Voves und Schützenhöfer: Steirische Reformpartner im Interview

Hermann Schützenhöfer (l.) und Franz Voves: die steirischen Reformpartner im Interview. | Foto: Oliver Wolf
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Seit fast fünf Jahren ticken die Uhren in der Steiermark anders: Franz Voves (SPÖ) und Hermann Schützenhöfer (ÖVP) warfen 2010 alle Zwistigkeiten über Bord geworfen und marschierten im Doppelpack durch Langzeit-Budgets, Verwaltungs-, Finanz- und Gemeindereformen. Von Experten haben sie jede Menge Lob geerntet. Doch wie wird der Wähler entscheiden? Darf man sich in der Politik Reformen überhaupt noch leisten. Wir haben die "steirischen Kuschler" zur Doppelconference gebeten.

Wo war der Knackpunkt, wo begann die Zusammenarbeit?
Schützenhöfer: Es war kein Knackpunkt. Es ist nur die globale Situation eine, in der kein Raum für billigen politischen Streit ist. Das nützt nur jenen, die dann das ganze Jahr auf Ibiza bleiben können. Die staatstragenden Parteien sind ÖVP und SPÖ, da darf kein Platz für Divergenzen sein.
Voves: Deshalb haben nur eine Chance gesehen, die Steiermark zukunftsfit zu machen: durch Zusammenarbeit.

Wie sind die Probleme unserer Zeit zu lösen?
Voves: Durch Solidarität. Die fehlt in ganz Europa – Solidarität zwischen Nord und Süd, zwischen Arm und Reich, zwischen jenen, die Arbeit haben und jenen, die keine haben. Da muss sich in unserer Einstellung etwas verändern. In der Gesellschaft allgemein, in der Politik aber im Besonderen. Wir haben da eine Vorbildfunktion.

Weil ...?
Voves: Weil die Wirtschaftsmärkte längst die Politik overrulen, es gibt Abwanderungen in Billigstlohnländer, in Europa entsteht enorme Arbeitslosigkeit. Welche Antworten haben wir in Europa auf diese Entwicklungen? Die 550 Millionen Menschen in der Europäischen Union müssen zusammenstehen: Wir brauchen eine Sozialunion, eine Steuerunion, wir müssen zusammenwachsen. Dafür muss die Politik dieses Miteinander aber auch glaubwürdig leben. Wir haben gesagt, nach Phasen des Streits: Was haben wir zu tun, damit es den Steirern in diesem Wettbewerb weiter gut geht? Deshalb war das Miteinander der sogenannten Altparteien die richtige Entscheidung.

Zurück zur Steiermark: War der Weg immer konfliktfrei?

Voves: Der Weg dahin war steinig, aber wir haben den Streit hinter den Vorhang verlegt. Vor den Vorhang sind wir immer nur mit Ergebnissen getreten. Die Mehrheit der Steirer empfindet das als gut, davon bin ich überzeugt.

Das Rezept dafür?
Voves: Man muss sich in die Situation seines Gegenübers hineinversetzen. Wie kommen Maßnahmen, die wir ins Auge fassen, beim politischen Partner an? Ich muss über die ÖVP nachdenken, der Kollege Schützenhöfer über die SPÖ. Das setzt Vertrauen und Verständnis voraus. Wenn ich nur darüber nachdenke, wie ich den anderen über den Tisch ziehen kann, kann nicht das herauskommen, was sich die Menschen von der Politik erwarten.

Stichwort Vertrauen ...
Schützenhöfer: Das ist es. Ich muss der Versuchung widerstehen, den anderen über den Tisch ziehen zu wollen. Der andere kommt mir drauf, wenn ich ihn einmal überlöffelt habe – und dann ist es auch schon vorbei. Wir haben mit Winkelzügen aufgehört, wir denken nicht an Sektionen und nicht an Bünde. Sondern an die Menschen und ans Land. Und trotzdem haben wir unsere Parteien in großem Ausmaß mitgenommen.
Voves: Richtig, die Parteien stehen im Großen und Ganzen hinter uns. Das hat mit sehr viel Kommunikation, nach innen und nach außen, zu tun.
Schützenhöfer: Am schwierigsten war aber wohl die Überzeugungsarbeit nach innen.

Da braucht es Steherqualitäten, oder?

Schützenhöfer: Das ist immer eine Frage der Windstärke, wenn's zu stark weht, fallen immer einige um. Viele haben aber auch am Anfang der Periode gesagt: Ihr habt zuviel gestritten, gottseidank arbeiten sie jetzt zusammen. Nachdem es zwei Jahre lang funktioniert hat, haben wiederum viele gesagt: Ihr umarmt euch zuviel, ihr kuschelt zuviel. In allen Phasen Fels in der Brandung zu bleiben, das erfordert schon Stärke.

Besondere Beispiele auf diesem Weg?

