach Kritik mit Video nach

Nachdem ein Video, in dem sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zur Armut in Österreich äußert, veröffentlicht wurde, reagierte er nun ebenfalls mit einem video auf der Plattform X (vormals Twitter). | Foto: Screenshot
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  • Nachdem ein Video, in dem sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zur Armut in Österreich äußert, veröffentlicht wurde, reagierte er nun ebenfalls mit einem video auf der Plattform X (vormals Twitter).
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Als "Schlag ins Gesicht" und "gut nachvollziehbar" beschreiben Grüne, Neos, SPÖ und mehr die Reaktion auf das Video, in dem sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) über die Diskussion rund um Kinderarmut empört gibt. Wir haben berichtet. In einem neuen Video (ebenfalls auf X) reagiert Nehammer auf die Empörungswelle.

ÖSTERREICH. Damit auch armutsbetroffene Kinder eine warme Mahlzeit am Tag bekämen, gebe es eine einfache Lösung: Ein Hamburger um 1,40€, rechnet Nehammer in dem Video vor. Das sei zwar nicht gesund, aber immerhin günstig. Die Debatte rund um Armut könne er ohnehin nicht verstehen, denn "wenn ich zu wenig Geld habe, gehe ich mehr arbeiten", so die Lösung des Bundeskanzlers. Neben den Twitter-Usern und -Userinnen sind auch Andreas Babler (SPÖ), Grüne-Klubchefin Sigrid Maurer und FPÖ-Chef Herbert Kickl von den Aussagen irritiert.

Grüne geben sich verständnisvoll mit Betroffen

Angesprochen auf das Video, gab Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) zu, das Video noch nicht gesehen zu haben. Kogler hob hervor, dass die gemeinsame Arbeit in der Regierung, besonders in Hinblick auf das Paket gegen Kinderarmut, gut sei. Die Aufmerksamkeit sei auch etwas Gutes, "dann ist doch ein guter Zeitpunkt für die Regierung und auch für den ÖVP-Teil, das, was angekündigt wurde, (…) beschleunigt anzugehen". Siehe da: Noch am Donnerstag wird die Auszahlung des Kinderzuschuss in der Höhe von 60 Euro pro Kind angekündigt. Damit kann sich ein Kind, sollte es dem Lösungsansatz des Bundeskanzlers Folge leisten, 42 Hamburger leisten. 

Grüne-Klubchefin Sigrid Maurer teilte auf X (vormals Twitter) mit, dass sie die Empörungswelle, die das Video ausgelöst hat "gut nachvollziehen" könne. "Wie muss es einer Teilzeit arbeitenden Mutter oder einer Alleinerzieherin gehen, die jeden Euro umdrehen muss, wenn sie solche Worte hört?", so die Klubchefin.

Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) bezeichnete es als zynisch Menschen in Not an den Kopf zu werfen, dass sie selbst Schuld seien, wenn die Kinder keine warme Mahlzeit bekommen können oder eben Fast Food serviert bekommen sollten.

"In der Regierung arbeiten zwei sehr unterschiedliche Parteien mit teils sehr unterschiedlichen Werthaltungen zusammen. Der Bundeskanzler sagt ja selbst am Ende dieses Videos, dass seine Vorstellungen mit den Grünen nicht durchzusetzen sind. Und das ist gut so."

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hatte das Video noch nicht gesehen, wolle die Aufregung aber nutzen, "um etwas voranzubringen". Wenige Stunden später wurde der Kinderzuschuss verkündet.
 | Foto: Christopher Dunker/BKA
  • Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hatte das Video noch nicht gesehen, wolle die Aufregung aber nutzen, "um etwas voranzubringen". Wenige Stunden später wurde der Kinderzuschuss verkündet.
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Nehammer reagiert mit Video

Am Nachmittag äußerte sich auch Nehammer selbst zu dem aufgetauchten Video. Er steht zu seinen Aussagen und sieht die Verantwortung bei den Eltern. Man habe die kalte Progression abgeschafft, wovon arbeitende Menschen profitieren würden. Neben diversen Beihilfen gebe es nun auch den Kinderzuschuss von 60 Euro pro Monat für sozialbenachteiligte Familien. "Wer davon spricht, dass es in Österreich keine warme Mahlzeit für Kinder gibt, der stellt dieses Land in ein schlechtes Licht", so Nehammer. Österreich sei eines der reichsten Länder der Welt, deshalb müsse jedes Kind eine warme Mahlzeit bekommen, wofür die Eltern verantwortlich seien. 

"Unterstützung statt Spott und Hohn" 

Frauensprecherin Meri Disoski und Menschenrechtssprecherin Ewa Ernst-Dziedzic (beide Grüne) äußerten sich ebenfalls auf X: "Offene Abwertung einer sozial gerechten Politik ist wenig überraschend Teil der bürgerlichen Verrohung, auch wenn trotzdem erschreckend in dieser Offenheit. Die Frage ist auch: Wer sind die Claqueure, die sich auf Kosten von armutsgefährdeten Frauen & Arbeitslosen amüsieren", so Ernst-Dziedzic.

