Teure Lebensmittel
Keine Hinweise auf "Gierflation" in Supermärkten
Die hohen Lebensmittelpreise haben in den vergangenen Monaten nicht nur die Konsumentinnen und Konsumenten vor Probleme gestellt, sondern auch für unzählige politische Diskussionen gesorgt. Im Oktober 2022 wurde unter anderem die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) damit beauftragt, den Lebensmittelmarkt samt vorgelagerten Stufen wie Industrie und Landwirtschaft genauer unter die Lupe zu nehmen. Am Freitag veröffentlichte die Wettbewerbsbehörde nun die Ergebnisse der Untersuchung, wobei festgestellt werden konnte, dass die Lebensmittelpreise nicht ungerechtfertigt erhöht worden waren. Die BWB ortete jedoch Verstöße gegen den fairen Umgang mit Lieferanten und Schwachstellen in Hinblick auf die Wettbewerbssituation.
ÖSTERREICH. Eine derart umfangreiche Untersuchung hat es in der 20-jährigen Geschichte der BWB noch nie gegeben. Insgesamt wurden mehr als 2.200 Unternehmen der Lebensmittelbranche – 700 Handelsunternehmen sowie über 1.500 Lieferanten/Produzenten – befragt. Neben einer täglichen Analyse der Preisdaten von Online-Shops wurde zudem eine Befragung von rund 1.000 Konsumentinnen und Konsumenten durchgeführt. Nach knapp einem Jahr konnte die BWB die Untersuchung nun abschließen und die Ergebnisse präsentieren.
Keine Hinweise auf "Gierflation"
In den vergangenen Monaten wurde dem Lebensmittelhandel immer wieder unterstellt, aus der Inflation Profit schlagen zu wollen und die Preise ungerechtfertigt zu erhöhen. Handelsvertreterinnen und -vertreter wehrten sich immer wieder gegen diese Vorwürfe, wobei die Wettbewerbsbehörde nun ebenfalls keine Hinweise für eine solche "Gierflation" finden konnte, wie BWB-Chefin Natalie Harsdorf-Borsch am Freitag bei der Präsentation der 269-seitigen Branchenuntersuchung in Wien erklärte.
Demnach hätten die stark gestiegenen Lebensmittelpreise zu keinem merkbaren Gewinnmargen-Plus bei den Supermarktketten geführt. Die Handelsspannen und somit die Erträge seien vom zweiten Halbjahr 2022 bis zum zweiten Halbjahr 2023 "nicht systematisch" angestiegen. "Insgesamt gibt es keine Hinweise dafür, dass vor dem Hintergrund steigender und hoher Inflation versucht worden wäre im Untersuchungszeitraum die Handelsspannen zu vergrößern", heißt es dazu von der Wettbewerbsbehörde. Zudem konnte festgestellt werden, "dass keine Produktgruppe von Preisanstiegen verschont geblieben ist".
Unfaire Handelspraktiken festgestellt
Wie Harsdorf-Borsch erklärte, habe die BWB jedoch etliche Hinweise von Lieferanten bezüglich "unlautere Handelspraktiken" erhalten. Dabei habe es sich etwa um einseitigen Vertragsveränderungen oder verpflichtende Zahlungen für unverschuldete Qualitätsverluste gehandelt. Die Anzahl der eingemeldeten unfairen Praktiken gegenüber Lieferanten sei "sehr beunruhigend", so die BWB-Chefin. Die Behörde werde daher die Bekämpfung "solcher unlauteren Handelspraktiken mit hoher Priorität verfolgen".
Erste Ermittlungen gegen Supermarktketten wegen Verstöße gegen das Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetz (FWBG) seien bereits aufgenommen worden, wobei noch es noch heuer erste Anträge beim Kartellgericht geben soll. Harsdorf-Borsch wollte jedoch nicht genauer darauf eingehen, um welche Händler es sich hierbei konkret handelt: "Das kann ich zu dem Zeitpunkt nicht beantworten."
"Österreich Preisaufschlag"
Aufgrund der hohen Lebensmittelpreise wurde in den vergangenen Monaten auch vielfach darüber diskutiert, warum die Preise für gewisse Produkte bei unseren Nachbarn in Deutschland deutlich günstiger als hierzulande sind. Die Wettbewerbsbehörde nahm den Österreich-Preisaufschlag genauer unter die Lupe und kam zu dem Schluss, dass sich die hohe Marktkonzentration im österreichischen Lebensmittelhandel nicht "kausal" auf die Preisanstiege auswirkte.
Vielmehr habe die Untersuchung ergeben, dass die Lebensmittelindustrie – insbesondere internationale Konzerne – mit besonderem Anreiz, gleiche Produkte entsprechend ihren Länderstrategien zu teilweise unterschiedlichen Preisen verrechne. "Diese Strategien können ein wesentlicher Faktor für unterschiedliche Lebensmittelpreise und damit höhere Preise in Österreich sein", so die BWB in ihrem Bericht. Der Sachverhalt werde nun rasch an die Europäische Kommission übermittelt, da die Thematik des Österreich-Aufschlags über die nationale Ebene hinausgehe.
Verbraucherschutz, Irreführung, Transparenz und Co.
Wie Harsdorf-Borsch bekannt gab, habe die Analyse aber auch Schwachstellen im Hinblick auf die Wettbewerbssituation offengelegt. So mussten etwa seit 2019 mehr als 200 Nahversorgerinnen und -versorger aus dem Markt austreten, währen die vier größten Lebensmitteleinzelhändler (Spar, Rewe, Hofer und Lidl), die gemeinsam auf 91 Prozent der Marktanteile kommen, ihr Filialnetz weiter ausbauen konnten.
Abschließend hat die BWB anhand der Analyse zehn Empfehlungen definiert, "welche sich positiv auf den Wettbewerb im Lebensmittelmarkt und damit auf die Konsumentinnen und Konsumenten auswirken können":
- Umsetzung der von der BWB im „Fokuspapier Preisvergleichsplattformen“ empfohlenen Maßnahmen zur Erhöhung der Preistransparenz für Konsumentinnen und Konsumenten im Lebensmitteleinzelhandel.
- Stärkung des Binnenmarkts und Befassung der Europäischen Kommission hinsichtlich unterschiedlicher Einkaufspreise in den EU-Mitgliedstaaten aufgrund von Länderstrategien von Lebensmittelkonzernen
- Verbesserung der Transparenz bei Lebensmitteln
- Aufwertung und Stärkung des Verbraucherinnen- und Verbraucherschutzes
- Keine Irreführung bei Preisnachlässen
- Marktuntersuchungen aufgrund des FWBG
- Rechtssicherheit für Lieferantinnen und Lieferanten durch Schriftform
- Kein Druck zur Zustimmung zu Praktiken des Anhangs II zum FWBG
- Verbesserte gesetzliche Grundlage zur Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Maßnahmen aufgrund von Branchenuntersuchungen
- Verbesserte gesetzliche Grundlage zur Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Maßnahmen aufgrund von Branchenuntersuchungen
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