„Wir waren am Limit“
Die Flutnacht aus der Sicht der Einsatzkräfte
Ein Jahr ist vergangen, seit eine entfesselte Naturgewalt über den Norden von Graz-Umgebung hereinbrach, eine Nacht, die selbst in der Erinnerung der erfahrensten Einsatzkräfte nicht verblasst. Was sich am 8. Juni 2024 in Deutschfeistritz und den umliegenden Orten abspielte, wurde für die Feuerwehren, vor allem bei der FF Deutschfeistritz, zu einem Kraftakt.
DEUTSCHFEISTRITZ. MeinBezirk beleuchtet in einer mehrteiligen Serie die Ereignisse im Detail und konnte Hauptbrandinspektor Andreas Reiter von der Freiwilligen Feuerwehr Deutschfeistritz zum Einsatz befragen. Reiter selbst blickt mit Nachdruck auf das Unwetter zurück. Er steht seit 43 Jahren im Dienst, hat viele Einsätze erlebt – doch diese Nacht sprengte jede Vorstellungskraft.
"Wir hatten Glück"
"In Wirklichkeit war es eine Katastrophe", sagt er nüchtern. Und dennoch spricht aus seinen Worten eine Mischung aus Demut und Erleichterung: "Wir hatten absolutes Glück. Es ist ein Wunder, dass niemand gestorben ist."

- Das Ortszentrum von Deutschfeistritz stand unter Wasser.
- Foto: FF Deutschfeistritz/Andreas Reiter
- hochgeladen von Nico Deutscher
Innerhalb von Minuten trat der Übelbach über die Ufer, Häuser wurden überflutet, Fahrzeuge trieben durch den Ort wie Spielzeug. Reiter erinnert sich: "Das war eine Sturzflut. Wir hatten in den ersten zehn Minuten schon mehrere Menschenrettungen." Die Einsätze liefen parallel – das Sensenwerk musste evakuiert werden, Menschen wurden aus überfluteten Fahrzeugen gezogen, aus Fenstern gerettet. Die Situation war chaotisch, und sie war gefährlich – auch für die Helfer selbst. "Wir waren selbst in höchster Lebensgefahr", gibt Reiter unumwunden zu.
"Wir waren am Limit"
Die Belastung sei nicht nur physisch, sondern auch seelisch gewesen: schlaflose Nächte, Blasen an den Füßen, Spatzen in den Gliedern. Und dann war da die Angst – nicht vor dem Wasser, sondern vor dem Verlust: "Die Vorstellung, jemanden zu verlieren, das ist schwer. Wir sind keine Helden, wir sind Menschen." 25 Feuerwehren, über 300 Kräfte, ein Ziel: Retten, was zu retten war. Die Zusammenarbeit funktionierte, der Abschnitt 6 habe sich als besonders hilfreich erwiesen.

- Die Einsatzkräfte arbeiteten Tag und Nacht.
- Foto: FF Deutschfeistritz/Andreas Reiter
- hochgeladen von Nico Deutscher
Aber Reiter bleibt realistisch: "Die Naturgewalt kennt keine Grenzen. Vorbereitung schon." Die Region sei gut gerüstet, man habe Erfahrung mit dem Übelbach. Dennoch, sagt er, müsse man akzeptieren, dass es Momente gebe, in denen selbst beste Ausrüstung und Ausbildung machtlos seien. Nach der Rettungsnacht begannen die Aufräumarbeiten – fünf Tage lang für die Feuerwehr, für viele Privatpersonen monatelang. Verkehrswege mussten freigemacht, Keller ausgepumpt, Existenzen gesichert werden. Und während der Schlamm schwand, blieb das Erlebte haften. "Das bleibt in den Köpfen", gibt Reiter zu.

- Die Aufräumarbeiten dauerten mehrere Wochen.
- Foto: FF Deutschfeistritz/Andreas Reiter
- hochgeladen von Nico Deutscher
Auch ähnliche Hochwasser sind kaum zu vergleichen. Ein Rückblick auf 1938, das Hochwasser ausgehend von der Mur, ist schwer zu vergleichen. Auch 2004 war im Vergleich sanfter. Der 8. Juni 2024 ist ein Einschnitt. Kein Lehrbuch, keine Übung, kein Training bereiten auf solche Stunden vor. "Wir kommen aus einfachen Familien und wir tun, was getan werden muss", schildert der Hauptbrandinspektor abschließend.
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