Voves: Wann hat es das jemals gegeben, dass im Landtag gemeinsame Klubsitzungen stattgefunden haben? Das ist wohl österreichweit einzigartig – der Parteichef der SPÖ spricht im ÖVP-Klub, der ÖVP-Parteichef im SPÖ-Klub.

Und Sie beide streiten nie?
Schützenhöfer: Natürlich, warum sollen wir nicht streiten? Das ist eine Frage der Definition. Ich bin jetzt 36 Jahre verheiratet, glauben Sie, das geht ohne Streit? Das ist wohl in jeder Familie so. Und so ist es auch hier. Unsere Reformpartnerschaft ist ja nichts anderes wie eine größere Art von Familie. Eine Familie, in der es ein Grundvertrauen geben muss – und das haben wir beide. Deshalb wollen wir diese Reform- in eine Zukunftspartnerschaft führen. Aber das heißt nicht, dass wir beide, auf gut steirisch, nicht "werkeln" miteinander.

Wie darf man sich das vorstellen?
Schützenhöfer: Das ist keine Seltenheit, dass der eine zum anderen ins Büro geht, wenn es wieder einmal "brandelt". Aber Sie und andere Journalisten werden davon nie etwas erfahren haben, oder?
Voves: Und trotzdem hat es dabei nie einen faulen Kompromiss gegeben, weil wir die Ziele so klar definiert und uns inhaltlich intensiv damit auseinandergesetzt haben. Die Ziele waren immer klar, über den Weg dorthin hat es jedoch immer wieder harte politische Diskussionen gegeben. Aber wie gesagt: Gestritten wurde hinter dem Vorhang. Was wir dann wirklich kommuniziert haben, war dann aber auch von essenzieller Bedeutung für die Steiermark.

Wie geht das also weiter?
Voves: etzt ist dann auch noch der Proporz Geschichte. Also wird es nach der Wahl Koalitionsverhandlungen geben. Ich hoffe, dass diese auch weiterhin zwischen zwei Parteien stattfinden werden. Dann gilt es gemeinsame Ziele zu definieren. Und dann wird wieder viereinhalb Jahre gearbeitet, das ist mein Verständnis von Demokratie.

Im Gegensatz zu ...?

Voves: Wenn ich in einer Koalition bin und jeden Tag nur dafür verwende, Gehässigkeiten auszutauschen, die sowieso nur den Apparat rund um den Vorsitzenden interessieren, wenn es nur darum geht, wer seine Gehässigkeit besser platziert - dann hat Demokratie viel an Wert verloren. Die Menschen erwarten sich, dass ihre Probleme gelöst werden.

Jetzt schauen Politiker in ganz Österreich auf die Steiermark und fragen sich, ob das gut geht ...
Schützenhöfer (schmunzelt): Sie hoffen, dass es nicht gut geht. Im Ernst: Wir erfahren eine breite Zustimmung, aber der Knackpunkt ist: Viele sollten Reformen einleiten, viele sollten neue Strukturen schaffen. Und die meisten wissen das auch in den anderen Bundesländern. Sie geben es aber nicht zu und schauen nur drauf, wie es bei uns ausgeht. Und sicher hoffen einige, dass wir auf die Nase fallen, dann hätten sie das Argument, um sagen zu können: Lassen wir die Finger von Strukturreformen. Dann kann ich aber nur sagen: Gute Nacht, Österreich. Wir brauchen ganz dringend Reformen, besonders im Bund.

Und wenn der Wähler trotzdem anders entscheidet?
Schützenhöfer: Zu Tode gefürchtet, ist auch gestorben. Was wir vorzuweisen haben, müssen andere erst vorweisen. Ob das anerkannt wird, steht in den Sternen – aber wir werden kämpfen.
Voves: Es wird halt leider wieder zu einer Vereinfachung kommen, auch bei der Analyse des Wahlergebnisses. Die Neos treten an, Stronach tritt hier in seinem Heimatbundesland an, das könnte primär auf Kosten der Regierungsparteien gehen. Auch die bundespolitischen Einschätzungen des Wählers sollte man nicht vergessen. Und trotzdem wird man oberflächlich sagen: Das ist alles wegen der Reformen. Aber keine Sorge, wir werden jedes Ergebnis voll auf unsere Kappe nehmen.

Das Ergebnis?

Voves: Ich bin überzeugt, dass es eine schöne Mehrheit für SPÖ und ÖVP geben wird, für die Zukunftspartnerschaft.
Schützenhöfer: Es hat ja auch immer geheißen, die Steiermark steht mit dem Rücken zur Wand. In der Pro-Kopf-Verschuldung sind vier Bundesländer schlechter dran als wir, auch sehr große Bundesländer, auch der Bund. Also danke für den Hinweis, die Steiermark steht nicht mit dem Rücken zur Wand. Wir sind keine Vorbilder, wir machen nur unsere Arbeit. Und ein bisschen mehr als nur die Pflicht, auch die Kür gelingt immer öfter. Die Steiermark ist nur ein Beispiel dafür, wie es gehen könnte.

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