EU fängt in St. Peter im Sulmtal an

"EU fängt in der Gemeinde an": Johannes Außerladscheiter, Burkhard Neuper, Marianne Kiendl, Karl Doutlik, Maria Skazel, Werner Amon und Walter Eichmann (v.l.). | Foto: Maria Fauth
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  • "EU fängt in der Gemeinde an": Johannes Außerladscheiter, Burkhard Neuper, Marianne Kiendl, Karl Doutlik, Maria Skazel, Werner Amon und Walter Eichmann (v.l.).
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ST. PETER IM SULMTAL. Am 1. Juli ist es soweit: Österreich übernimmt den <a target="_blank" rel="nofollow" href="https://www.bmdw.gv.at/Aussenwirtschaft/oesterreichinderEU/EU-Präsidentschaft/Seiten/default.aspx">EU-Ratsvorsitz</a> für das kommenden Halbjahr. Die Staffelübergabe von Bulgarien an Österreich findet symbolträchtig mit Blick auf die WM im steirischen Schladming statt.
Doch was wissen die Bürgerinnen und Bürger von der EU wirklich außer den Wirbel um Gurkenkrümmung und Allergenverordnung, die Österreich in vorauseilendem Gehorsam sozusagen auf eigene Faust umgesetzt hat?
Um mehr Klarheit rund um die EU und den Ratsvorsitz unseres vergleichsweise kleinen Landes zu bringen, haben EU-Gemeinderätin Maria Skazel, Bürgermeisterin des österreichweit ersten <a target="_blank" rel="nofollow" href="http://www.europadorf.at/">Europadorfes St. Peter im Sulmtal,</a> und Martin Stieglbauer, EU Gemeinderat aus <a target="_blank" rel="nofollow" href="http://www.st-martin-sulmtal.gv.at/">St. Martin im Sulmtal</a>, eine Podiumsdiskussion im Mehrzwecksaal von St. Peter im Sulmtal auf die Beine gestellt - schließlich fängt Europa in der Gemeinde an. Unter dem provokanten Titel "Europa bringt's, bringt's Europa?" haben sich prominente Redner unter der Diskussionsleitung von EU-Konsulent Johannes Außerladscheiter den Fragen gestellt, nämlich NAbg. Werner Amon (Vizepräsident des Europarates), Burkhard Neuper (Vorsitzender des Europahauses Graz und Stellvertretender Bundesvorsitzender der jungen Wirtschaft), Walter Eichmann (Vorsitzender der LAG Schilcherland und Bgm. von Stainz), Marianne Kiendl in ihrer Funktion als Geschäftsführerin von Innovation Styria, sowie eben EU-Gemeinderat Martin Stieglbauer, der auch Bundesleiter der Landjugend ist.

Karl Doutlik statt Andrä Ruprechter

Angekündigt war auch Andrä Ruprechter, Sonderbeauftragter der Österreichischen EU Ratspräsidentschaft: "Ruprechter hat ganz kurzfristig abgesagt", bedauert Maria Skazel die Abwesenheit des Sonderbeauftragten ganz besonders. "Leider ist mir ein Termin beim Bundespräsidenten, bei dem auch der Bundeskanzler dabei sein wird, dazwischen gekommen, den ich nicht absagen konnte. Ich hoffe auf Euer Verständnis", entschuldigte sich Ruprechter via Videobotschaft und betonte dabei: "Ich bin davon überzeugt, dass Österreichs Ratspräsidentschaft für Europa sehr viel bringen wird."

Für ihn eingesprungen ist Karl Doutlik als ehemaliger Leiter der ständigen Vertretung der Europäischen Kommission in Wien. "Ich bin öfters bei solchen Veranstaltungen, aber selten in so einem gut besuchten Saal", streute er auch Maria Skazel als Initiatorin und Hausherrin Blumen.
Auch wenn der Saal an diesem herrrlichen Sommerabend nicht ganz voll war, so zeigte sich doch das große Interesse allein an der Anwesenheit der beiden Landtagsabgeordneten Helga Kügerl (FPÖ, Vorsitzende im EU Regionalmanagement Südweststeiermark) und Barbara Riener als Kollegin von Maria Skazel im Landesvorstand der ÖVP Frauen. Stellvertretend für die anwesenden Bürgermeister begrüßte Skazel EU-Gemeinderätin Cäcilia Spreitzer, Bürgermeisterin aus St. Georgen am Kreischberg, die wohl die weiteste Anreise für diese Podiumsdiskussion auf sich genommen hat.

Europa außerhalb von Wahlkampfzeiten

"Diese Veranstaltung war eine gemeinsame Idee der EU-Gemeinderäte aus St. Peter und St. Martin, nachdem wir bereits vor vier Jahren eine gelungenen Podiumsdiskussion rund um den Europawahlkampf hatten", spricht Maria Skazel, selbst EU-Gemeinderätin, ihre Kollegen Markus Krasser, Martin Zöhrer und eben Martin Stieglbauer aus St. Martin an.
"Für uns ist es wichtig, Europa auch außerhalb von Wahlkampfzeiten spürbar und für die Menschen auch greifbar zu machen", so Skazel in ihrer Begrüßung, bevor sich alle zur Europhymne erhoben haben.

