Graz-Umgebung Nord
Kirche in der Krise? "Wichtig, dass wir da sind!"
Die jüngst publizierten Zahlen der Katholischen Kirche Steiermark zeigen, dass es 2022 zu 16.253 Austritten kam. Ist Kirche überhaupt nicht mehr zeitgemäß? Wir haben nachgefragt, in welchen Situationen die Nähe zu den Gotteshäusern im Leben der Menschen doch wichtiger ist als gedacht.
GRAZ-UMGEBUNG. "Wir sind sehr überrascht von den vielen Austritten, zumal wir gerade heuer in einer Zeit geprägt von Krieg, Teuerung und Flucht gesehen haben, wie wichtig die Kirche für die Gesellschaft ist, sei es durch die Seelsorge, durch die Arbeit in den Pfarren oder durch die Caritas oder die Vinziwerke", sagt Thomas Tanzer, Sprecher der Diözese Graz-Seckau zu den aktuellen Zahlen. Konkret: Mit Stichtag 31. Dezember 2022 gibt es in der Steiermark 752.605 Katholikinnen und Katholiken – ein Jahr davor waren es noch 768.525. Der Anteil jener, die "noch dabei sind" im Hinblick auf die steirische Gesamtbevölkerung liegt bei 60 Prozent.
Im Jahr 2022 hat die Katholische Kirche Steiermark insgesamt 16.253 Menschen verloren. Diese Zahl ergibt sich aus 17.624 Wegzügen, 8.991 Sterbefällen und 16.171 Austritten, denen 26.375 Taufen, Zuzüge und Wiedereintritte gegenüberstehen. Im selben Zeitraum sind mit 1.136 Personen mehr Menschen in die Kirche wieder eingetreten als im Vorjahr – 2021 waren es 1.090. 158 weitere Menschen haben ihren Austritt widerrufen. Das sind jene, die zunächst ihren Austritt erklärt hatten, aber innerhalb der Frist von drei Monaten wieder Abstand von diesem Schritt nahmen.
In der Kirche vorbeischauen
Die Katholische Kirche kämpft an zwei Enden mit Problemen: Zum einen fehlt intern der Nachwuchs, zum anderen werden eben die Kirchenbänke immer leerer. Und das ist ein Trend, der sich seit Jahren hält. Ob die Zahl der Austritte die Pfarren verwundet? "Nein, im Gegenteil", antwortet Ronald Ruthofer, Leiter des Seelsorgeraums Graz-Umgebung Nord (mit den Pfarren Deutschfeistritz, Frohnleiten, Gratkorn, Röthelstein, Semriach, Stübing, Übelbach) MeinBezirk.at. "Würde man nur die rechnen, die auch wirklich regelmäßig in die Kirche gehen, dann würden wir wahrscheinlich nicht auf 60, sondern auf zehn Prozent kommen." Anders als früher, fügt der Pfarrer hinzu, seien die Menschen nicht mehr so stark und tief verwurzelt mit dem Gotteshaus, niemand gehe mehr jeden Tag zum Gebet in die Kirche. "Die Menschen brauchen aber die Kirche und es ist wichtig, dass wir da sind, wenn wir gebraucht werden."
Ruthofer ist davon überzeugt, dass die Kirche anlassbezogener geworden ist. "Schauen Sie, zum Beispiel im Advent. Da gibt es in Frohnleiten am Hauptplatz immer einen schönen Christkindl-, Adventmarkt. Und das ist auch die Zeit, in der die Menschen dann in der Kirche vorbeischauen und sich generell auf das besinnen, was den Advent und Weihnachten ausmacht. So ist das an vielen Feiertagen oder Anlässen, die einer christlichen Tradition folgen."
Kirche ist immer dabei
So sieht es auch Abt Philipp Helm vom Stift Rein: "Wenn entscheidende Lebensereignisse kommen, dann ist die Kirche da, dann ist Gott da. Die Kirche begleitet in wichtigen Schritten und ist im Leben immer dabei", sagt er und meint damit etwa die Sakramente – von der Taufe bis zur Firmung, von der Schließung der Ehe bis zur Krankensalbung, sie sind ohne die Kirche nicht möglich.
Die Wiedereintritte sind für den Abt ein Zeichen, dass der Mensch, egal, was kommt, "Halt braucht und Gott sucht". Die Austritte aus der Kirche steigen dann an, so Helm, "wenn wir sorglos sind. Im Trost wird aber gesucht. Und dann sind wir für die Menschen da."
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