Zerreißprobe für die Regierung
Wie wahrscheinlich jetzt Neuwahlen sind

Die neuesten Ereignisse stellen die Regierungskoalition zwischen ÖVP und Grünen auf eine harte Probe – sind Neuwahlen nun die logische Konsequenz?
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Die neuesten Ereignisse stellen die Regierungskoalition auf eine harte Probe. Die Opposition tritt geschlossen und vehement für Neuwahlen ein, der Bundespräsident ist entsetzt und die Stimmung zwischen Grünen und ÖVP dürfte einen neuen Tiefpunkt erreicht haben. Wie wahrscheinlich sind also Neuwahlen?

ÖSTERREICH. Die diese Woche publik gewordenen Aussagen von Thomas Schmid sorgen für großen Aufruhr in der heimischen Politik und stellen den Status quo zunehmend infrage. SPÖ, FPÖ und NEOS sind sich jedenfalls einig: Es braucht Neuwahlen. Die Regierung sei nicht handlungsfähig, ein Systemwandel müsse her und das Vertrauen der Menschen in die Politik zurückgewonnen werden, so der Tenor. Die Regierungskoalition aus ÖVP und Grünen dürfte allerdings wenig Interesse an vorgezogenen Wahlen haben – denn sie würden auf beiden Seiten einen Machtverlust bedeuten. Die RegionalMedien Austria haben sich die Situation genauer angesehen. 

ÖVP: Von 37,5 auf 22 Prozent

Noch unter Sebastian Kurz erreichte die ÖVP bei der letzten Nationalratswahl (2019) ein Ergebnis von 37,5 Prozent. Im Vergleich zu den Wahlen von 2017 waren das um sechs Prozent mehr. Gegenüber 2014 legte die Volkspartei sogar um 13,5 Prozentpunkte zu und setzte sich von den anderen Parteien einsam an die Spitze ab – rund 16 Prozent fehlte der zweitplatzierten SPÖ auf den Wahlsieger.

Seither hat sich die politische Stimmung im Land gedreht. Die ÖVP rauschte in eine Korruptionsaffäre – das "türkise Zugpferd" Sebastian Kurz mitten drinnen. Die Anschuldigungen gegen die Partei und einige ihrer Funktionäre verhärten sich zunehmend – es geht u. a. um vermeintliche Postenschacher, geschönte Umfragen und Steuerprivilegien für parteinahe Unternehmer. Sie zeichnen ein düsteres Sittenbild der vor drei Jahren noch so strahlenden Volkspartei.

Das zeigen auch die aktuellen Umfragewerte. Demnach würde die ÖVP bei Neuwahlen derzeit nur mehr auf 22 Prozent kommen und damit einen erheblichen Teil ihrer Abgeordneten verlieren. In der Regierung wäre sie künftig, wenn überhaupt, nur noch als Juniorpartner vertreten. Das beantwortet wohl auch die Frage, ob irgendjemand in der ÖVP Neuwahlen möchte. Die Volkspartei setzt offenbar auf Zeit und ein Wunder. Die nächsten Nationalratswahlen finden spätestens im Herbst 2024 statt. Ob sich bis dahin der politische Wind nochmals dreht, ist allerdings mehr als fraglich.

Grüne: Gespaltene Lager  

Bei den Grünen sieht die Situation anders aus. Sie müssen keinen Korruptionsskandal verantworten und auch Personalrochaden an der Parteispitze blieben seit der letzten Wahl erspart. Parteichef und Vizekanzler Werner Kogler sitzt fest im Regierungssattel – zu fest für den Geschmack der Opposition. Sie wirft den Grünen vor, sich an den Regierungssessel zu klammern und damit eine nachhaltige Verbesserung der politischen Zustände zu verhindern.

Aber auch die Grünen haben ihre Gründe, sich gegen Neuwahlen auszusprechen: Sie erreichten bei der Nationalratswahl 2019 nicht nur den neuerlichen Einzug ins Parlament – 2017 wurden sie mit nur 3,8 Prozent der Stimmen ja bekanntlich hinausgewählt –, sondern schafften es sogar in die Regierung. Bei Neuwahlen würden sie wohl ähnlich der ÖVP herbe Verluste hinnehmen müssen und auch eine erneute Regierungsbeteiligung wäre sehr fraglich. 

Damit stehen die Grünen vor einem moralischen Dilemma. Mit einer schwer belasteten ÖVP weiter regieren und die eigene Macht erhalten oder sich vom großen Koalitionspartner abwenden und damit womöglich erneut ins politisch Marginale entschwinden? Innerhalb der Partei gibt es zwei Lager: Während die Bundespartei an der Regierungskoalition festhält, werden vor allem an der Basis und in den Länderorganisationen die Rufe nach einem Koalitionsende lauter. Letztendlich dürfte aber der Drang nach Machterhalt die moralischen Bedenken überwiegen. Sollte sich die Umstände also nicht ändern, werden wohl auch die Grünen keinen Neuwahlen zustimmen.

Was noch kommen kann

Wie sich in der Vergangenheit zeigte – Stichwort Ibiza –, kann es aber auch sehr schnell gehen. Das letzte Wort von Thomas Schmid ist wohl noch nicht gesprochen und die Ermittlungen im ÖVP-Umfeld laufen weiter. Auch zwei bisher noch unbekannte Aussageprotokolle brodeln unter der Oberfläche. Von den insgesamt 15 Einvernahmen Thomas Schmids wurden zwei Tage von der WKStA geschwärzt. Womöglich kann ja das, was sich darunter verbirgt, die Regierung zum Platzen bringen. Es bleibt abzuwarten.

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