Zu den Aufgaben und Herausforderungen für Österreich im nahenden  EU-Ratsvorsitz nahm Karl Doutlik Stellung: Es ist eine Herkulesaufgabe vor allem in Anbetracht des Brexits von Groß Britannien und der geopolitisch angespannten Situation. Außerdem ist es die letzte volle Ratspräsidentschaft vor den anstehenden Wahlen des Europaparlamentes", so Doutlick und geht ins Detail: "Österreich übernimmt den Vorsitz für alle 30 Ratssitzungen als zweite, gesetzgebende Kammer mit den Nationenvertretern neben dem EU-Parlament mit den Volksvertretern.

Im Detail:

Seit dem Vertrag von Lissabon erstellen Gruppen von jeweils drei Mitgliedsländern („Trioratspräsidentschaft“) ein gemeinsames Arbeitsprogramm für 18 Monate. Österreich befindet sich mit Estland (Vorsitz im Rat der EU im 2. Halbjahr 2017) und Bulgarien (Vorsitz im 1. Halbjahr 2018) in einer Trioratspräsidentschaft.
Außerdem stellte Doutlik die fünf Themenbereiches des Trioprogrammes vor:

Eine Union der Arbeitsplätze, des Wachstums und der Wettbewerbsfähigkeit
Eine Union, die jeden ihrer Bürger befähigt und schützt
Auf dem Weg zu einer Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimapolitik
Eine Union der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
Die Union als starker globaler Akteur

Doutlik abschließend: "Die EU kann nur funktionieren, wenn sie nicht als aufgesetzter, diktatorischer Apparat angesehen wird, sondern wenn die Intentionen von den Bürgern in den Gemeinden ausgehen. Das Friedensprojekt EU ist dem gemeinsamen Handeln auf EU-Ebene zu verdanken."

Menschenrechte im Fokus

Zur Definition und Gründung des Europarates nahm Werner Amon in seiner Funktion als Vizepräsident des Europarates Stellung: "Der Europarat wurde 1949 aus der Erkennnis und den Schrecken des zweiten Weltkriegen heraus gegründet, also fast ein Jahrzehnt vor den EU-Institutionen im heutigen Sinne. In der Folge ist die Menschenrechtskonvention beschlossen worden ist. Der Europrat wacht somit über die europäischen Menschenrechstkonvention und wählt auch die Richter für den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte."
Der Europäische Rat der Europäischen Union ist vergleichsweise viel kleiner. Der Europarat zählt nämlich 47 Mitgliedsstaaten und vertritt somit auch das gesamte geografische Europa und ist somit keine EU-Institution.

Als Hauptaufgabe des Europarates nennt Amon den Schutz der Menschenrechte und das Wachen über die europäische Menschenrechtskonvention: "Zur Zeit der Gründung gab es in mehr als der Hälfte der Mitgliedsstaaten noch die Todesstrafe. Seit 1997 gibt es sie in keinem einzigen der Mitgliedsländer mehr", nennt Amon einen der großen Erfolge des Europarates. Als wichtigen Vorteil betont Amon "dass für jeden einzelnen Bürger und jede Bürgerin in den Mitgliedsländern die Möglichkeit besteht, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte seine bzw. ihre Rechte durchzusetzen, also auch außerhalb des eigenen Staatsgebietes."

Europahaus in Graz

"Das Europahaus in Graz ist ein Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, das europäische Gedankengut in die Bevölkerung zu bringen", erklärt der Vorsitzende Burkhard Neuper das Motto: "Wir holen Europa in die Steiermark". Neuper: "Daher sind wir Maria Skazel, die ja auch im Vorstand des Europahauses ist, sehr dankbar für diese Plattform am heutigen Abend."
Um auch die Jungend für Europa zu begeistern, sind auch immer wieder Schulen eingeladen, sich selbst ein Bild im Europhaus Graz zu machen.
"Ich sehe den größten Vorteil für die heimische Wirtschaft, in der EU als gemeinsamer Player mit Gewicht am internationalen Parkett aufzutreten", betont Burkhard Neuper in seiner Funktion als stellvertretender Bundesvorsitzender der jungen Wirtschaft.