Disoski reagierte umfangreich mit einem mehrteiligen Tweet, der die Arbeit der Grünen in der Bundesregierung in Sachen Ausbau von Kinderbetreuung, fairere Verteilung unbezahlter Arbeit und Kampf gegen Kinderarmut hervorhebt.

"Unsere Aufgabe als Politiker und Politikerinnen ist es, auf jene zu achten, die es schwerer haben im Leben. Sie verdienen unseren Respekt, unsere Solidarität und Unterstützung statt Spott und Hohn."

Babler: Menschen verdienen Kanzler mit Respekt

Für SPÖ-Chef Andreas Babler habe das Video vor allem eine "Geisteshaltung" offenbart, wie er in einer Pressekonferenz mitteilte. Die Österreicherinnen und Österreicher würden einen Kanzler verdienen, der Menschen respektiert. "Ohne Menschen zu mögen, wird man in der Politik keinen Erfolg haben", so Babler. Er warnte zum wiederholten Mal vor einer türkis-blauen Regierung.

SPÖ-Frauensprecherin Eva-Maria Holzleitner ließ nicht lange warten und äußerte ihre Kritik auf X:

"Nehammer muss sich bei den Frauen entschuldigen. Wer leistet den Großteil der unbezahlten Arbeit in diesem Land? Viele Stellen u. a. nicht Vollzeit ausgeschrieben oder verfügbar. Die Liste der Gründe für Teilzeit ist lang. Faulheit dazuzuzählen ist eine Unterstellung und Frechheit!"

Andi Babler (SPÖ): "Ohne Menschen zu mögen, wird man in der Politik keinen Erfolg haben." | Foto: ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com
  • Andi Babler (SPÖ): "Ohne Menschen zu mögen, wird man in der Politik keinen Erfolg haben."
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FPÖ: "menschenverachtend, herablassend, beschämend"

Die Kritik von FPÖ-Chef Herbert Kickl ließ ebenfalls nicht lange auf sich warten: "Immer dann, wenn Nehammer glaubt, unter Seinesgleichen zu sein, bricht bei ihm diese Mentalität durch, die man aus der Führungsmannschaft der ÖVP nur allzu gut kennt – Stichwort Pöbel! Ein Politiker, der derart empathielos, abgehoben, eiskalt ist und eine derartige Verachtung für die armutsgeplagten Menschen an den Tag legt, ist für den Job als Bundeskanzler ungeeignet."

Die freiheitliche menschenverachtend, herablassend, beschämend teilte in einer Aussendung mit: 

"Das Bild von armutsgefährdeten Menschen, Frauen und Alleinerziehenden, das Nehammer in diesem Video neuerlich zeichnet, ist menschenverachtend, herablassend, beschämend und einer Kanzlerpartei unwürdig." 

FPÖ-Chef Herbert Kickl lässt kein gutes Haar an Nehammer: "Ein Politiker, der derart empathielos, abgehoben, eiskalt ist und eine derartige Verachtung für die armutsgeplagten Menschen an den Tag legt, ist für den Job als Bundeskanzler ungeeignet." | Foto: fotokerschi.at/kerschbaummayr
  • FPÖ-Chef Herbert Kickl lässt kein gutes Haar an Nehammer: "Ein Politiker, der derart empathielos, abgehoben, eiskalt ist und eine derartige Verachtung für die armutsgeplagten Menschen an den Tag legt, ist für den Job als Bundeskanzler ungeeignet."
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Neos: ÖVP "hat die Familienkompetenz"

Neos-Parteichef Christoph Wiederkehr reagierte mit einem Video auf Instagram. "Der Kanzler will offenbar jedem Kind einen Burger geben, wir NEOS wollen jedem Kind die Flügel heben. (…) Die ÖVP hat nach der Wirtschaftskompetenz nun auch die Familienkompetenz verloren." Es gehe eben um mehr als ein warmes, gesundes Mittagessen für Kinder.

Neos-Mandatarin Henrike Brandstötter äußerte sich via X auf die Aussagen zur Teilzeitarbeit von Frauen: "Erschütternd! #Nehammer beklagt sich derb über Teilzeit arbeitende Frauen – als Karrierepolitiker bei der ÖVP, die seit Jahrzehnten keine Rahmenbedingungen für Frauen schafft, damit diese nicht vom Partner oder Staat abhängig sind."

Auch Caritas-Präsident Michael Landau teilte mit: "In Österreich muss niemand verhungern oder im Winter erfrieren", aber wer sage, "dass niemand hungert oder friert, hat von der Wirklichkeit der Menschen keine Ahnung".

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