Jugend am Wort

Wie die Jugend von Europa profitiert, davon weiß Martin Stieglbauer, Bundesleiter der Landjugend und EU Gemeinderat in St. Martin im Sulmtal zu berichten: "Die  Spitzenfunktionäre der Landjugend haben nicht nur Brüssel und somit den EU-Sitz besucht, sondern auch ein Positionspapier zur Förderung von Junglandwirten bei den entsprechenden Stellen vorgelegt", so Stieglbauer und ergänzt zu den Möglichkeiten für junge Leute in der EU: "Allein, dass ich als Europäer überall innerhalb der EU arbeiten, wohnen und verreisen kann, ist schon ein riesiger Bonus. Besonders hautnah spürbar wird EU z.B. bei den international ausgeschriebenen landwirtschaftlichen Fachpraktika, die rund 300 Jugendliche jährlich in Anspruch nehmen können."
EU-Themen werden bei den 4x4-Bewerben der Bezirks-Landjugend als Wissensfragen ebenso greifbar, wie bei regionalen Projekten der Landjugendlichen, Stieglbauer: "Allein die Aktion 'Daheim kauf ich ein' zur Stärkung regionaler Betriebe ist europaweit einzigartig."
Dabei nennt Martin Stieglbauer den Ausbau des Breitband-Internets als wichtigen Faktor, um der Abwanderung aus dem ländlichen Raum entgegenzuwirken: "Es kann bei uns noch so schön sein: Wenn ich hier keine entsprechenden Arbeitsbedingungen vorfinde nützt die schöne Landschaft wenig." Um das Knowhow der Jugendlichen zurückzuholen nennt Stieglbauer auch leistbares Wohnen als dafür wichtiges Argument.

Förderungen sind nicht geschenkt

Zu den Förderprojekten weiß Marianne Kiendl, Geschäftsführerin der Innovation Styria, genau Bescheid: Mit Gesellschaftern, wie dem Technologiezentrum Deutschlandsbrg oder der Lippizanerheimat, setzt die Innovation Region Styria den Hebel an, um Projekte für die jeweilige Region maßgeschneidert umzusetzen", so Kiendl und erklärt weiter: "Wir unterstützen, Regionen, Institutionen und Gemeinden sowie Unternehmen, wenn sie eine innovative Idee haben in der Findung eines möglichst passenden Förderprojektes bzw. im Kooperationsaufbau und Netzwerkaufbau."
Schließlich stellt sie klar: Fördergeld ist kein geschenktes Geld, sondern ein Anstoss zum Aufbau für ein nachhaltig funktionierendes Projekt."

Zur LAG Schilcherland 

In dasselbe Horn stößt Walter Eichmann in seiner Funktion als Vorsitzender der LAG Schilcherland: "Da gibt es nichts einfach nur so, es muss schon allerhand stimmig sein, damit Fördergeld auch wirklich fließt", stellt er Schlagworte wie regionale Wertschöpfung, Umsetzbarkeit und Finanzierbarkeit in den Raum. Seit 2014 packt die LAG Schilcherland als selbstständige Leaderaktionsgemeinschaft Projekte an. So sind für die Förderperiode von 2014 bis 2020 nicht weniger 3,37 Mio Euro zugesagt, davon sind laut Eichmann 2,10 Mio. Euro breits umgesetzt. "Eingereicht wurden 48 Projekte, 38 davon sind in der LAG beschlossen und 21 sind bereits umgesetzt oder befinden sich gerade in Umsetzung", weiß Eichmann zu den Details. Die Projekte umfassen von Aktionen für regionale Lebensmittel über die Demenzservicestellen bis hin zu Aktivitäten rund um Asylwerber oder den ressourcenschonenden Einsatz von Spritzmittel in Obst - und Weinbau u.v.a. ein breites Spektrum.
Und, wie steht es mit der regionalen Wertschöpfung? "Insgesamt bleiben 5,5 bis 5,7 Mio. Euro als Wertschöpfung in der Region, also in der aktuellen Föderperiode bis 2020 und darüber hinaus. Das ist ein doch recht erklecklicher Anteil.
Eichmanns Fazit: "Europa bringt's weil wir in der Region mit diesen Fördermitteln aus der EU mit dem Bund und mit dem Land allerhand Projekte umsetzen und somit allerhand bewegen können."

Bei der anschließenden Fragerunde im Publikum waren auch durchaus emotionale Wortmeldungen dabei, die die Diskutanten am Podium mit entsprechenden Argumenten aufgefangen und vielfach abgefedert haben.

Der gemeinsame Tenor

Europa muss von den Bürgern ausgehen und sollte auch wieder Stammtischhoheit erlangen. Dazu ist mehr Transparenz in den Förderangelegenheiten nötig, damit diese auch sichtbar bei den Bürgern ankommen können. Schließlich profitiert Österreich nicht nur als großes Exportland von der EU und somit von jedem Handeslabkommen, sondern besticht als Feinkostladen am internationalen Parkett, gerade wegen er kleinstrukturierten Landwirtschaft, die es zu erhalten gilt. Mit digitaler und verkehrstechnischer Vernetzung (Stichwort Breitband-Ausbau, Koralmbahn, Mikro ÖV), schafft man außerdem Lebensqualität in den ländlichen Regionen. Hier kann schließlich die Jugend wieder gerne sesshaft werden, vielleicht sogar nach einem lehrreichen Erfahrungs-Check in anderen EU-Ländern.

Also: "Europa bringt's" und "Europa fängt in der Gemeinde an" und mit dieser Podiumsdiskussion:"Europa fängt in St. Peter im Sulmtal an".

Mehr zur EU Ratspräsidentschaft finden Sie auf unserer WOCHE-Themenseite unter www.meinbezirk.at/eu

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